Kalt oder warm vergären?

Die Vergärung von Zucker zu Alkohol
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3415
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Kalt oder warm vergären?

Beitrag von derwo »

Es geht im wesentlichen um drei Punkte: Die Temperatur hat Einfluss auf die Hefe, auf Bakterien und auf die Flüchtigkeit aromatischer Substanzen.

Der Einfluss auf die Hefe:
Je höher die Temperatur, desto schneller gärt die Hefe und desto mehr eigene Aromen (Gärnebenprodukte) produziert sie. Sehr stark wird dieser Effekt aber erst, wenn man die Hefe mit zu hohen Temperaturen quält. Manche Hefen sind auch für höhere Temperaturen geeignet. Das bedeutet, daß sie trotz hoher Temperatur und Gärgeschwindigkeit ein immer noch relativ neutrales Geschmacksprofil haben. Manche Hefen sind für sehr kalte Temperaturen geeignet. Das heißt, sie gären auch bei Temperaturen um 10°C, wenn auch sehr viel langsamer.

Der Einfluss auf Bakterien:
Die meisten Bakterien arbeiten nur bei relativ hohen Temperaturen. Sie erzeugen vor allem Säuren, welche dann eventuell zu Fruchtaromen verestert werden, also den Geuch des Destillats verändern.

Der Einfluss auf die Flüchtigkeit aromatischer Substanzen:
Durch die Maische zieht ja während der Gärung ein beständiger Wind aus CO2. Dieser schleppt flüchtige Substanzen mit nach draussen. Da alle Substanzen bei niedriger Temperatur weniger flüchtig sind als bei hoher, wird also weniger mitgerissen je kälter man vergärt. Man rieche zur Deutlichmachung an einem Glas Essig mit 15°C und dann an einem mit 30°C.


Und damit ist eigentlich auch schon alles erklärt:

- Obstmaischen werden kalt vergärt (unter 20°C), damit möglichst wenige originale Fruchtaromen ausgetrieben werden und möglichst wenige fremde dazukommen. Dafür braucht man eine Hefe, die mit kalten Temperaturen klarkommt. Also zB Backhefe eher nicht. Trotz dieser Hefe dauert die Gärung mehrere Wochen. Die durch hohe Temperaturen erzeugte Aromen wären nämlich auch mehrheitlich im weitesten Sinne Fruchtaromen, welche also die Sortenreinheit bzw den Charakter des Obstbrands verfälschen würden. Wer möchte schon einen Brand aus Quitten, verfälscht durch zusätzlich etwas Mirabellen-, Ananas- und Bananenaroma?

- Bei Whisk(e)y und Rum dagegen sind diese zusätzlichen Fruchtaromen erwünscht, da der Grundstoff (Getreide oder Melasse) diese nicht abdeckt. Daher lässt man bei hoher Temperatur vergären (bei Rum bis zu 40°C). Ökonomisch ist es natürlich auch: Wenn die Gärung zwei Wochen statt zwei Tage dauern würde, bräuchte man sieben mal so viele Gärtanks. Das Originalaroma des Getreides bzw der Melasse tritt dabei allerdings in den Hintergrund. Man gebe einem Laien einen Bourbon, er wird nicht darauf kommen, daß dieser aus Mais gemacht ist.

- Für Neutralalkohol wäre beides interessant. Das Austreiben von Aromen und das Verhindern von neu hinzukommenden. Beides geht aber nicht. Daher gewinnt ein Mittelweg, bzw eher eine warme, schnelle, also ökonomische Gärung, ohne aber die Hefe zu quälen. Und der Geschmack wird ja dann auch mit Rektifikation und diversen Hilfsmitteln eh noch neutralisiert.
Benutzeravatar
PuhBär
Beiträge: 557
Registriert: 20. Okt 2018, 15:57

Re: Kalt oder warm vergären?

Beitrag von PuhBär »

zitat:Hefe quälen

in wie weit spielt beim quälen der zucker eine Rolle, oder vielmehr die menge Zucker?

so ziemlich alle kennen ja die 48 Std. Gammelhefe, beim Aufräumen fand ich noch
einen Beutel davon ca. 3 Jahre alt schätze ich, ich hab sie statt mit 8 nur mit 6 kilo
Zucker angesetzt, kein unterschied zur Vodka Star :D
Dagegen mit 8 kilo ungenießbar, scheinbar gelingt es einigen auch mit 8 kilo aber
ich habs glaube ich drei mal gemacht und es war furchtbar.

( falls hier falsch, bitte verschieben)
Ich weiß, PuhBär klingt Gefährlich, mir fiel aber nichts anderes ein
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3415
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Kalt oder warm vergären?

Beitrag von derwo »

Es gibt viele Methoden, die Hefe zu quälen. Einer davon ist sicher auch zu viel Zucker. Zu viel Zucker bindet der Hefe aber Blei an die Beine quasi. Dann läuft sie sehr langsam und irgendwann hat sie gar keine Lust mehr. Dagegen zu hohe Temperatur treibt sie mit der Peitsche vor sich her. Dabei schwitzt und müffelt sie und erleidet dann einen Kreislaufkollaps. Quasi. Bzw schwitzen tut sie bei beiden Formen des Quälens.
Benutzeravatar
DrknMonkey
Beiträge: 66
Registriert: 30. Dez 2018, 18:46

Re: Kalt oder warm vergären?

Beitrag von DrknMonkey »

Hehe ich muste schmunzeln beim lesen, der Wo kann auch anders als trockener Stoff :lol: .
Und deshalb schmeckt man das auch, das ist mir neu?
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3415
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Kalt oder warm vergären?

Beitrag von derwo »

DrknMonkey hat geschrieben: 4. Jan 2019, 19:14Und deshalb schmeckt man das auch, das ist mir neu?
Wenn was schlecht schmeckt, liegt das entweder an schlechten Bedingungen für die Hefe oder es liegt an anderen Organismen. Oder beidem. Zu warme Temperatur fördert andere Organismen. Also oft geht es Hand in Hand: Die Bakterien gedeihen in der Hitze, während die Hefe lieber im kühlen Keller wäre.