Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Obst ernten oder kaufen, verarbeiten, vergären und brennen
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azeotrop
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Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von azeotrop »

Ich habe bei meiner Sucherei in den Tiefen des Internets was schönes entdeckt.
Der Verein Regionale Gehölzvermehrung - RGV
www.rgv.or.at
hat eine wunderbare Beschreibung der Schlehe veröffentlicht.
Ich hoffe ihr findet das auch interessant.
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derwo
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von derwo »

Ich zitiere daraus:

Das Märchen vom Frost
Bei der Suche nach Wildobst-Rezepten stößt man unweigerlich auf die Behauptung, dass Schlehenfrüchte erst nach der Einwirkung von Frost genießbar werden. Dies wird, häufig durch den gut gemeinten Rat ergänzt, die Früchte vor der Verwendung in die Tiefkühltruhe zu geben. Die Meinungen, was das bewirke, sind mannigfaltig: Weichheit der Fruchthaut, Zunahme des Zuckergehaltes und Verbesserung des Aromas.

Schein und Sein
Tatsächlich ist die Sachlage komplizierter. Warum appettitlich-tiefblaue Schlehenfrüchte im Spätherbst roh noch immer kaum genießbar sind, liegt hauptsächlich am hohen Gerbsäuregehalt ... Der moderne Name für Gerbsäure ist Tannin, wobei man meist die Mehrzahl Tannine verwendet, da es sich um eine ganze Stoffgruppe mit sehr ähnlichen Eigenschaften handelt. Tannine sind unter normalen Temperaturbedingungen sehr beständig und werden erst bei mehr als 250°C unter Verbräunung zerstört. Auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt bleiben die Tannine erhalten und so auch ihre adstringierende Wirkung.
Die eigentliche Waffe gegen diese unangenehme Esseigenschaft der Schlehenfrüchte steckt im Fruchtfleisch selbst! Eine im Pflanzenkörper häufig vorkommende Substanz ist der Rotfarbstoff Anthocyan, in der Schlehenfrucht ist Anthocyan in der Fruchthaut konzentriert. Während der Fruchtreife polymerisieren die Tannine mit Anthocyanen zu nicht adstringierend wirkenden, langkettigen Molekülen. Damit nimmt die geschmackliche Qualität von rohen Schlehenfrüchten beständig zu.

Alles eine Frage der Zeit
... Ein hoher Anteil an Pektin in der Frucht verhindert, dass Tannine und Anthocyane ausreichend beweglich sind und „zueinanderfinden“. Und das ist es, was der Frost bei der Geschmacksverbesserung der Schlehenfrüchte leisten kann: Zellen zerreißen, sodass der Zellsaft austritt und die schleheneigenen Tanninabbau-Prozesse ermöglichen. Wer gerbsauren Schlehenfrüchten nach dem Einfrieren
und anschließendem Auftauen keine Zeit zum Reifen gibt, hat noch sehr wenig für die Tanninbeseitigung getan!



Also bringt das Einfrieren das, was es bei allen anderen Früchten auch bringt: die Zellen werden zerstört, die Maische wird mit weniger Aufwand flüssig. Das ist alles. Nichts spezielles bei der Schlehe. Und zum Abbau der Tannine hat die Frucht ja dann während der Gärung noch Zeit. Wenn das überhaupt nötig ist. Tannine sind ja Feststoffe, welche daher beim Schnapsbrennen nicht ins Destillat übergehen.
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azeotrop
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von azeotrop »

derwo

Ich kann das bestätigen.
Seit Mitte September habe ich jede Woche eine handvoll Schlehen gepflückt, gekostet, über Nacht eingefroren und nach dem Auftauen gekostet.
Man konnte bei der frischen Ware schmecken dass der Gerbstoffgehalt jede Woche ein wenig geringer wurde, obwohl es noch keinen Frost gab.
Nach einem Tag in der Gefriertruhe war der Gerbstoffgehalt bei jeder Probe deutlich geringer als frisch gepflückt.
Aber das einfrieren hat die Gerbstoffe nicht völlig weggezaubert, aber die Reduzierung war deutlich bemerkbar.

Als wir am 1. Nov. morgens kräftigen Rauhreif auf den Dächern hatten habe ich geerntet.
Die frische Frucht hatte einen deutlich reduzierten, aber noch immer schwach vorhandenen Gerbstoffgeschmack.
Ich habe die gesamte Ernte von über 15kg dann eine Nacht eingefroren und am nächsten Tage gekostet - Der Gerbstoffgehalt war wiederum nochmals schwächer geworden.

Nun ist der Geschmackssinn kein Messgerät. Möglicherweise hat das Einfrieren den Gerbstoffgehalt nur um 10% reduziert, aber die Geschmacksknopen haben das als gewaltige Reduzierung wahrgenommen. Keine Ahnung.

Weiss jemand von euch wie ich zu Hause mit vertretbarem Aufwand den Gerbstoffgehalt quantitativ grob bestimmen kann?

Wichtig wäre halt zu wissen wie die Hefe das Ganze "empfindet". Wenn das Einfrieren reichen würde um die Gärung nicht so stark durch Gerbstoffe zu bremsen, würde mir das reichen.
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Kareltje
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von Kareltje »

Sehr geëhrte Kollegen!
Vielen Dank für Ihren Nachrichten.
Ich habe gestern und heute ungefähr 10 kg Schlehen gesammelt. Planung war: einfrieren, tauen lassen, (vielleicht nach 1 oder 2 Tagen wieder einfrieren un nochmal tauen lassen) und dann mit Pektolase und Amylase Saft machen. Dann pro 10 kg Schlehen ungefähr 1 kg Zucker zufügen und vergären.
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aragones
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von aragones »

Hut ab vor den Schlehensammlern. Ich kann heute nur ca. 20 Stück gefunden .... ! 🤠
Habe die Ehre Herr Geheimbrannt!
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Kareltje
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von Kareltje »

Ich weiss!
Gestern waren die Strauchen noch voll beladen mit Schlehen, aber als Ich heute am dieselbe Stelle zurückkam, war die Hälfte verschwunden! :evil:
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azeotrop
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von azeotrop »

Als ich eine zeitlang jede Woche die Schlehen probiert hatte, ist mir aufgefallen dass ich mich einfach nach den Vögeln richten könnte.

Währen der Anfangszeit, in der die Gerbstoffe noch sehr stark schmeckbar waren, habe ich keine angepickten Schlehen gefunden.
Als ich dann Anfang November geerntet hatte, waren bereits an vielen Ästen angepickte Schlehen zu sehen.

Scheinbar wissen die Vögel genau, ab wann die Schlehen schmecken.
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azeotrop
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von azeotrop »

Wikipedia sagt:
Verbreitung und Standort
Die Heimat des Schlehdorns erstreckt sich über Europa, Vorderasien bis zum Kaukasus und Nordafrika. In Nordamerika und Neuseeland gilt er als eingebürgert. Im hohen Norden und auf Island sind keine Bestände belegt. Er vermehrt sich durch Aussaat und durch Wurzelausschläge.

Der Schlehdorn bevorzugt sonnige Standorte an Weg- und Waldrändern und felsigen Hängen oder in Gebüschen, bei eher kalkhaltigen, oft auch steinigen Böden. Als Heckenpflanze ist er weit verbreitet. Man findet ihn häufig in Gesellschaft von Wacholder, Berberitze, Haselnuss, Wildrosen und Weißdornarten. Auf den Dünen an der Ostsee ist er insbesondere mit Weiden vergesellschaftet. Der Schlehdorn besiedelt geeignete Standorte von der Ebene bis in Höhenlagen von 1600 m.

Schlehenbüschegesellschaften gelten als Bindeglied in der Sukzession zum Hainbuchen-, Buchen- oder Eichenwald.
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von Kareltje »

Hab jetzt 17 Kg gestartet.
Um ein Idee zu bekommen, habe Ich versucht das Zuckergehalt zu messen.
Ungefähr 4 Kg Schlehen mit 2 L Wasser zeichte ein Dichte von 1,053 Kg/L, also 145 Gr/L.
Scheint mich ziemlich viel, weil das Report spricht von 5 bis 10 % Zucker im Fleisch. Un Ich habe die Früchten gemessen, insgesamt die Steine.
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azeotrop
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Re: Die Schlehe, das (un)bekannte Wesen

Beitrag von azeotrop »

Ja, die 10% würde ich auch auf das gesamte Fruchtgewicht beziehen.
Ohne Steine wäre es ja noch weniger Zucker.
Ich bezweifle dass man ohne Abpressen und Filtern des Saftes den Zuckergehalt messen kann.
Aber ich bin noch Anfänger.
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