Wir hatten vor einiger Zeit entdeckt, daß uns bei der Umrechnung unserer Siedediagrammdaten von mol% in vol% ein kleinen Fehler passiert war.
Das hatten wir zum Anlass genommen, uns die Daten und vor allem die Kurven, welche wir daraus gemacht hatten, also wie wir die Messdaten zu einem vernünftigen Verlauf geglättet hatten, nochmal vorzunehmen.
Beim Glätten von Daten kann man sehr nah beim Original bleiben oder sich aber sehr weit entfernen. Das hängt davon ab, was man für Hintergrundinformationen hat. Also vor allem, wie die Messdaten entstanden sind.
Folgende Fragen ergaben sich für uns:
- Wie schaute die Destillationsvorrichtung aus.
- Womit wurde der Alkoholgehalt gemessen? Über die Dichte (Spindel oder Pyknometer) oder über den Brechungsindex (Refraktometer)? Wenn Refraktometer, wie wurde das Problem des Brechungsindex bei hohen Alkoholstärken gelöst, durch Verdünnung zum Beispiel? Mit welchen Formeln oder Daten wurde aus der Dichte oder dem Brechungsindex die Alkoholstärke ermittelt?
- Nach welchen Daten oder Formeln wurden die Alkoholstärken für den Kessel zusammengemischt.
Und wir haben zu keiner dieser Fragen Antworten. Hätten wir welche, könnten wir abschätzen, wo es eher zu Messfehlern kommt und wo eher nicht. Und dann würden wir die Kurven vielleicht etwas anders zeichnen.
Wir wissen nur, daß diese Daten oft von wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden und das sie mit Abstand am meisten Datenpunkte haben verglichen mit anderen Quellen. Es sind 125 Punkte, also 125 mal mol im Kessel, Siedetemperatur und mol im Destillat.
Ein Vergleich mit Computersimulationen wie Aspen Plus verlief enttäuschend. Entweder sind die Messdaten also extrem schlecht oder man kann ein Siedediagramm halt nicht so genau vorhersagen, wie wir es gerne hätten.
Wir denken jedenfalls, daß bei den Messungen so große Fehler nicht passieren können, welche nötig wären, um auf die Werte von Aspen zu kommen, und halten deswegen zu den Messwerten.
Hier ein Bild mit den Originaldaten in rot und unseren daraus gebildeten Kurven in grün:
Es mag an manchen Stellen seltsam sein, wie wir uns von den Messdaten entfernen. In der Mitte der Kurve A zum Beispiel. Dazu sei gesagt, daß diese Stellen ihren Grund in der seltsamen Wellenform der Originaldaten rechts unten Kurve B haben. Wenn man diese korrigiert, verändern sich auch die anderen Kurven, da ja alles zusammenhängt. Bei der Glättung dieser Welle haben versucht, die dabei zwangsläufig entstehenden Abweichung auf die beiden anderen Kurven gleichmäßig zu verteilen.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß diese Welle physikalische Ursachen hat, es also ein Fehler ist, sie zu glätten. Es gab unterschiedliche Meinungen darüber innerhalb des Rechnerteams.
Die nun richtigere Umrechnung von mol% in vol% hat vor allem bewirkt, daß wir nun der Meinung sind, daß das Azeotrop nicht bei 97.18 sondern bei 97.2vol% liegt.
Die Kurven A und B gehen rechts unten nun etwas spitzer aufeinander zu, was dazu führt, daß laut unserer Rechner nun für sehr hohe Alkoholstärken, also über 95vol%, mehr Böden bzw Rektifikation nötig sind, als bisher berechnet.
Den anfänglichen Anstieg Kurve C links unten haben wir etwas steiler gemacht, weil Daten aus anderen Quellen darauf hindeuten. Es ist optisch nicht stark sichtbar, hat aber auf die Rechner bei sehr niedrigen Alkoholstärken im Kessel merkbare Auswirkungen.
Jedenfalls sind diese neuen Daten nun in alle unsere Rechner eingebaut, wodurch die berechneten Ergebnisse jetzt geringfügig anders sind.
Unser Ziel ist es, irgendwann mal eigene Messungen zu machen. Aber das ist ganz ferne Zukunftsmusik.