Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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azeotrop
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Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von azeotrop »

Wann riecht man den typischen Vorlaufgeruch stärker? Unverdünnt oder verdünnt?
Meine Nase riecht es weder verdünnt noch unverdünnt. Drum frage ich so doof.
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derwo
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von derwo »

Man riecht allgemein mehr, wenn vorher verdünnt wird. Aber halt auch mehr von den guten Stoffen.
Mit "typischem Vorlaufgeruch" meinst du Klebstoff? Es kann gut sein, daß deine Brände nicht sehr viel davon haben. Berühmt für viel Klebstoff sind Brände, wo gar kein Vorlauf abgetrennt wird (Bourbon) und wo sehr beeinträchtigtes Ausgangsmaterial verwendet wird (Grappa).
Bei einer sauber vergärten Maische merke ich bei einem Potstill-Feinbrand auch nicht viel Klebstoff. Immer bemerke ich aber was sehr hell-fruchtiges, was wahrscheinlich Acetaldehyd ist. Riecht man schon vor dem ersten Tropfen.
Wegen was fragst du? Deine Kirschen neulich? Da hattest du den Vorlauf aber rektifiziert, oder?
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azeotrop
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von azeotrop »

Ja, ich hatte den Vorlauf rektifiziert. Die ersten 10ml riechen ganz leicht nach Wiese und haben kein Kirscharoma.
Bei den zweiten 10 ml bin ich unsicher. Die beiden nächsten riechen nur nach Kirschen.
Ich habe reines Acetaldehyd zu Hause. Es riecht auch so leicht nach frisch gemähter Wiese, aber überhaupt nicht stechend.
In den Büchern steht jedoch das Acetaldehyd stechend riechen würde. Mit der Flasche an der Nase rieche ich nichts stechendes. Ich denke meine Nase ist schwerhörig.
Ich werde mal einen Tropfen in ein Glas Wasser geben und vergleichen.
Ich habe die Hoffnung wenn ich mal einen Vergleich gerochen habe, fällt es mir vielleicht leichter Vorlauf abzutrennen.

Beim echtem Uhu rieche ich das Ethylacetat ganz deutlich. Bei meinen Vorläufen habe ich es noch nie gerochen.
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derwo
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von derwo »

Vielleicht kannst du auch mal ein Stamperl Vodka mit Acetaldehyd versetzen? Das wäre interessant, wie du das riechst.

Ich habe es leider nie geschafft, einen richtigen "kleberigen" Bourbon zu produzieren. Das meine ich ernst. Ich würde das wirklich gerne herstellen können. Ich dachte, ich muss die Maische halt gammeln lassen, dann kommt das schon. Nix da, es haben sich dann immer vor allem andere Aromen gebildet, nicht das "reine" Kleberaroma.
geHeimBrenner
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von geHeimBrenner »

Sorry für teilweise Offtopic, aber irgendwie passt es ja dann doch noch.
derwo hat geschrieben: 30. Jul 2021, 21:58 Ich habe es leider nie geschafft, einen richtigen "kleberigen" Bourbon zu produzieren. Das meine ich ernst. Ich würde das wirklich gerne herstellen können. Ich dachte, ich muss die Maische halt gammeln lassen, dann kommt das schon. Nix da, es haben sich dann immer vor allem andere Aromen gebildet, nicht das "reine" Kleberaroma.
Hast du schon mal versucht, einen kleinen Schuss Essig-Essenz mit in die Maische zu packen? Also schon direkt vor Gärbeginn? Ethylacetat wird ja aus Ethanol und Essigsäure gebildet. Getreidemaischen gären aber meist dermaßen schnell und werden auch so schnell verarbeitet, dass Essigsäure-Bakterien da keine große Chance haben. Der Zucker ist einfach sofort verfügbar und kann von der Hefe verstoffwechselt werden. Zusätzlich liegt über der Maische schon nach kurzer Zeit eine CO2-Schicht und an aerobe Gärung ist nicht mehr zu denken.
Bei Obstmaischen sieht das ja anders aus, da läuft die Gärung schleppender, der Zucker wird erst nach und nach frei. Deshalb hat Acetobacter da auch mehr Zeit "Schaden" anzurichten. Dazu kommen noch Fremdhefen die da gern mal auch zwischenfunken, die aber auf Getreide ebenfalls nicht vorkommen.
Eventuell kann ein kleiner Anteil Essig-Essenz in der Maische also weiterhelfen, "künstlichen Vorlauf" auch in Getreide-Maischen zu erzeugen.

Nur mal so als Idee, ob es wirklich funtkioniert kann ich auch nicht mit Sicherheit sagen.
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derwo
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von derwo »

In die Richtung habe ich experimentiert. Im Endeffekt landet dann aber auch recht viel Essigsäure im Destillat, also kratziger Nachlauf. Das wird dann nicht so ein ölig-weicher Klebstoffbourbon sondern ein Rachenputzer. Sowas gibt es aber auch zu kaufen: Bulleit Bourbon ist ein Rachenputzer, finde ich. Es kann aber natürlich sein, daß ich irgendwas halt irgendwie anders hätte machen müssen, um einen weichen aber klebstoffhaltigen Bourbon zu bekommen.
Und Essigsäure wäre als Zutat in Bourbon auch nicht erlaubt. Aber wer weiß (noch weiter off-topic), vielleicht erleben wir irgendwann einen Bourbon-Skandal. Bourbon hat ein strenges Regelwerk und ist meines Wissens aber nie groß unter die Lupe genommen worden. Und damit meine ich jetzt aber eher so Sachen wie Vanillin.
Es fällt mir auf, daß bei homedistiller alle stolz erzählen, daß sie ihren Bourbon ohne Klebstoff hinbekommen. Also meines Wissens ist es unter Hobbybrennern weltweit klar, daß der eigene Bourbon keinen Klebstoff hat. Und das wollen auch alle so und jeder schafft es. Da stellt sich aber die Frage, warum die großen Hersteller das nicht hinbekommen. Ist es wirklich nur der fehlende Vorlaufschnitt der kontinuierlichen Brennweise? Ich mache inzwischen nur noch sehr kleine Vorlaufschnitte, ist das aber immer noch der Unterschied? Und billige Rums werden auch kontinuierlich gebrannt, haben aber nicht so diese Klebstoffnote. Sie werden aber höher gebrannt. Je höher man brennt, desto besser kann man auch bei kontinuierlicher Destillation doch etwas Vorlauf abtrennen. Aber machen die das wirklich auch bei Billigprodukten?
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azeotrop
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Re: Vorlauf riechen - verdünnen oder nicht?

Beitrag von azeotrop »

Heute habe ich die 4 Vorlauffraktionen meines Kirsch Feinbrands getestet. Jeweils eine kleine Menge mit der vierfachen Menge Wasser verdünnt und geschnuppert.
Zum ersten Mal konnte ich bei den ersten beiden Proben deutlich einen leichten Uhu Geruch feststellten. :+1:
Ich konnte den Geruch zwar erkennen, es ist aber viel schwächer als wenn man am Kleber riecht.
Die dritte Fraktion war fast Uhu-frei, aber das sie nicht nach Kirsche roch geht sie auch weg.
Die vierte Fraktion war ganz Uhu-frei und roch wie der Mittelbrand.
Ich habe bemerkt dass man nach dem Verdünnen nicht zulange warten soll. Bei einer Nachkontrolle nach einer Stunde war in dem offenen Gläschen der Uhu Geruch verschwunden.

Meine Frau hat parallel mitgeschnuppert und kam auf das gleiche Ergebnis wie ich. Meine Nase ist also nicht völlig unbrauchbar.

Acetaldehyd habe ich keines gerochen.
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