Mit welcher Destille beginnen?

Infos für Anfänger und typische Anfängerfragen. Anfänger müssen aber nicht zwingend hier ihre Themen starten.
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derwo
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Mit welcher Destille beginnen?

Beitrag von derwo »

Das Hauptproblem beim Beginnen mit Schnapsbrennen ist, daß man viele Dinge entscheiden muss, bevor man weiß, was man will. Und Ziele ändern sich. Daher bauen/kaufen die meisten Hobbybrenner mehrmals. Das wird auch das Lesen dieses Beitrags nicht ändern. Aber vielleicht etwas eindämmen.

1. Welche Art von Destille?
Eine normale Potstill. Auch wenn man später eine Refluxdestille baut, sie wird immer wieder durch die Potstill ergänzt werden. Kaum jemand brennt nur mit der Refluxdestille.
Außerdem lernt man mit einer Potstill die Grundlagen am besten, man gibt weniger Geld aus, hat sie schneller und mit weniger Werkzeug und Fähigkeiten gebaut, sie ist einfacher zu bedienen, und man bleibt vielleicht sowieso dann bei diesem System. Grundsätzlich kann man mit der Potstill alles machen. Nur für Neutralalkohol hat die Refluxdestille klare Vorteile.

2. Welche Brennblasengröße?
Das ist sehr schwierig zu entscheiden, da viele verschiedene Punkte, bei denen man sich noch nicht sicher sein kann, eine Rolle spielen:
- Wieviel Alkohol wird in meinen Maischen sein?
ZB 5% bei manchen unaufgezuckerten Obstbränden. Das bedeutet dann, man brennt dreifach. Mit einer Destille basierend auf einem 20l-Topf (mit 15l befüllt) macht man dann am besten sechs Raubrände, zwei Mittelbrände und einen Feinbrand. Man verarbeitet also 6 x 15 = 90l Maische. Durch die starke Reinigungswirkung des Dreifachbrennens, bekommt man aber immerhin 2/3 des Alkohols als Mittellauf heraus. Also 90l mit 5% Alkohol = 90 x 5% x 2/3 : 40% = 7.5l 40%igen Schnaps.
Wenn man dagegen das Obst aufzuckert und mit Turbohefe auf 19% vergärt, reicht eventuell ein Brand aus. Man bekommt zwar keine 2/3 als Mittellauf heraus, meiner Erfahrung nach nur so 45%, hat dann aus 15l Maische 15 x 19% x 45% : 40% = 3.2l 40%igen Schnaps. Klingt toll. Aber wie stark die Qualität wegen des Aufzuckerns leidet, kann man nicht wissen, ohne es mal verglichen zu haben.
Bei vielen Früchten oder bei Whisky und Rum ist man allerdings oft weit über 5%, Whisky und Rum ist bei 8-10% normalerweise, Früchte gehen bis 14% hoch (Weintrauben zB). Da kann dann Doppeltbrennen eine gute Lösung sein. Also zwei Raubrände und ein Feinbrand. 2 x 15 = 30l Maische mit 12% ergibt bei einer Mittellaufausbeute von 60% dann 30 x 12% x 60% : 40% = 5.4l 40%igen Schnaps.
Wenn man sich nun überlegt, was man in welchen Mengen verarbeiten möchte und wieviel dabei rauskommt, hat man vielleicht eine Ahnung, bei welcher Brennblasengröße man landen möchte. Manche Punkte können einem dabei aber noch einen Strich durch die Rechnung machen...
- Wie lange hab ich Zeit für eine Destillation?
Es mag überraschen, aber Mini-Destillen haben nicht den Vorteil, daß man mal schnell was brennen kann. Eine Destillation in unter zwei Stunden durchzuführen (bei Feinbränden oft noch wesentlich länger) schlägt durch auf die Qualität. Die Mini-Destille mag schneller aufgebaut und befüllt und dann auch schneller entleert und gesäubert sein, aber die Destillation an sich braucht genauso lange. Hier sollte auch mal gesagt werden, da man grundsätzlich NIE die Destille unbeaufsichtigt laufen lassen soll.
- Sehr große Destillen bringen ein paar Probleme mit sich:
Man kann sie befüllt nicht mehr tragen. Ein Ablasshahn wird daher eventuell nötig.
Die elektrische Beheizung kann nicht mehr über eine einzelne Sicherung laufen. Eine 16A-Sicherung verträgt max 3.5kW. Die stärksten normalen Kochplatten haben 2.6kW. Als Einzelkochplatte findet man eigentlich nur max. 2kW. Von zB Hendi gibt es auch wesentlich stärkere (Induktion), zT mit Starkstromanschluss, sehr teuer. So ab 20l Brennblase wäre die Möglichkeit von mehr als 2kW zumindest beim Aufheizen nett. Spätestens bei 40l wird das Brennen mit nur 2kW extrem zeitraubend. Man muss den Topf also auf mehrere nebeneinander montierte Kochplatten stellen, die über verschiedene Steckdosen/Sicherungen laufen. Dann wird die Alternative Gas immer interessanter. Ob man einen Hockerkocher in der Wohnung betreiben möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Der Raum sollte ausreichend belüftet sein. Und nicht zu klein (sonst wird er zur Sauna). Übrigens: Ein normaler Hockerkocher wird wahrscheinlich einen stärkeren Druckminderer als den mitgelieferten brauchen, um die nötige starke Flamme für eine 50l-Destille zu erzeugen. Interne Heizstäbe eignen sich nur für sehr flüssige Maischen, sind aber sonst sehr gut und effizient.

Noch ein Tip: Keine Edelstahltöpfe ohne Sandwichboden auf einer Herdplatte betreiben. Er wölbt sich durch die Hitze, die Kochplatte überhitzt und schaltet entweder aus oder fängt an zu glühen.

3. Welche Materialien?
Edelstahl, Kupfer, bleifreies Weichlot (und Flußmittel, ev. Spezialflußmittel für Edelstahllötungen) und als Dichtungsmaterial Teflonband oder eine Pampe aus Mehl und Wasser reichen aus.
Blei- und Cadmiumfreies Hartlot und Schweissen geht auch. Ist aber nicht notwendig.
Glas ist halt bruchgefährlich und die Verbindungen schwer abzudichten.
Messing und Rotguss enthalten Blei (kann aber verkupfert werden) und alle Kunststoffe außer Teflon werden erwiesenermaßen mit der Zeit durch die Dämpfe der Destillation zersetzt. Ob das dann eine konkrete Gesundheitsgefahr darstellt, ist eine andere Frage. Zu behaupten, daß diese Materialien bedenkenlos seien, ist aber Anmaßung oder Unwissenheit.

4. Welcher Kühler?
Am Anfang gibt es eigentlich nur zwei Optionen: Kühlschlange oder Liebigkühler.
Wenn fließend Wasser vorhanden ist, sollte man sich für einen Liebigkühler entscheiden. Da ich mich mit Kühlschlangen nicht auskenne, schreib ich nur was über Liebigkühler: Standard-Kupferrohre gibt es in den Abmessungen 10, 12, 15, 18, 22, 28 und 35mm Außendurchmesser. Empfehlenswert sind folgende Kombinationen: 10mm Innen- und 15mm Außenrohr. 12 und 18mm. 15 und 22mm. 22 und 28mm. 28 und 35mm. Der nötige Innendurchmesser hängt von der Heizleistung ab. Da aber die Heizleistung zur Brennblasengröße gewählt wird, kann man schon in etwa sagen, für welche Brennblasengröße welcher Kühler geeignet ist. Ein paar Beispiele für gut dimensionierte Kühler:
- 30l Brennblase, 3kW (drei 1kW Kochplatten), 22mm Innenrohr, 28mm Außenrohr 120cm lang.
- 15l Brennblase, 2kW Kochplatte, 22mm Innenrohr, 28mm Außenrohr 80cm lang.
- 10l Brennblase, 1.5kW Kochplatte, 15mm Innenrohr, 22mm Außenrohr 90cm lang.
- 7l Brennblase, 1.5kW Kochplatte (außer beim Aufheizen nur bis 1kW aufgedreht), 15mm Innenrohr, 22mm Außenrohr 60cm lang.
- 4l Brennblase, 1kW Kochlatte (nicht ganz aufgedreht), 12mm Innenrohr, 18mm Außenrohr 50cm lang.
Man kann die Kühler auch 1/3 kürzer machen. Die Anlage wird dann wesentlich mehr Wasser verbrauchen und eventuell etwas wackeln beim Betrieb. Und vielleicht muss man dann am Ende der Destillation etwas langsamer brennen.