Experimente Apfelbrand

Obst ernten oder kaufen, verarbeiten, vergären und brennen
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Alk52
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Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

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Angeregt durch die Studie über den Einfluß der Destillation auf die Qualität eines Apfelbrandes {Post v. 28.11.2020} habe ich beschlossen ein paar Experimente zu wagen, um dann abzuwägen, wie ich zukünftig meine Äpfel brenne.

Ich habe ca. 80l Maische zur Verfügung, meine Apfelbäume haben wunderbar geliefert.

Der Plan ist nur auf den 1. Blick aufwändig:
# 1-fach Kolonnenbrand mit aktiver Rektifikation von etwa 2
# 2-fach Brand (Raubrand und Feinbrand mit passivem Reflux)
# 3-fach Brand (2x Raubrand und Feinbrand mit passivem Reflux)

Die Grafik macht es etwas anschaulicher.
hc_251.png
Die einfachen Raubrände werden mit ca. 90cm 2" Steigrohr und 2,2 kW bis 100°C (hPa) gebrannt, für den 3-fach Brand jeweils etwas darüber hinaus, damit mir die vol% nicht zu hoch werden
Bei den Feinbränden mit 1,6 kW und passivem Reflux wird die mit SPP gefüllte Kolonne ca. 10min mit 100% Reflux betrieben und dann auf Reflux=0 gefahren.
Der SPP-Kolonnenbrand mit 1,6 kW beginnt ebenfalls mit 10min @100% Reflux und wird dann langsam auf die geplante Rektifikation geöffnet.
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derwo
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von derwo »

Sehr schön. Versuche am besten, bei jeder Version das beste herauszuholen. Nicht alles vorher entscheiden. Das Schwierige könnte sein, daß deine Nase beim dritten Versuch unkritischer ist als beim ersten und daß du beim dritten weniger sorgfältig bist als beim ersten, weil du weniger Bock auf Brennen hast.
Ich würde bei den Raubränden das Steigrohr weglassen.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Na, bei 2,2 kW könnte es schon heftig schäumen.
Es ist isoliert und sollte keinen großen Einfluß haben.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

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Für den direkten Brand mit hoher Rektifikation/Reflux habe ich folgenden Aufbau zusammengestellt.
hc_257.png
Die 48cm leeres Steigrohr (inkl. 3->2" Übergang) sollten bei 1,5 kW Heizleistung ausreichen, so dass kein Schaum in die SPP gelangt.
Im Kessel sind ca. 10 Liter.
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hc_256.png
Luftdruck abs. 982 hPa.
Die Destillation begann mit ca. 10 min vollständigem Reflux, um Vorlaufprodukte im oberen Bereich der Kolonne zu konzentrieren, um anschließend langsam den Vorlauf in Gläschen, je 20 ml zu sammeln.
Der Mittellauf wurde in eine Flasche gesammelt, bis die Temperatur im Steigrohr beginnt anzusteigen (Vorwarnsignal). Danach in Gläschen.

Es hat mich sehr überrascht, dass die große Menge Mittellauf (93 vol%) ziemlich neutral gerochen hat. Das Apfel-Aroma kam fast ausschließlich während die TopDampf-Temperatur bereits merklich ansteigt.
Der Übergang zum Nachlauf erfolgte scharf innerhalb von 2-3 Gläschen von je ca. 10ml.
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derwo
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von derwo »

93vol% ist halt echt sehr hoch. Bei der Doppelt- und der Dreifachdestillation wirst du weit darunter bleiben. Dann stellt sich die Frage, ob das noch vergleichbar ist.

Hast du den neutral-riechenden Mittellauf vor dem Riechen verdünnt? Wenn nein, dann ist es kein Wunder, daß er neutral riecht. Bei 93vol% sind die meisten Geruchsstoffe kaum flüchtig.

Wie viel % des Alkohols ist Mittellauf? Wahrscheinlich sehr viel, oder? Du dachtest, du musst so lange sammeln, bis vom Nachlauf was kommt. Man kann aber nicht beides machen: Hoch brennen UND frühen Nachlauf mitnehmen. Denn dann verlängert man den Mittellauf und verdünnt somit das Aroma mit Alkohol. Also wenn man so hoch brennt, sollte man den Plan haben, keinen Nachlauf mitzunehmen. Oder weniger hoch brennen. Geschmackssache.
Aber ich war ja nicht dabei.

Eine dicke Apfelmaische schäumt übrigens nicht, sondern sie quillt etwas nach oben und Dampfblasen schleudern Maische nach oben. Schäumen tun eher dünne Maischen und dies eher, wenn sie noch recht frisch nach der Gärung sind.

Daß der Nachlauf so plötzlich einsetzt, ist bei einer Rektifikation normal. Die Fuselalkohole sitzen konzentriert im unteren Teil der Kolonne und sobald der Alkoholgehalt oben abfällt, kommen sie alle gemeinsam in kurzer Zeit hoch und konzentriert ins Destillat.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Im Kessel hatte ich (gerechnet) ca. 7,2 vol%, Mittellaufausbeute => ca. 55-60%.
Nachlauf mitnehmen, war nie mein Plan
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derwo
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von derwo »

Ok, 55-60% wäre viel weniger, als ich es vermutet habe.
Hängt halt davon ab, ob die 7.2vol&% stimmen.
Wenn ich an deinen Kurven das Hochschießen der Temperatur zu Nachlaufbeginn sehe, denke ich halt, daß der Alkoholgehalt fast bei 0 ist. So kenne ich es halt von meiner Refluxdestille. Ist aber eine LM.
Von 7.2 auf 93vol% sind 5 Destillationsstufen. Angenommen, du hast am Ende immer noch 5 Stufen, sind laut unseren Rechnern hier nur noch 0.0003vol% im Kessel, um oben bei 97°C zu landen. Kann aber gut sein, daß es keine 5 Stufen mehr sind.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 5. Dez 2020, 19:30 Wenn ich an deinen Kurven das Hochschießen der Temperatur zu Nachlaufbeginn sehe, denke ich halt, daß der Alkoholgehalt fast bei 0 ist. So kenne ich es halt von meiner Refluxdestille. Ist aber eine LM.
Der Nachlauf beginnt nicht, wenn die Steigrohrtemperatur (braun) schnell steigt, sondern erst wenn der TopDampf bei 86°C ist (ungefähr über dem 2. m in sammeln), an diesem Punkt hat das Produkt noch ca. 72 vol%. Aber innerhalb der nächsten 50 ml Produkt gehen die vol% mit 60,1-43,6-29,2 (hier erste deutliche Trübung) - 24,8 sehr schnell in den Keller.
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derwo
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von derwo »

Ok, sorry, habe irgendwie auf die orangene anstelle auf die graue Kurve geachtet.
Solche Reflux-Einfachdestillationen sind recht schnell, da es ein paar weniger Gründe gibt, langsam zu brennen. Mit Aufheizen warst du in weniger als zwei Stunden fertig.
Bin gespannt, wie es weitergeht. :+1:
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

„Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden“ [Adenauer]

Nach den angestellten Vergleichen mit den Großen (Whisky-Destillen in Numerische SImulation ?) und dem ersten Eindruck des Brandes mit aktivem Reflux (R~2; Fenbrand links) habe ich mich heute entschieden, die restlichen 30 Liter ApfelRaubrand ähnlich den Großen (-Vorbildern) zu brennen.
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hc_336.jpg
Aus den LowWines werden mit *100% Reflux die Vorlaufkomponenten aufkonzentriert und zu jede 20-30 ml verworfen und der Rest gesammelt.
Anschließend wird langsam auf passiven Reflux eingeregelt und dabei die Heads (frühe Anteile) gesammelt.
Von ca. 80-70 vol% wird als Produkt ausgewählt. Nachlauf <70% runter bis ca. 0,1 geht , ebenso wie die Heads, zurück zu den LowWines.

Im letzten Durchlauf werde ich ab 70% in Gläschen sammeln und entscheiden, welche davon Aroma bringen oder verworfen (->NachlaufTonne) werden.

EDIT (08.01.2021) Bild und Text von Grenze 60->70 vol% geändert.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Ob es schmeckt, kann ich in ein paar Monaten beantworten.

Aber es hat interessante Details hervorgebracht bei den letzten 2 Feinbränden mit passivem Reflux (vgl. Bild am ThreadAnfang) bei 2 verschiedenen Heizleistungen (1,5 kW bzw. 1,2 kW).
Gemessen wurde im Kessel, im Steigrohr (in den SPP ca. 20cm unter Oberkante SPP bei ca. 55cm SPP) und im TopDampf über dem passiven Refluxkühler. In den markierten Bereichen sind die Alk% im Kessel in beiden Bränden etwa gleich.
,
hc_341.jpg
Die jeweiligen Temperaturunterschiede zwischen Kessel - Steigrohr - TopDampf sind durch die reduzierte Heizleistung von 1,2 kW (rechts) deutlich größer, dh. hier ist der passive Reflux stark angestiegen. Ein Effekt, der auch bei langsamem Brennen in großen Destillen (gegenüber schnellem Brennen) so auftritt.
Von Brennzeiten der "Großen" mit 4-5 Stunden bin ich noch weit entfernt, dazu müßte ich entweder aktiv refluxen oder die Heizleistung noch weiter reduzieren...
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azeotrop
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von azeotrop »

Könntest du bitte mal die Steigung der Kurven an den eingekreisten Stellen ermitteln und überprüfen ob sie sich eventuell grob um das Verhältnis 1,2/1,5 unterscheiden. Ich kann das leider visuell nicht ermitteln.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Die Frage habe ich mir so noch nicht gestellt und glaube nicht das Verhältnis der beiden Heizleistungen so zu finden.

Ich messe die Heizleistung und die Temperaturen. Aus anderen Versuchen ( Messreihe 2"- SPP...) kenne ich die Verluste meiner Anlage (ca. 400W).
Aus der Literatur, dem Forum oder irgendeinem Versuch (s.o.) hatte ich im Hinterkopf: "wenn ich die Heizleistung bei sonst gleichen Randbedingungen reduziere (zB.. wie bei großen Potstill Anlagen- langsamer brenne), dann gibt es mehr Reflux".

Da ich inzwischen wirklich weiß - was für Temperaturen ich messe - konzentriere ich mich auf die Temperaturdifferenzen zwischen Kessel-Steigrohr-TopDampf. Und hier sehe ich die Unterschiede, wenn ich irgendetwas anderes geändert habe und versuche ein Gefühl für den Refluxeinfluß zu bekommen.

Mit den Rechnern bestimme ich (besser als mit der Spindel) die vol% im Kessel (*1) und die vol%, die als Produkt (nach TopDampf) aus dem Kühler tropfen.
Meinen Papagei oder wie diese Spindel-%-Mess-Durchlauf-Konstruktion heißt - habe ich schon lange aussortiert, weil er zuviel verschmiert mit seinem Messvolumen von ca. 50-80ml, das nach und nach ausgestauscht wird. Meine Schnitte erfolgen nach Temperatur ( abh. vom Luftdruck / Destillaitionsrechner).

Recht weit weg vom Apfel, aber es geht um Experimente und Erfahrungen - lass uns doch einfach diskutieren.


____________________
(*1) Wenn ich ganz genau hinsehe, dann erkenne ich am Verlauf der Kesseltemperatur beim 2. Brand, dass ich durch eine Undichtigkeit (Deckeldichtung) einige vol% verblasen habe. Zum Glück konnte ich das Problem schnell dichten.Mit der Kesseltemperatur bin ich um ca. 1,5°C gestiegen bevor ich den Reflux reduziert habe und Steigrohr bzw. TopDampf reagiert haben. Schwund gibt es halt immmer mal.
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azeotrop
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von azeotrop »

Danke dass du mir die Rohdaten per PN geschickt hast.
Um die Steigung näherungsweise zu ermitteln kann man an einem Punkt den Differenzenquotienten ermitteln, also Änderung_Temp/Änderung_Zeit.
Da aber die Rohdaten sehr unruhig und sprunghaft sind, ist das nicht möglich. Das geht nur mit glatten Kurven.
Es ist aber normal dass Messdaten so aussehen. Man könnte sie zwar rechnerisch glätten, aber das war mir zu viel Arbeit.
Wenn man einfach grafisch die Tangente an einen bestimmten Punkt legt, kann man die Steigung der Tangente leicht ermitteln.
Im Rahmen meiner Abschätzung ist das genau genug.

Ich habe bei 91°C die Tangente eingezeichnet und die Steigung ermittelt. (Siehe Bild).
Das Verhältnis der Heizleistungen ist 1,2/1,5 = 0,8.
Das Verhältnis der Steigungen ist 0,164 / 0,208 = 0,788.

Die Steigung folgt also genau der Heizleistung, zumindest an dem untersuchten Punkt.
IMG_6834.JPG
Nachtrag: Hast du eine Idee warum bei der rechten Kurve die beiden Dampftemperaturen diesen Knick in dem Bereich um 93 Grad haben?
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Danke für Deine Nachfrage und die einfache Antwort, die mir ein blindes Auge geöffnet hat (bzgl. der "Numerischen Simulation").Wenn ich die Heizleistung weiter reduziere, dann steigt zwar der Reflux und damit die aktuellen vol% im Produkt, aber die Kesseltemperatur geht ihren eigenen Weg.
Und so kann ich die Destillationsdauer wie gewünscht verlängern.

Der Knick bei 93°C kommt daher, dass ich sammln beendet habe und für den Nachlauf die Heizleistung auf 2,2kW erhöht habe.
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azeotrop
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von azeotrop »

Man kann sowas nur beurteilen wenn Kessel und Steigrohr gut isoliert wird. Jeder minimale Luftzug kühlt das Metall ab und innen kondensiert dann was. Zimmertür öffnen und schließen machen schon was aus,

Ich kann mir gut vorstellen dass ein Kupferkessel durch die bessere Wärmeleitfähigkeit die Wärme von der Heizung in der Materialwandung weiter in die Höhe transportiert als ein Edelstahlteil bei gleicher Luftkühlung. Dadurch könnten mächtige Kupferpotstills anders auf die Umgebungsluft reagieren als unsere Stahltöpfe.
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Alk52
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Re: Experimente Apfelbrand

Beitrag von Alk52 »

Ja, so sehe ich es auch, dass es aus dieser Ecke Einflüsse auf Kessel und Steigror gibt.
Da habe ich zum Glück ideale Bedingungen (Kessel und Steigrohr isoliert, Anlage im Keller), dh. kein Einfluß.

Bei den "Großen" ist es nicht Kupfer an sich, sondern die Masse, also die großen Wandstärken, die kurzfristign Änderungen (Tür auf o.ä. ) puffern können. Andererseits glaube ich, dass dort wenig Störungen zulässig sind.
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