Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf
Verfasst: 21. Okt 2018, 10:40
Vorlauf ist das, was man vor dem Mittellauf abtrennt. Und Nachlauf ist das, was man nach dem Mittellauf sammelt.
Meistens wird die Destillation von Bränden ja so erklärt, daß zuerst die Verbindungen mit niedrigerem und dann die mit höherem Siedepunkt verdampfen. Und die mit niedrigerem Siedepunkt als Ethanol sind der Vorlauf.
Dies trifft aber nur zu, wenn man mit einer Kolonne das Destillat hoch aufkonzentriert (auf über 95vol% Alkohol). Wenn man dagegen mit einer Potstill brennt, sind zwei wichtige Punkte komplett anders:
1. Die Trennung: Wie bei einem Aquarell nass in nass die Farben verlaufen, so vermischen sich bei einem Potstillbrand die Fraktionen. Auch der allererste Tropfen wird größtenteils aus Ethanol und Wasser bestehen.
2. Die Reihenfolge der Substanzen: Der Siedepunkt einer Substanz sagt nichts darüber aus, wann und in welcher Menge diese Substanz verdampft, wenn sie verdünnt vorliegt. Da eine Potstill nicht hoch aufkonzentrieren kann, sind diese Siedepunkte ziemlich irrelevant.
So finden sich im Vorlauf nicht nur Substanzen mit niedrigem Siedepunkt (zB Acetaldehyd, 20°C, stechend apfelfruchtig), sondern auch welche mit ähnlichem Siedepunkt (zB Ethylacetat, 77°C, Uhu-Geruch) wie Ethanol (78°C) und auch sehr viele mit deutlich höherem Siedepunkt sogar als Wasser (zB div. Fuselalkohole und Fruchtester). Dagegen sammelt sich zB Methanol nicht im Vorlauf, obwohl dessen Siedepunkt mit 65°C deutlich unter dem von Ethanol liegt. Folgende Grafik macht es deutlich: Quelle: "From pot stills to continuous stills: flavor modification by distillation" von Robert Piggot. Veröffentlicht in The Alcohol Textbook, Kapitel 17.
Wenn also 10vol% Alkohol im Kessel sind (linkes Ende der Grafik), sammeln sich alle hier genannten "Congener" bis auf Methanol eher im Vorlauf, da ihre "Volatility" höher ist als die von Ethanol. Wenn man dagegen hoch rektifiziert (rechtes Ende der Grafik), sind die niedrigsiedenden Stoffe im Vorlauf und die hochsiedenden Stoffe im Nachlauf (wie es ja auch wegen der Siedepunkte logisch erscheint).
Dies steht im Gegensatz zu fast allen Informationen, welche man sonst im Internet oder auch in Büchern findet. Außer in wissenschaftlichen Schriften. So gut wie überall steht, daß Methanol im Vorlauf ist und die Fuselalkohole im Nachlauf. Wegen ihrer Siedepunkte.
In der Praxis bewahrheitet sich diese Grafik allerdings sehr schnell:
ZB Wenn man weiß, wie Fuselalkohole riechen (chemisch nach Lösungsmiteln). Sowohl daß sie bei einem Potstillbrand eher am Anfang kommen, als auch daß sie bei einer Rektifikation konzentriert am Ende der Destillation (also im Nachlauf, wenn man ihn nicht vorher beendet) kommen, ist klar erriechbar.
Oder zB wie gut sich der UHU-Geruch (Ethylacetat) trotz seines fast gleichen Siedepunktes wie Ethanol selbst mit einer Potstill abtrennen lässt.
Daß Methanol eher wenig im Vorlauf ist, eher im Nachlauf, bzw überall und auch viel im Kessel zurückbleibt, lässt sich sensorisch leider nicht belegen, da Methanol einen ähnlich unaufdringlichen Geruch wie Ethanol hat.
Diese Grafik ist aber nicht die einzige wissenschaftliche Quelle, die dieses überraschende Verhalten belegt. Ich werde auch noch ein paar andere Quellen nachlegen.
Und natürlich weiß auch die Alkoholindustrie für zB Treibstoffe, daß sie das Methanol nicht einfach so konzentriert in den Vorlauf bekommt: In ihren Kolonnen können zwar...
-die "echten Vorlaufstoffe", also vor allem Ethylacetat und Acetaldehyd, in der Kolonne oben gut konzentriert gesammelt werden. Deren Flüchtigkeit ist ja laut Grafik bei jedem Alkoholgehalt sehr hoch.
-die höheren Alkohole an bestimmten Punkten der Kolonne halbwegs angereichert abgezogen werden. Laut Grafik ist die Flüchtigkeit bei niedrigen % erhöht. Die höheren Alkohole wandern also die Kolonne hoch. Ab einer gewissen Alkoholstärke (der Alkoholgehalt in der Kolonne steigt ja mit der Höhe) ist aber die Flüchtigkeit niedriger als die von Ethanol. Also bleiben die höheren Alkohole an einem bestimmten Punkt im unteren Drittel der Kolonne stehen und können dort durch Ventile abgezogen werden.
...aber Methanol wandert nur zu einem kleinen Teil die Kolonne hoch (rel. niedrige Flüchtigkeit bei niedrigen %). Der Teil, der hochwandert, hat aber recht gute Chancen, bis nach ganz oben zu gelangen. Wegen der höheren Flüchtigkeit bei hohen %. Wenn am Ende eine Methanolreduzierung nötig ist (wenn der Ausgangsstoff sehr methanolhaltig war), wird am Ende das ansonsten fertige Destillat durch eine zusätzliche Kolonne ("Demethylizer") geleitet, wo es mit über 95% unverdünnt nochmal destilliert wird. Denn nur unverdünnt und mit viel Rektifikation gibt es eine gute Methanolaufkonzentrierung am oberen Ende der Kolonne.
Leider sind auch viele gute Aromastoffe sehr flüchtig und sammeln sich daher am Anfang der Destillation. Es ist daher komplex. Und wir können -zumindest mit einer Potstill- auch nur wenig beeinflussen. Sie hat quasi zwar ein Gaspedal, aber kein Lenkrad. Es kommt wie's kommt.
Daher muss meiner Meinung nach grundsätzlich nach Geruch und Geschmack abgetrennt werden. Alle anderen Methoden (zB nach Dampftemperatur oder pauschal nach Menge) können einem höchstens Bereiche freiräumen, welche man nicht sensorisch überprüfen muss. Also zB "das erste Stamperl kommt auf jeden Fall mal weg" oder "bis 89°C ist sicher noch Mittellauf und nach 95°C sicher bereits Nachlauf".
Apropos Nachlauf. Wenn denn lauter Stoffe, welche eigentlich einen hohen Siedepunkt haben, nun überraschenderweise im Vorlauf sind, was ist denn dann eigentlich im Nachlauf außer Wasser und ein bisschen Alkohol? Was ist verantwortlich für den schlechten Geruch und Geschmack? Die für manche vielleicht überaschende Antwort: Vor allem Säuren. Viele der Säuren, welche die Hefe (und Bakterien) produziert, sind nur schwach flüchtig und gehen erst bei der im Nachlauf hohen Temperatur bzw niedrigem Alkohlgehalt ins Destillat über. Das ist mit einem pH-Messgerät messbar und auch ganz klar schmeckbar. Nachlauf schmeckt sauer. Die zahlenmäßig wichtigste Säure ist normalerweise Essigsäure. Meiner Meinung nach nur schwer erkennbar, da im Nachlauf noch viele andere geschmacksstarke Stoffe sind. Sie werden meist zusammenfassend Fuselöle genannt, ein sehr schwammiger Begriff. Man beachte hier den Unterschied zwischen Fuselöl und Fuselalkohol. Theoretisch ist zwar Fuselalkohol ein Teil des Fuselöls, praktisch trifft das aber höchstens für die Herstellung von Neutralalkohol/Vodka bzw Brennstoffen zu.
Da die Säuren eher schmeckbar als riechbar sind, sollte man den Nachlauf nicht mit der Nase abtrennen, sondern nach Geschmack.
Meistens wird die Destillation von Bränden ja so erklärt, daß zuerst die Verbindungen mit niedrigerem und dann die mit höherem Siedepunkt verdampfen. Und die mit niedrigerem Siedepunkt als Ethanol sind der Vorlauf.
Dies trifft aber nur zu, wenn man mit einer Kolonne das Destillat hoch aufkonzentriert (auf über 95vol% Alkohol). Wenn man dagegen mit einer Potstill brennt, sind zwei wichtige Punkte komplett anders:
1. Die Trennung: Wie bei einem Aquarell nass in nass die Farben verlaufen, so vermischen sich bei einem Potstillbrand die Fraktionen. Auch der allererste Tropfen wird größtenteils aus Ethanol und Wasser bestehen.
2. Die Reihenfolge der Substanzen: Der Siedepunkt einer Substanz sagt nichts darüber aus, wann und in welcher Menge diese Substanz verdampft, wenn sie verdünnt vorliegt. Da eine Potstill nicht hoch aufkonzentrieren kann, sind diese Siedepunkte ziemlich irrelevant.
So finden sich im Vorlauf nicht nur Substanzen mit niedrigem Siedepunkt (zB Acetaldehyd, 20°C, stechend apfelfruchtig), sondern auch welche mit ähnlichem Siedepunkt (zB Ethylacetat, 77°C, Uhu-Geruch) wie Ethanol (78°C) und auch sehr viele mit deutlich höherem Siedepunkt sogar als Wasser (zB div. Fuselalkohole und Fruchtester). Dagegen sammelt sich zB Methanol nicht im Vorlauf, obwohl dessen Siedepunkt mit 65°C deutlich unter dem von Ethanol liegt. Folgende Grafik macht es deutlich: Quelle: "From pot stills to continuous stills: flavor modification by distillation" von Robert Piggot. Veröffentlicht in The Alcohol Textbook, Kapitel 17.
Wenn also 10vol% Alkohol im Kessel sind (linkes Ende der Grafik), sammeln sich alle hier genannten "Congener" bis auf Methanol eher im Vorlauf, da ihre "Volatility" höher ist als die von Ethanol. Wenn man dagegen hoch rektifiziert (rechtes Ende der Grafik), sind die niedrigsiedenden Stoffe im Vorlauf und die hochsiedenden Stoffe im Nachlauf (wie es ja auch wegen der Siedepunkte logisch erscheint).
Dies steht im Gegensatz zu fast allen Informationen, welche man sonst im Internet oder auch in Büchern findet. Außer in wissenschaftlichen Schriften. So gut wie überall steht, daß Methanol im Vorlauf ist und die Fuselalkohole im Nachlauf. Wegen ihrer Siedepunkte.
In der Praxis bewahrheitet sich diese Grafik allerdings sehr schnell:
ZB Wenn man weiß, wie Fuselalkohole riechen (chemisch nach Lösungsmiteln). Sowohl daß sie bei einem Potstillbrand eher am Anfang kommen, als auch daß sie bei einer Rektifikation konzentriert am Ende der Destillation (also im Nachlauf, wenn man ihn nicht vorher beendet) kommen, ist klar erriechbar.
Oder zB wie gut sich der UHU-Geruch (Ethylacetat) trotz seines fast gleichen Siedepunktes wie Ethanol selbst mit einer Potstill abtrennen lässt.
Daß Methanol eher wenig im Vorlauf ist, eher im Nachlauf, bzw überall und auch viel im Kessel zurückbleibt, lässt sich sensorisch leider nicht belegen, da Methanol einen ähnlich unaufdringlichen Geruch wie Ethanol hat.
Diese Grafik ist aber nicht die einzige wissenschaftliche Quelle, die dieses überraschende Verhalten belegt. Ich werde auch noch ein paar andere Quellen nachlegen.
Und natürlich weiß auch die Alkoholindustrie für zB Treibstoffe, daß sie das Methanol nicht einfach so konzentriert in den Vorlauf bekommt: In ihren Kolonnen können zwar...
-die "echten Vorlaufstoffe", also vor allem Ethylacetat und Acetaldehyd, in der Kolonne oben gut konzentriert gesammelt werden. Deren Flüchtigkeit ist ja laut Grafik bei jedem Alkoholgehalt sehr hoch.
-die höheren Alkohole an bestimmten Punkten der Kolonne halbwegs angereichert abgezogen werden. Laut Grafik ist die Flüchtigkeit bei niedrigen % erhöht. Die höheren Alkohole wandern also die Kolonne hoch. Ab einer gewissen Alkoholstärke (der Alkoholgehalt in der Kolonne steigt ja mit der Höhe) ist aber die Flüchtigkeit niedriger als die von Ethanol. Also bleiben die höheren Alkohole an einem bestimmten Punkt im unteren Drittel der Kolonne stehen und können dort durch Ventile abgezogen werden.
...aber Methanol wandert nur zu einem kleinen Teil die Kolonne hoch (rel. niedrige Flüchtigkeit bei niedrigen %). Der Teil, der hochwandert, hat aber recht gute Chancen, bis nach ganz oben zu gelangen. Wegen der höheren Flüchtigkeit bei hohen %. Wenn am Ende eine Methanolreduzierung nötig ist (wenn der Ausgangsstoff sehr methanolhaltig war), wird am Ende das ansonsten fertige Destillat durch eine zusätzliche Kolonne ("Demethylizer") geleitet, wo es mit über 95% unverdünnt nochmal destilliert wird. Denn nur unverdünnt und mit viel Rektifikation gibt es eine gute Methanolaufkonzentrierung am oberen Ende der Kolonne.
Leider sind auch viele gute Aromastoffe sehr flüchtig und sammeln sich daher am Anfang der Destillation. Es ist daher komplex. Und wir können -zumindest mit einer Potstill- auch nur wenig beeinflussen. Sie hat quasi zwar ein Gaspedal, aber kein Lenkrad. Es kommt wie's kommt.
Daher muss meiner Meinung nach grundsätzlich nach Geruch und Geschmack abgetrennt werden. Alle anderen Methoden (zB nach Dampftemperatur oder pauschal nach Menge) können einem höchstens Bereiche freiräumen, welche man nicht sensorisch überprüfen muss. Also zB "das erste Stamperl kommt auf jeden Fall mal weg" oder "bis 89°C ist sicher noch Mittellauf und nach 95°C sicher bereits Nachlauf".
Apropos Nachlauf. Wenn denn lauter Stoffe, welche eigentlich einen hohen Siedepunkt haben, nun überraschenderweise im Vorlauf sind, was ist denn dann eigentlich im Nachlauf außer Wasser und ein bisschen Alkohol? Was ist verantwortlich für den schlechten Geruch und Geschmack? Die für manche vielleicht überaschende Antwort: Vor allem Säuren. Viele der Säuren, welche die Hefe (und Bakterien) produziert, sind nur schwach flüchtig und gehen erst bei der im Nachlauf hohen Temperatur bzw niedrigem Alkohlgehalt ins Destillat über. Das ist mit einem pH-Messgerät messbar und auch ganz klar schmeckbar. Nachlauf schmeckt sauer. Die zahlenmäßig wichtigste Säure ist normalerweise Essigsäure. Meiner Meinung nach nur schwer erkennbar, da im Nachlauf noch viele andere geschmacksstarke Stoffe sind. Sie werden meist zusammenfassend Fuselöle genannt, ein sehr schwammiger Begriff. Man beachte hier den Unterschied zwischen Fuselöl und Fuselalkohol. Theoretisch ist zwar Fuselalkohol ein Teil des Fuselöls, praktisch trifft das aber höchstens für die Herstellung von Neutralalkohol/Vodka bzw Brennstoffen zu.
Da die Säuren eher schmeckbar als riechbar sind, sollte man den Nachlauf nicht mit der Nase abtrennen, sondern nach Geschmack.