CM, selektive Kondensierung

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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derwo
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 2. Feb 2021, 12:31 Wenn man auch die Fälle mit stark gestörtem Gleichgewicht in die Betrachtung einbezieht, muss man fairerweise sagen dass alles möglich wird. Analytisch wird man das schwer fasen können.
Deswegen habe ich ja vorgeschlagen dass die Verfechter der selektiven Kondensation genauer beschreiben was sie darunter Verstehen und unter welchen Umständen das Verhalten auftritt.
Ich bezeichne mich zwar nicht als Verfechter dieser Idee, aber ich habe ja damit angefangen. Also: Unter selektiver Kondensation verstehe ich, daß dasselbe, was beim teilweise Verdampfen passiert auch beim teilweise Kondensieren passiert: Die Alkoholgehalte ändern sich. Also beim teilweise Verdampfen hat der Dampf eine höhere Alkholstärke als die Flüssigkeit und daher sinkt der Alkoholgehalt in der Flüssigkeit. Und selektive Kondensation wäre, wenn man Dampf teilweise kondensiert und das Kondensat dann eine niedrigere Alkoholstärke hat als der Dampf. In der Praxis passiert das auf den ersten Blick in jeder passiv gekühlten Kolonne; daß nämlich das, was die Kolonnenwand runterrinnt, weniger % hat, als der Dampf, der oben ankommt. So wird das ja auch oft (unwissenschaftlich) erklärt: "An der Kolonnenwand kondensieren die weniger flüchtigen Bestandteile und fließen in den Kessel zurück" oder so ähnlich, lesbar auf Seiten wie whisky.de. Es kann aber genauso gut Rektifikation sein, was diesen Effekt erzeugt: Also an der Kolonnenwand kondensiert dieselbe Alkoholstärke, wie der Dampf hat, und nur durch erneutes Verdampfen findet eine Auslaugung des Kondensats statt.
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derwo
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Ich sehe in der Anlage von der pdf auch keinen Hinweis in diese Richtung.
So wie ich die Anlage verstehe, ist es eine gekühlte Kolonne, welche anstelle mit Packung mit Fluten betrieben wird. Das untere Ende von der Kolonne ist so eng, daß je nach Dampfgeschwindigkeit der Reflux am Abfließen gehindert wird. Je nach Dampfgeschwindigkeit (und Durchmessers der Verengung) füllt sich die Kolonne höher oder weniger hoch. Je höher desto größer die Rektifikationswirkung. Eigentlich keine schlechte Idee. Aber das Ergebnis überzeugt nicht: aus 30mol% Dampf wird nach der Kolonne gerade mal so 50mol%. Das ist weniger als eine Destillationsstufe. Außerdem spielt dieses System mit dem an sich gefährlichen Fluten. Also eine große Anlage müsste komplett aus Glas sein, damit man den Füllstand der Kolonne beobachten kann. Man könnte mit Edelstahl-Absperrhahn unter der Kolonne die Füllhöhe der Kolonne und damit deren Wirkungsgrad regeln ohne die Heizleistung verändern zu müssen.

(Zusätzlich hat diese Anlage die Möglichkeit, den Reflux abzuziehen.)


Edit: In der pdf kommt aber ein neuer Begriff vor, der genau unsere Frage betrifft: "fractional condensation". Das findet auch google. Mal schaun, was.
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Alk52
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von Alk52 »

Hier die Deutsche Patentschrift
DE000001519594C_all_pages.pdf
(279.92 KiB) 164-mal heruntergeladen
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von geHeimBrenner »

Nur mal so als Gedankengang für einen möglichen Versuchsaufbau:
derwo hat geschrieben: 2. Feb 2021, 14:37 Ich bezeichne mich zwar nicht als Verfechter dieser Idee, aber ich habe ja damit angefangen. Also: Unter selektiver Kondensation verstehe ich, daß dasselbe, was beim teilweise Verdampfen passiert auch beim teilweise Kondensieren passiert: Die Alkoholgehalte ändern sich. Also beim teilweise Verdampfen hat der Dampf eine höhere Alkholstärke als die Flüssigkeit und daher sinkt der Alkoholgehalt in der Flüssigkeit. Und selektive Kondensation wäre, wenn man Dampf teilweise kondensiert und das Kondensat dann eine niedrigere Alkoholstärke hat als der Dampf.
Wäre genau dieses Verhalten nachweisbar wenn man z.B. den Edelstahl-Baukasten von Alk52 (oder verwechsle ich da die Mitforisten gerade? Wenn ja dann sorry!) nach der 90-Grad-Biegung am oberen Ende der Kolonne noch um ein Kreuzstück mit Kühlfinger ergänzen würde?
Hier mal ein kleines Schaubild (ja, mein Paint-Talent ist noch ausbaufähig ...):
Screen.png
Screen.png (5.27 KiB) 437 mal betrachtet
Oben im Kreuzstück befindet sich ein Kühlfinger welcher so eingestellt wird das nur ein Teil des Dampfes kondensiert. Der Rest wandert weiter zum Liebig-Kühler.
Der Dampf kann ab der höchsten Stelle nicht mehr zurück und wird durch keine Faktoren mehr beeinflusst. Theoretisch - sofern es keine selektive/partielle/"fractional" Kondensation gibt - müsste an beiden Ausgängen nun Kondensat mit der selben Alkoholstärke auftreten.
Andernfalls sollte am Liebig höhere Alkoholstärke anliegen als an der Abzweigung - was einem Nachweis des von derwo beschriebenen Verhaltens schon recht nahe kommen sollte: es wird am Kühlfinger erst mal mehr Wasser als Ethanol kondensiert.
Man müsste dann auch folgendes Verhalten beobachten können: wenn ohne Kühlfinger gebrannt wird müsste sich nach "Aktivierung" des Kühlfingers kurzfristig die Alkoholstärke am Liebig erhöhen - auch das ist nach meinem Verständnis des Prozesses nur zu erklären wenn am Kühlfinger mehr Wasser als Ethanol kondensiert, es gibt ja sonst keinen Faktor der im Zeitablauf die Alkoholstärke nochmals höhertreiben würde.
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Alk52
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von Alk52 »

@ geheimBrenner
Verwechselt hast Du mich nicht, aber ich halte den Versuch nur bedingt für durchführbar, weil der Aufbau nie genau wagerecht zu realisieren ist.
Und ich habe auch keinen Kühlfinger. Ja, ich könnte meine RK auf dem T-Stück plazieren, aber es wird uns nicht weiter helfen, weil das was wir sehen werden, haben wir schon umgekeht untersucht. Hier der link zu dem für mich entscheidenden Post: hier die Grafik.

Etwas weiter oben hatte ich über das Sieden im ausgeschalteten Kühler berichtet und hier noch einmal aufgegriffen.
In der Grafik (PowerPoint ist einfacher als Paint) habe ich es visualisiert.
Wenn es im ausgeschalteten PK siedet und unten weniger vol% herauskommen, dann kann es keine partielle Kondensation sein, weil das Wasser einen höheren Siedepunkt hat als der Dampf bzw. das Kondensat.

'Wo' hat die Messungen wiederholt und die Verdünnung des Destillates nebenfalls nachgemessen.

Edit: Link angepasst
Zuletzt geändert von Alk52 am 4. Feb 2021, 12:32, insgesamt 2-mal geändert.
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derwo
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Das war meine Versuchsreihe mit an- und ausgeschaltetem Refluxkühler, gemessen wurde das Destillat:
derwo hat geschrieben: 4. Jun 2020, 22:43 1. Sample (vor dem Ausschalten des Kühlwassers): 36vol%
2. Sample (während auch Dampf aus dem Kühler kommt): 18vol%
3. Sample (sobald sich nach Einschalten des Kühlwassers wieder alles normalisiert hatte): 34vol%
Bei Nr.2 wurde der Dampf nur partiell kondensiert. Und dabei kam eine niedrigere Alkoholstärke raus. Also -denkt man- wurde selektiv mehr Wasser als Alkohol kondensiert (was aufgrund des höheren Siedepunkts von Wasser auch logisch erscheint). Genauso gut kann die niedrigere Alkoholstärke aber auch daher gekommen sein, daß das Kondensat (welches also dieselbe Alkoholstärke wie der Dampf hatte) teilweise wiederverdampft ist, also Rektifikation stattgefunden hat.
Also meiner Meinung nach war dieser Versuch nicht -wie Alk52 sagt- ein Beweis, daß es keine selektive Kondensation gibt, sondern ein Hinweis, daß es eine geben könnte.

Ich finde die Skizze von geheimbrenner auf jeden Fall besser als mein Versuch. Aber auch hier würden wir, wenn dann das Kondensat von dem Kühlfinger weniger vol% hat als das Kondensat von dem Liebig, dann wieder diskutieren, ob es nicht doch Rektifikation gewesen ist, was den Effekt verursacht hat.
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Alk52
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von Alk52 »

'Wo' wenn Du widerspruchsfrei, das kurze Sieden im PK nach dem Ausschalten (der PK-Kühlung) und gleichzeitig eine partielle Kondensation von Wasser erklären kannst, dann diskutieren wir weiter.
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von geHeimBrenner »

derwo hat geschrieben: 2. Feb 2021, 19:49 Ich finde die Skizze von geheimbrenner auf jeden Fall besser als mein Versuch. Aber auch hier würden wir, wenn dann das Kondensat von dem Kühlfinger weniger vol% hat als das Kondensat von dem Liebig, dann wieder diskutieren, ob es nicht doch Rektifikation gewesen ist, was den Effekt verursacht hat.
Rektifikation sollte man ja ausschließen können da nach dem Kühlfinger nichts mehr verdampfen kann. Alles was hier kondensiert ist bleibt kondensiert da von unten keine neue Hitze erzeugt wird. Deshalb denke ich dass diese Konstruktion weniger "fehleranfällig" sein könnte.
Es wird am Eingang mit Dampf bei einer bestimmten Temperatur gearbeitet und die Temperatur nimmt im weiteren Verlauf in Flussrichtung nur noch ab. Alles was am Kühlfinger kondensiert wird direkt abgezogen und sollte so nicht mehr rektifizieren können. Zumindest in der Theorie ...
Ein echter Beweis ist das natürlich auch nicht, es könnte nur einen Verdacht etwas festigen.
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derwo
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 2. Feb 2021, 20:25 'Wo' wenn Du widerspruchsfrei, das kurze Sieden im PK nach dem Ausschalten (der PK-Kühlung) und gleichzeitig eine partielle Kondensation von Wasser erklären kannst, dann diskutieren wir weiter.
Das Siedegeräusch ist ein starkes Indiz oder höchstwahrscheinlich auch ein Beweis, daß Rektifikation stattfindet. Daß zusätzlich keine selektive Kondensierung stattfindet, also vor der Rektifikation, beweist es nicht.

geHeimBrenner hat geschrieben: 2. Feb 2021, 21:25
derwo hat geschrieben: 2. Feb 2021, 19:49 Ich finde die Skizze von geheimbrenner auf jeden Fall besser als mein Versuch. Aber auch hier würden wir, wenn dann das Kondensat von dem Kühlfinger weniger vol% hat als das Kondensat von dem Liebig, dann wieder diskutieren, ob es nicht doch Rektifikation gewesen ist, was den Effekt verursacht hat.
Rektifikation sollte man ja ausschließen können da nach dem Kühlfinger nichts mehr verdampfen kann. Alles was hier kondensiert ist bleibt kondensiert da von unten keine neue Hitze erzeugt wird. Aber heißer Dampf strömt vorbei, während das Kondensat den Kühlfinger runterrinnt. Deshalb denke ich dass diese Konstruktion weniger "fehleranfällig" sein könnte.
Es wird am Eingang mit Dampf bei einer bestimmten Temperatur gearbeitet und die Temperatur nimmt im weiteren Verlauf in Flussrichtung nur noch ab. Alles was am Kühlfinger kondensiert wird direkt abgezogen und sollte so nicht mehr rektifizieren können. Zumindest in der Theorie ... Die Zeit und Oberfläche für Rektifikation ist zumindest wesentlich geringer. Aber halt nicht 0.
Ein echter Beweis ist das natürlich auch nicht, es könnte nur einen Verdacht etwas festigen.
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Ich habe nun zahlreiche pdfs, welche ich mit der Suchanfrage "fractional condensation" gefunden habe, durchgelesen. Es ist leider nichts für uns dabei.

Entweder geht es um genau das, was wir mit dem ungekühlten Liebigkühler gemacht haben: der Dampf wird teilweise kondensiert und teilweise weitergeleitet, das Kondensat hat dann eine andere Zusammensetzung wie der ursprüngliche Dampf, und es wird nicht erklärt, welche physikalischen Vorgänge genau das verursacht haben.
Oder es geht um die Kondensation an einer Membran, wo größere Moleküle nicht durchkommen. Ethanol ist ein größeres Molekül als Wasser. Also würde das Wasser hinter der Membran abfließen und das Ethanol davor.

off-topic:
In vielen dieser Schriften geht es auch gar nicht um Destillation in unserem Sinne, sondern oft wird heißes Stickstoffgas (N2) durch eine Substanz geleitet (Birkenrinde zum Beispiel) und irgendwelche Stoffe dabei mitgenommen. Dann wird das Gasgemisch gekühlt. Dabei bleibt der Stickstoff gasförmig, der Rest kondensiert. Und diese Kondensation erfolgt in mehreren Stufen wie in mehreren slobber boxen, deswegen dann eben "fractional condensation".
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Und es gibt doch in der Literatur was über Teilkondensation! azeotrop hat es gefunden:
https://extern.hobbybrennen.ch/files/VD ... uszug).pdf
Das ist S.1120 aus dem VDI-Wärmeatlas von u.a. Peter Stephan, 12. Auflage. Das Kapitel "J2 Kondensation von Mehrstoffgemischen" von Reiner Numrich.

In einem Siedediagramm dort sind alle Infos enthalten, die man braucht. Ich habe es etwas ergänzt mit bunten Farben und Bezeichnung der Punkte:
Teilkondensation.png
Teilkondensation.png (24.38 KiB) 142 mal betrachtet
Wie gewohnt bezieht sich die untere Kurve auf den flüssigen Zustand und die obere auf den gasförmigen. Die x-Achse ist die Alkoholstärke und die die y-Achse die Temperatur.
- Der rote Punkt D ist der Dampf unter dem Refluxkühler, der Ausgangspunkt dieses Diagramms.
- Von ihm gehen drei Pfeile weg zu den Punkten A, B, und C. Diese Punkte selber zeigen die Alkoholstärke und Temperatur des Reflux je nach % Reflux. A bei 0% Reflux, B bei 100% Reflux und C irgendwo zwischen 0 und 100% Reflux.
- Und von jedem dieser drei Punkte geht auch noch eine Linie nach rechts zu der Alkoholstärke und Temperatur des Dampfes über dem Refluxkühler. Bei A ist das einfach wieder der Weg zurück zu Punkt D; Punkt D ist also nicht nur die Zusammensetzung des Dampfes unter dem RK sondern auch die über dem RK bei 0% Reflux oder annähernd 0% Reflux. Punkt F ist die Alkoholstärke des Dampfes über dem Refluxkühler bei 100% bzw annähernd 100% Reflux.
Und Punkt E ist der Dampf über dem Refluxkühler bezüglich Reflux = C.

Das ergibt Sinn, weil nur so der Reflux und der Dampf über dem Refluxkühler bzw am Reflux dieselbe Temperatur haben. So wie der Dampf über der Maische dieselbe Temperatur hat wie die Maische, hat der Dampf, der übrigbliebt beim Kondensieren, dieselbe Temperatur wie das Kondensat. Bzw über dem Reflux schwebt Alkoholdampf eine Stufe weiter oben, so wie über der Maische eine Alkoholdampf Stufe weiter oben schwebt.

Die Folge ist: Der Dephlegmator kann maximal 1 theoretischen Boden zusätzlich erzeugen (bei 100% Reflux) und verhält sich somit ähnlich wie eine zusätzliche physische Platte.

Ich habe auch eine Testdestillation gemacht, um zu schauen, was die Praxis dazu sagt. Darüber schreibe ich morgen.
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von azeotrop »

Ja, das war ein Zufallsfund der mich vom Hocker gehauen hat, weil es meinen Kenntnisstand komplett in Frage gestellt hat.

Nachdem ich das mit derwo im Hintergrund besprochen hatte, hat er noch etwas in dem Dokument gefunden das ich nicht selbst gesehen hatte.
Ich hatte noch aus der Schule fest im Hirn verankert dass die Flüssigkeit beim Kondensieren die gleiche Temperatur hat wie der Dampf. Das stimmt auch - aber nur bei Reinstoffen wie Wasserdampf.
Gemische zweier Stoffe wie Wasser und Ethanol verhalten sich ganz anders.

Bei vollständiger Kondensation bleibt der Alkoholgehalt gleich, aber die Temperatur der kondensierten Flüssigkeit ist niedriger als die des Dampfes. Bei vollständiger Kondensation bleibt bei einer CM natürlich kein Dampf übrig der später zum Destillat werden kann.

Wenn fast nichts kondensiert wird, bleibt das wenige Kondensat so heiß wie der Dampf und das wenige Kondensat hat den gleichen Alkoholgehalt wie der Dampf aus dem es entstand. Dadurch hat der übrig bleibende Dampf fast den gleichen Alkoholgehalt wie der ursprüngliche Dampf und es fand keine Rektifikation stand.

Bei teilweiser Kondensation (wenn nur bestimmte Anteile des Dampfes kondensiert werden) ist es noch komplizierter.
Bei mittlerem Refluxverhältnis wird das Kondensat unter dem Kondensator weniger stark abgekühlt, aber der Alkoholgehalt im Reflux sinkt. Dadurch steigt der Alkoholgehalt im übrig bleibendem Dampf aus dem später das Destillat wird. Das wirkt als Rektifikation.

Man lernt nie aus. :study: :thinking: :doh: :doh:
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von Alchemist »

Sehr spannend, und vielen Dank für das Teilen und die Aufklärung. Das Diagramm ist gar nicht so einfach zu verstehen. Ich hatte bei der Interpretation zwei Fehler; aber durch die Erklärung von euch beiden ist es mir nun schlüssiger.
Im Grunde, was Punkt C/D zeigen, ist ja dann das McCabe Thiele Diagramm, oder nicht?

Ich bin schon gespannt auf die Auswertung von derwo's Experiment.
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azeotrop
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von azeotrop »

Das Diagramm ist ein Siedediagramm und zeigt aber andere Stoffe als Ethanol/Wasser. die x-Achse ist die Stoffkonzentration, die y-Achse ist die Temperatur. Aber das Prinzip gilt für alle Gemische.
Ein McCabe Thiele Diagramm hat auf der x-Achse die Stoffkonzentration der Flüssigkeit, auf der y-Achse die Stoffkonzentration des Dampfes.
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von azeotrop »

Ich habe den Punkt C mal zeichnerisch ausgewertet und den zugehörigen Refluxanteil ausgerechnet.
Die x-Achse ist die Stoffkonzentration in mol% (von 0 bis 100 mol%), die y-Achse ist die Temperatur, die nach unten hängende Kurve gilt für die Flüssigkeit, die nach oben gebogene für den Dampf.
Am Punkt A sieht man die Stoffkonzentration der Flüssigkeit im Kessel, sie liegt bei 0,125mol.
Am Punkt D ist der aus dem Kessel ankommende Dampf mit 62,5mol% gezeigt.
Dieser Dampf wird nun auf drei verschiedene Arten kondensiert.

Einmal wird gezeigt wie es aussieht wenn nur eine winzige Menge des Dampfes kondensiert wird. Dann wird aus Dampf mit 62,5mol% ein minimaler Reflux von 12,5mol%. Seine Temperatur bleibt unverändert.
Der Rest des Dampfes (also praktisch alles) zieht unverändert mit 62,5mol% am Kondensator vorbei nach oben. Es gibt also keine Rektifikation.

Dann wird gezeigt was bei 100% Kondensation passiert.
Der Dampf mit 62,5mol% wird kondensiert zu Reflux mit 62,5mol%, aber seine Temperatur ist deutlich niedriger (Punkt B). Der übrig bleibende Dampf (Punkt F) hätte sogar 97mol%, es bleibt aber mengenmässig kein Dampf übrig der nach oben weiterziehen könnte.

Dann wird gezeigt was bei teilweiser Kondensation passiert.
Im Punkt C werden 37,5% des gesamten Dampfes kondensiert und tropfen als Reflux ab. Dieser Reflux hat eine geringere Stoffkonzentration als der Dampf von unten, nämlich nur noch 25mol%. Das ist der Punkt C.
Das Kondensat an Punkt C hat eine etwas niedrigere Temperatur als der Dampf. Der Restdampf der nach oben steigen wird, ist an Punkt E gezeigt. Er hat 85mol% und eine etwas geringere Temperatur als der Dampf der von unten ankam. Die Menge ist 62,5% der mol-Menge des von unten kommenden Dampfes. 37,5% der mol-Menge bleiben ja als Reflux zurück.

Ich habe dann noch ein weiteres Beispiel ausgekaspert dass jeder selbst in das Diagramm eintragen könnte.

Punkt A und D sind wie im Beispiel bereits gezeigt. Wenn ich annehme dass 71% des Dampfes kondensiert werden wird der Punkt C weiter nach unten rutschen auf 50mol% (die Mitte der x-Achse). Der Reflux hat also eine Stärke von 50mol%. Wenn man von diesem Punkt auf der Kurve horizontal nach rechts geht um die Dampfkurve zu schneiden, findet man den neuen Punkt E bei 93mol%. Der nach oben weiterziehende Dampf hat nun 93mol% statt 85mol%. Die Rektifikation hat sich also erhöht, weil ein größerer Refluxanteil gewählt wurde. 71% des Dampfes wurden kondensiert, 29% durften, verstärkt auf 93mol%, weiterziehen.

Bei 100% Refluxanteil landet man wie schon gesagt bei Punkt F. Da gäbe es die stärkste Rektifikation, es bleibt aber mengenmäßig kein Dampf übrig der nach oben steigen könnte.

Die genannten Werte sind natürlich nur grob zeichnerisch ermittelt, bitte nicht auf die Goldwaage legen.
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derwo
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von derwo »

Meine Testdestillation:

Das Ziel war es, grundsätzlich zu bestätigen oder zu widerlegen, daß mit einem Teilkondensator maximal 1 theoretischer Boden (thB) erzeugt werden kann. Nicht überprüft habe ich die Alkoholstärke des Reflux, erstens, da ich keine Vorrichtung dafür habe, zweitens, weil in dem VDI-Wärmeatlas so eindeutig und einleuchtend drinnensteht, daß der Reflux eine Siedediagrammstufe drunter ist, daß ich das einfach glaube, und drittens, da es ja irgendwo in diese Richtung gehen muss, denn wenn die Alkoholkonzentration im Dampf über dem Refluxkühler (RK) ansteigt, muss sie im Reflux abfallen, sonst würde Alkohol hergezaubert werden.

Im Kessel waren 6657g mit 8.7vol%, 2kW, ca 40cm isoliertes Steigrohr ohne Packung plus den RK, 994hPa.

Vier Fraktionen, die ersten zwei mit Reflux schnell tröpfelnd, wobei die zweite unregelmäßiger getröpfelt ist, und dann ohne Reflux zwei Fraktionen, wobei die erste dieser (also die Nr.3) einen Übergang bildet, also nicht wirklich relevant ist. Die Rohdaten:
1. 48.6g 75.7vol% bis 85.6°C
2. 48.4g 74.6vol% bis 85.9°C
(3. 49.3g 64.6vol% bis 93.0°C)
4. 73.1g 49.8vol% bis 93.5°C

Daraus berechnet:
1. 8.45vol% im Kessel, 75.65vol% Destillat, 1.69thB, 0.6°C zu kalt
2. 7.9vol% im Kessel, 74.6vol% Destillat, 1.68thB, 0.4°C zu kalt
(3. 7.4vol% im Kessel, 64.6vol% Destillat, 1.42thB)
4. 6.9vol% im Kessel, 49.8vol% Destillat, 1.1thB, 0.1°C zu kalt

Den Massenstrom des Destillats habe ich nicht gemessen. Also kann ich die % Reflux nur abschätzen. Ich schätze 85% bei Fraktion 1 und 2 (geschätzt aus der Tropfgeschwindigkeit 7 Tropfen pro Sekunde), bei 1 anfangs etwas höher. Die Uhr mitlaufen zu lassen wäre zumindest bei Fraktion 2 nicht schwer gewesen. Allerdings wäre das Ergebnis trotzdem nicht genau gewesen, da die effektive Leistung wegen Wärmeverlusten geringer ist als die Heizleistung und ich das schätzen müsste.

Nun könnte man sagen, 85% Reflux passt vielleicht zu zusätzlich 0.69thB, wenn man davon ausgeht, daß 100% Reflux 1thB bedeutet. Hügelwilli hat allerdings berechnet, daß für 0.69 thB knapp 60% Reflux ausreichen müssten. Da ich sicher mehr als 60% Reflux hatte, bedeutet das, daß 1thB nicht erreicht werden kann, zumindest mit diesem Aufbau.
Hätte ich mehr als 0.69thB erreichen können mit mehr Reflux? Schon bei dieser Einstellung hat das schnelle Destillatströpfeln alle paar Sekunden komplett ausgesetzt, wobei danach dann immer ein kleiner Schwall Destillat kam. Je höher der Reflux, desto unstabiler läuft nunmal eine CM.
Dieses Schwanken des Destillatsstroms ist mein Hauptverdächtiger, warum ich zu wenige thB erreiche durch die Teilkondensation: "Im Schnitt 85% Reflux" bedeutet weniger thB als "stabil permanent 85% Reflux". Als Erklärung ein Beispiel: Abwechselnd 80% und 90% Reflux bei 100g/min Gesamtstrom (also Dampf unter dem RK) bedeutet abwechselnd 20g/min Destillat mit 80% Reflux und nur 10g/min Destillat mit 90% Reflux. Das schwächere Destillat übertrifft also an Menge das stärkere. Also ist zwar im Schnitt 85% Reflux, aber die Alkoholstärke des Destillats ist unter der Mitte aus 80 und 90% Reflux und somit sind die thB niedriger als bei permanent stabil 85% Reflux.
Also Fazit: Die Theorie scheint prinzipiell richtig zu sein, aber ich glaube nicht, daß man 1thB zusätzlich erreichen kann. Zumindest nicht mit einer normalen CM-Destille. Zwischen dem schwächeren Dampf unter dem RK und dem stärkeren über ihm ist keine physische Barriere. Eine Vermischung und damit Effizienzminderung ist also vorprogrammiert sobald die Destille minimal unruhig laüft. Vielleicht lässt sich durch einen sehr langgestreckten RK diese Vermischung verringern oder vielleicht durch geringe Heizleistung die Unruhigkeiten minimieren. Aber ein normaler CM-Teilkondensator hat seine Grenze irgendwo bei zusätzlich 0.7thB.


Noch zwei off-topic zusätzliche Ergebnisse:

Fraktion 4 zeigt, daß der passive Reflux nur etwa 0.1thB erzeugt in diesem Fall.

Die "zu kalt"-Werte oben sind der Vergleich der gemessenen Dampftemperatur mit der aus der Destillatstärke berechneten Dampftemperatur. Daß bei hohem Reflux "mehr zu kalte" Werte gemessen werden als bei ohne Reflux, ist ein Hinweis auf Luft am Thermometer. Durch das unruhige Verhalten der CM bei hohem Reflux verändert sich der Luftbereich im Produktkühler (PK) permanent, es wird also Luft abwechselnd eingesaugt und rausgepustet, die Luft ist also in Bewegung und vermischt sich somit mit dem Dampf, und vielleicht gelangt auch immer mal wieder etwas davon bis an das Thermometer.
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azeotrop
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Re: CM, selektive Kondensierung

Beitrag von azeotrop »

Ich finde diesen Versuch ziemlich interessant.
Demnächst werde ich wieder eine CM haben, dann kann ich auch Messwerte beisteuern.
Ich werde zuerst mal versuchen die wirksame Heizleistung zu ermitteln. Aus dem Destillatstrom bei 0% Reflux und seinen vol% ermittle ich mit dem Rechner "Destillatmenge >> Watt" die (kleinere) Leistung die den Dampf erzeugt. Da gehen die Wärmeverluste ja ab.
Dann werde ich auch beim sammeln der Gläschen die Zeit genau stoppen um den Destillatstrom ausrechnen zu können.
Ich versuche dann ein paar Werte bei geringeren Refluxanteilen zu messen.
Mal sehen was da rauskommt.
Es wäre halt schön wenn wir am Ende einige Werte zwischen 10% Reflux und 90% Reflux hätten.
Es wird aber in der Praxis nicht so einfach sein konstante Produktströme und Refluxströme zu erzeugen. Meist schwanken die Werte ja während der Messung.
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