SPP-Kolonne, von 100% Reflux zur Potstill

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
Benutzeravatar
Alk52
Beiträge: 808
Registriert: 17. Jun 2019, 13:42

SPP-Kolonne, von 100% Reflux zur Potstill

Beitrag von Alk52 »

Dieses Thema schließt sich an das Thema SPP-Kolonne, fluten oder nicht fluten an.

Die Erfahrungen aus den bishergen SPP-Kolonne... Versuchen und den letzten Diskussionen mit Wo und das Thema Potstill mit Rektifikation des Vorlaufs haben zum nächsten Schritt geführt.

"Nachdem die Destille eine Zeit lang mit 100% Reflux gelaufen ist, wird manuell die Kühlwassermenge (schrittweise ) reduziert, bis ausreichend Dampf den RK passiert, um den Vorlauf abzuziehen und anschließend wird der RK einfach ausgeschaltet."

Auf dem Weg zu einer SPP-Kolonne, bei der ich beliebig Rektifikation bzw. theoretische Böden einstellen kann, habe ich mich für ein anderes Vorgehen entschieden.
Für Aromabrände mit 100% Reflux starten und dann automatisch, nach einer bestimmten Zeit, den Reflux herunterfahren, den Vorlauf abziehen, weiter bis 0% herunterfahren und im Potstill-Modus weiter brennen ...

Die Tatsache, dass Kühlwasser sich erwärmt, wird genutzt, um den Reflux-Kühlerkreis per Selbsterwärmung nach einer vorgegeben Zeit "auszuschalten".

hc_565.png
Dazu habe ich mit dem Rechner Kühlwassererwärmung, Reservoir, Reflux eine Kühlwassermenge von ca. 4 Liter bestimmt, die sich bei einer RK-Leistung von ca. 500 W in 30min um 60°C erwärmt. Mit dieser Menge, in einem passenden Topf im Waschbecken, wird das RK-Kühlwasser dadurch erwärmt, dass der RK statt mit Kaltwasser, nach Ausschalten des Kaltwassers und dem Umschalten (roter Pfeil) des Reflux-Kühlwassers in den Topf, heizt sich der RK-Kühlwasserkreislauf auf.
Mit zunehmender RK-Kreislauf-Temperatur wird immer mehr Dampf durchgelassen und schließlich arbeitet die SPP-Kolonne um ca.19:20 im Potstill-Modus.

hc_566.png
Dann habe ich über das Ventil zusätzlich Kaltwasser in den RK-Kühlwasserkreislauf gegeben, um mit einer Mischtemperatur, eine angestrebte Rektifikation bzw. Anzahl theoretischer Böden einzustellen.
Prinzipiell funktioniert dieses Verfahren und ich konnte ca. 2,8 theoretische Böden darstellen.
Nichts ist ohne Grund.
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3418
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: SPP-Kolonne, von 100% Reflux zur Potstill

Beitrag von derwo »

Das ist eine Idee, von der ich seltsamerweise noch nicht gehört habe.
Den Übergang von 100% Reflux zu langsamen Vorlaufabnahme auf diese Weise zu regeln, halte ich für geschickt, da hier die herkömmliche Methode mit vorsichtigen Ventildrehungen sehr frickelig ist (das hängt natürlich aber auch von den Ventilen ab).
Allerdings muss man vielleicht nachregeln, wenn der Vorlauf dann nach einer Zeit zu schnell läuft (bei Aromabränden glaube ich nicht, daß das nötig ist, aber bei Neutralalkohol).
Und den Reflux möchte ich ausschalten, wann ich es will, nicht abhängig von der Kühlwassermenge sein. Aber gut, auch mit diesem System kann man die Pumpe ja einfach ausschalten.
Dann mit Kühlwasserzugaben einen kontrollierten Reflux zu erzeugen, das muss die Praxis entscheiden, ob man das besser hinbekommt als mit einem Kühlwasserventil. In deinem Diagramm zappelt die TopDampf-Temperatur doch ziemlich auf und ab. Andererseits ist es sehr synchron mit der Kühlwassertemperatur. Das bedeutet, wenn du die Kühlwassertemperatur gleichmäßiger hinbekommst, was glaube ich nicht besonders schwierig ist, bekommst du auch die Dampftemperatur gleichmäßiger hin.

Off-topic: Hast du schon mal Gegenstrom beim RK ausprobiert?
Benutzeravatar
Alk52
Beiträge: 808
Registriert: 17. Jun 2019, 13:42

Re: SPP-Kolonne, von 100% Reflux zur Potstill

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 12. Jul 2021, 09:33 Und den Reflux möchte ich ausschalten, wann ich es will, nicht abhängig von der Kühlwassermenge sein. Aber gut, auch mit diesem System kann man die Pumpe ja einfach ausschalten.
Das System startet, wenn Du die Heizleistung erhöhst und das warme Kühlwasser des RK in den Topf leitest und das Kaltwasser stoppst. Mit der Kühlwassermenge bestimmst Du die Zeitkonstante für den Übergang von 100% Reflux zur Potstill.

Die Geschwindigkeit der Alkoholmenge (Vorlauf...) wird am Anfang durch die Erwärmung der Anlagenteile beeinflußt. Der Dampf kondensiert an den kalten Wänden oberhalb des RK und fließt noch eine zeitlang zurück.
derwo hat geschrieben: 12. Jul 2021, 09:33 Off-topic: Hast du schon mal Gegenstrom beim RK ausprobiert?
Nein, die Anfangsbedingungen sprechen für mich dagegen. Das werden wir sicher noch untersuchen müssen.

Mit der og. Messung ist das Thema eigentlich geklärt, automatischer Übergang zur Potstill und Zeitkonstante über das Topfvolumen einstellbar.
Ab jetzt geht es Off-Topic weiter. Mal sehen wo es endet.

derwo hat geschrieben: 12. Jul 2021, 09:33 Dann mit Kühlwasserzugaben einen kontrollierten Reflux zu erzeugen, das muss die Praxis entscheiden, ob man das besser hinbekommt als mit einem Kühlwasserventil.
Die Praxis wird mir bei diessen produktlosen Vergleichsversuchen zu teuer. Ich habe mal angefangen zu rechnen. Deine Frage wird vielleicht ebenso beantwortet, wie die Frage, wie kann ich die Wassermenge bestimmen, die ich brauche, um 3 theoretische Böden bei unterschiedlichen Kessel-vol% zu realisieren.
Dabei wurden div. Rechner verwendet und in der Tabelle ergeben sich die Werte von links nach rechts, unter Berücksichtigung der variablen Einträge in den oberen Zeilen (die natürlich nichts bewirken, weil die Berechnungen mit Forenrechner durchgeführt wurden).
hc_569.png
Nichts ist ohne Grund.
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3418
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: SPP-Kolonne, von 100% Reflux zur Potstill

Beitrag von derwo »

Bei der Vorlaufabtrennung bei Neutralalkohol möchte ich aber idealerweise konstant vielleicht drei Tropfen pro Sekunde Produkt abziehen. Das ist mit diesem System nicht möglich. Anfangs tröpfelt es sehr langsam und dann immer schneller. Und entweder das Ende des Vorlaufs hat keine Rektifikation mehr oder der Anfang des Mittelaufs hat immer noch welche.


Dann zum off-topic:
Ich habe deine Berechnungen nicht nachgeprüft. Aber wenn sie stimmen, bedeuten sie, du musst das Kühlwasser ständig kälter machen, um die gewünschten drei Böden zu halten.
Und für die Kontrolle der Anzahl der Böden, musst du dauernd mit den °C im Kessel und im Dampf rumrechnen.
Die Frage ist dann, warum es denn konstant drei Böden sein müssen. Wäre es nicht besser, die Bödenanzahl langsam zu erhöhen, sodaß die vol% die ganze Zeit konstant bleiben? Dafür müsstest du das Kühlwasser in dieselbe Richtung aber stärker verändern.
Insgesamt klingt es für mich nicht danach, als wenn das System dafür besser geeignet wäre als das herkömmliche über die Kühlwassermenge.
Oder hab ich was übersehen?