Steuerung und Visualisierung einer Destille

Der Selbstbau von Destillen
bender78
Beiträge: 6
Registriert: 20. Dez 2020, 20:20

Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von bender78 »

Hallo zusammen,

wie bereits bei der Vorstellung als neues Mitglied erwähnt, bin ich noch absoluter Anfänger was das brennen angeht. Jedoch hat es mich sehr gepackt.
Aktuell darf ich bei einem Freund die Steuerung einer Destille bauen. Beruflich komme ich aus der Mess-Steuer-Regeltechnik und bin Steuerungsprogrammierer für Kraftwerke und sonstige Anlagen. Daher war es natürlich klar, dass in der Steuerung für die Destille eine S7 SPS steckt, welche die Steuerung der 4 Heizstäbe sowie der Regelung vom Maischebehälter (heizen/kühlen) usw. steuert/regelt (über Sinn oder Unsinn kann man natürlich streiten :lol: ). Aber prinzipiell ist es mir dadurch möglich eigentlich ziemlich exakt Temperaturen anzufahren und zu Regeln.

Jetzt aber zu der Frage. Was würdet Ihr Euch alles für automatisierte Prozesse bei so einer Anlage wünschen? Welche "gimmicks" könnte man programmieren bzw visualisieren? Oder sagt ihr, hochheizen und fertig :lol:
Angedacht ist mit der Anlage verschiedene Dinge zu brennen (Gin, Whisky Obstbrände usw).

Gruß
Bender
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3418
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von derwo »

Willkommen bender78,

Wenn es eine Potstill ist, gibt es eigentlich nichts zu regeln außer der Heizleistung. Und die ist nicht in Abhängigkeit der Temperatur zu regeln sondern je nach gewünschter Destillatmenge und vorher je nach gewünschter Aufheizdauer.

Du denkst wahrscheinlich, daß man durch Steuerung der Heizleistung verhindern kann, daß der Alkoholgehalt des Destillats unter soundsoviel % fällt. Das stimmt leider nicht. Die Siedetemperatur des Kesselinhalts wird vom Alkoholgehalt. Liegt der gerade bei 90°C und deine Steuerung schaltet die Heizstäbe ab 85°C ab, produziert die Destille kein Destillat mehr. Du musst dann auf 90°C hochheizen, damit wieder Destillat kommt. Und dieses Destillat hat dann die vol%, welche es nunmal hat.

Eine Refluxdestille kann man schon in Abhängigkeit zur Dampftemperatur regeln. Aber nicht die Heizstäbe sondern Ventile müssten geregelt werden (Kühlwasserventil, Destillatventil oder Dampfventil). Oder andere mechanische Vorrichtungen. Das ist teuer. Außerdem muss die Steuerung vorausdenken können, da Destillen langsam reagieren auf Veränderungen. Solche Destillen muss man wie Ozeandampfer steuern. Und je nach Bauweise ist das anders. Und je nachdem, ob man am Anfang oder Ende der Destillation ist, ebenfalls. Die Elektronik müsste das also erstmal erlernen. Dafür bräuchte sie Temperaturensoren an mehreren Punkten der Kolonne.

Mit Heizstäben kann es bei dicken Obstmaischen sehr leicht anbrennen.

Bei den Maischen wäre öfters eine Kühlung als eine Beheizung interessant.
bender78
Beiträge: 6
Registriert: 20. Dez 2020, 20:20

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von bender78 »

Hallo Derwo,

danke für deine Ausführliche Antwort. Ja ich muss hier noch viel lernen. Ich habe z.B. gelesen, dass es bei Gin wichtig ist, dass z.B. auf 74°C (am Geistrohr) schnell hochgeheizt werden soll und ab dieser Temperatur die Hitze extrem zurück gefahren werden soll sodass die Temperatur dann nur langsam bis zum Vorlauf steigen.
Daher dachte ich, dass es ggf. noch mehr solche "Temperaturrampen" oder erfahrungen von Euch gibt, die man ggf. realisieren könnte. Ich denke auch, dass es hier aber einfach sehr viel auf Erfahrung und testen ankommt... Versuch und Irrtum...eine Religon eben :lol:

Was die Maischekühlung betrifft hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Hier dachte ich an eine simple Heizungspumpe, die Frischwasser aus einem IBC Behälter beziehen kann, welche dann den doppelwandingen Maischbehälter auf Temperatur hält.
Benutzeravatar
azeotrop
Beiträge: 2226
Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von azeotrop »

Beruhige dich.
Ich komme aus einem ähnlichen beruflichen Umfeld wie du.
Mein Salami-Reifeschrank läuft mit einer Logo. Alles drunter war ... irgendwie analog. :uärgs:

Dann fing ich an zu brennen. Neues Spiel.
Erst die Physik dahinter verstehen und dann Automatisierung versuchen.
Ganz im Ernst. Das war mein Weg:
Brenne, höre, beobachte, messe, schmecke, rieche, lerne verschiedene Destillenprinzipien kennen, falle auf die Schnauze, steh wieder auf, wiederhole ab Start.
Zwischendrin, in diesem immer währenden Zyklus werden dir deine Kenntnisse helfen Dinge zu verbessern.
Anders herum wird das vermutlich nichts werden.

Aber wenn du diesen Weg beschreiten willst, findest du hier Unterstützer.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3418
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von derwo »

bender78 hat geschrieben: 21. Dez 2020, 18:20Ich habe z.B. gelesen, dass es bei Gin wichtig ist, dass z.B. auf 74°C (am Geistrohr) schnell hochgeheizt werden soll und ab dieser Temperatur die Hitze extrem zurück gefahren werden soll sodass die Temperatur dann nur langsam bis zum Vorlauf steigen. Das ist auch generell richtig, daß, wenn man Vorlauf abtrennen will, diesen langsam abtrennen soll. Nicht speziell bei Gin. Und dafür muss man eine Zeit vorher runterschalten. Bei mir würde das so ausschauen, daß ich die Kochplatte ab einer Temperatur ganz ausschalte (so wie der Kapitän den Motor seines Tankers auch erstmal ganz ausschaltet, wenn er in die Schleuse möchte) und erstmal abwarte. Entweder ich entnehme den Vorlauf dann ohne daß ich gerade heize oder ich drehe halt wieder minimal auf. Genau weiß ich ja vorher auch nicht, wann es losgeht. Bei welcher Temperatur die ersten Tropfen kommen, hängt bei einer Potstill zu 90% vom Alkoholgehalt im Kessel ab. Und ein bisschen halt davon, wie lange das Steigrohr ist und wie stark man heizt. Und wie schnell die Temperatur oben ansteigt, hängt von der Höhe des Steigrohrs ab. Angenommen du hast ein 1m langes gefülltes Rohr über dem Destillendeckel, springt die Temperatur plötzlich innerhalb von 3 sek von 25°C auf 80°C. Um diesen Punkt nicht zu "überfahren", muss man das Steigrohr immer wieder anfassen, um zu sehen, wie weit hoch die Hitze inzwischen gekrochen ist. Aber angenommen, du hast kein Steigrohr, zieht sich der Anstieg je nachdem, wie stark du heizt, auch über zwei Stunden hin.
Daher dachte ich, dass es ggf. noch mehr solche "Temperaturrampen" meist ist es bezüglich der Heizleistung ein voll einschalten, dann ganz ausschalten, dann minimal aufdrehen, dann nach dem Vorlauf etwas mehr und beim Nachlauf dann wieder recht viel. oder erfahrungen von Euch gibt, die man ggf. realisieren könnte. Ich denke auch, dass es hier aber einfach sehr viel auf Erfahrung und testen ankommt... Versuch und Irrtum...eine Religon eben :lol:

Was die Maischekühlung betrifft hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Hier dachte ich an eine simple Heizungspumpe, die Frischwasser aus einem IBC Behälter beziehen kann, welche dann den doppelwandingen Maischbehälter auf Temperatur hält.
Die meisten denken eher über einen Kühlschrankumbau nach. Wenn es aber mit gekühltem Wasser sein soll, wäre eine Kupferrohrspirale üblich. Stichwort "Würzekühler".
Automatisieren mit PID oder ähnlichem hat zur Zeit viele Fans. Leider ist Destillieren nicht wirklich ein guter Kandidat dafür. ZB da es keine günstigen motorisierten Ventile gibt. Und da wir flexibel sein wollen (verschiedener Geschmack, verschiedene Alkoholstärken im Kessel, verschiedene Destillenkonfigurationen, verschiedene Brennweisen) muss eine Steuerung sehr intelligent sein. Ein one trick pony bringt nichts. Es gab mal dieses Projekt: https://www.instructables.com/Microstill/
Seine website microstill.net gibt es inzwischen nicht mehr. Hat wohl niemand das Ding gekauft. Im Forum homedistiller.org wurde der Thread über sein Projekt damals gelöscht. Ich fand das Projekt zwar auch schwachsinnig, aber löschen hätte man es meiner Meinung nach wirklich nicht müssen. In der Hobbybrennwelt wird wie in anderen Welten auch schnell jeder, der keine praktische Erfahrung hat, aber meint, was ganz neues machen zu müssen, sehr schnell ziemlich unfair behandelt. Er hat dann hier geschrieben:
http://www.artisan-distiller.net/phpBB3 ... =59&t=9840
Und ich auch.
Im Endeffekt hat er alle Argumente beiseite geschoben und sein Ding durchgezogen. Wie erfolgreich er damit war, darf er selber beurteilen.
Dann gibt es noch den "George" mit seinen Videos auf youtube, Barley&Hops oder so heißt sein Channel, der ua PIDs für Destillen verkauft und damit das Lieblings-Hassobjekt auf homedistiller.org geworden ist. Einerseits finde ich seine Brennmethode auch schwachsinnig, andererseits sehe ich schon auch, daß er der innovationsfeindlichen Hälfte (oder eher 95%) der amerikanischen und australischen Hobbybrenner gerade recht kommt, um den eigenen Selbstwert an ihm hochzuziehen, konservative Duftmarken zu setzen, mit Gleichgesinnten sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und das Revier gegen jede Entwicklung abzuriegeln.

Ich glaube, jetzt hast du einen Überblick, was in diese Richtung bisher gelaufen ist. Kannst dich ja mal weiter informieren. Aber wie azeotrop, jeder hier wird dir empfehlen, erstmal ohne Automation zu beginnen.
bender78
Beiträge: 6
Registriert: 20. Dez 2020, 20:20

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von bender78 »

Danke Euch für die Infos. Mal schauen was aus dem ganzen wird. Freue mich aber schon darauf wenn unter Anleitung gebrannt wird.
Benutzeravatar
Alk52
Beiträge: 808
Registriert: 17. Jun 2019, 13:42

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von Alk52 »

Bei der bisherigen Diskussion über machbar oder sinnvoll, ist etwas untergegangen. Du schreibst: "Steuerung der 4 Heizstäbe", über welche Dimension sprechen wir und was existiert bereits?
Nichts ist ohne Grund.
bender78
Beiträge: 6
Registriert: 20. Dez 2020, 20:20

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von bender78 »

Hallo Alk52,

es sind 4 x 9kW Heizstäbe verbaut. Eine davon wird so verschaltet, das 3 Heizleistungen möglich sind.
Die gesamte Anlage existiert bereits und wartet aktuell bis ich fertig bin mit verkabeln
Benutzeravatar
Hügelwilli
Site Admin
Beiträge: 832
Registriert: 10. Okt 2018, 21:47

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von Hügelwilli »

Dann ist das eine riesige Destille, oder? Wieviel liter fasst sie?
Seid ihr Profis mit Genehmigung zum Brennen?
Also, Profis dürfen hier schon schreiben, keine Sorge. Aber wir wollen es wissen, wenn jemand professionell brennt.
bender78
Beiträge: 6
Registriert: 20. Dez 2020, 20:20

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von bender78 »

Hallo Hügelwilli,

das ist in diesem Fall eine große angemeldete Anlage die aber nicht mir gehört. Und ja das sind profis (natürlich mit Zoll und allem).
Aber wie eingangs gesagt bin ich selber absoluter Anfänger und bin durch diese Steuerung erst zu dem gekommen. Ich möchte mich da einfach entwickeln und was kleines ggf. für mich zusammen bauen. Habe mir dazu schon viel im Forum angeschaut. Dies kann man so gesehen nicht vergleichen. Und wie du sicherlich an der Fragestellung zu Beginn gelesen hast bin ich kein Profi. 😂
Benutzeravatar
Hügelwilli
Site Admin
Beiträge: 832
Registriert: 10. Okt 2018, 21:47

Re: Steuerung und Visualisierung einer Destille

Beitrag von Hügelwilli »

Ok, alles gut.