SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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Alk52
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SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Achtung, durch meine falsche Entscheidung bezüglich der Heizleistung habe ich die SPP-Kolonne in einem nicht funktionierenden Arbeitsbereich gefahren, der keineswegs das typische Verhalten einer SPP-Kolonne beschreibt. Wir haben das diskutiert...
Der Versuch wurde am 24.02.21 mit angepasster Heizleistung wiederholt und zeigt das Verhalten einer 2" SPP-Kolonne mit 90cm SPPs.



Ich hole mal etwas weiter aus, vielleicht sind dann die nachfolgenden Messung besser einzuordnen.
Begonnen hat es für mich mit "CM, selektive Kondensierung (?)". Mit den damaligen (groben) Messungen, habe ich eine Idee vom Prinzip des Refluxen bekommen.
Mit dem Video in "Haben Dampf und Reflux die gleiche Temperatur?" konnte ich das Einlaufen einer SPP-Kolonne visualisieren und in der folgenden Diskussion wurden dann wichtige Punkte im Detail geklärt.

Von Weihnachten bis Aschermittwoch habe ich viele Versuche gemacht, um mein 6-Kanal WLANThermometer zu kalibrieren. In Kurzform, es geht final nur mit einer 2-Punktkalibrierung (Siedepunkte von Methanol (65°C) und Wasser (100°C) im eingebauten Zustand. Wenn es interessiert, dann bitte kurze PN.

Mit diesem Aufbau habe ich gearbeitet, Kessel und alle 2" Rohre isoliert, nur der RK ist nicht isoliert.
hc_387.jpg
Zuerst habe ich an 2 Tagen die Anlagen-Betriebs-Parameter optimiert (keine Daten/Bilder).

Aufheizen des Raubrandes ( hier ca. 43 vol%) mit 2,3 kW bis 75°C im Kessel, danach weiter mit 0,5 kW, bis die Packung in einem stabilen Gleichgewicht ist (ca. 10 min bis bei 100% Reflux die Temperaturen stabil waren). PK-Kühlung mit Nadelventil und Spannungsquelle (vorher) justiert und während der gesamten Messung nicht verändert.
Für die eigentliche Messung habe ich dann die Heiz-Leistung von 0,5 auf 1,1 kW geschaltet und die Anlage einlaufen lassen.
Diese (niedrigen) Heizleistungen habe ich gewählt, um nur mit der Erhöhung der Heizleistung von 100% Reflux zu einer gleichmäßigen Produkt-Menge zu kommen. Alle anderen Parameter konnten so konstant bleiben.

Die Messergebnisse habe ich so nicht erwartet, aber...
.
hc_385.jpg
.
Ich sehe unterschiedliche Phasen, die ich (noch) nicht erklären kann {aber ich bin hier ja nicht allein}.
15:45 - 16:00 sehe ich das typische Einlaufen der SPP-Kolonne mit 100% Reflux (hier etwas schneller als sonst, weil die SPPs vom Vorversuch noch warm waren) .
16:00 kurz vorher wurde die Heizleistung so erhöht, dass Dampf durch den RK aufsteigt und Produkt kondensieren kann.
16:15 - 17:15 das System ist im Fliessgleichgewicht und reagiert wie erwartet.
17:15 - 18:15 in dieser ÜbergangsPhase gibt es an den SPP-Messstellen signifikante Temperaturerhöhungen, die jedoch kaum die TopDampf-Temperatur bzw. die Produkt-vol% beeinflussen.
18:15 - 20:15 hier ist die SPP-Kolonne 'irgendwie invertiert'. Nur noch die oberen 25cm SPP bewirken eine deutliche 'Rektifikation' bzw. vol%-Erhöhung im TopDampf bzw. Produkt.

Ach ja, eine Frage habe ich noch: Wie hätten die Kurven ausgesehen, wenn ich mit ca. 13 vol% im Kessel gestartet wäre?

Edit: Tippfehler korrigiert.
Edit: Vorwort ergänzt.
Zuletzt geändert von Alk52 am 24. Feb 2021, 17:42, insgesamt 1-mal geändert.
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derwo
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Du hast also mit 1.1kW angefangen und dann die Heizleistung stetig erhöht?
Welche Heizleistung hattest du um 17:20?
Kannst du die % Produkt einschätzen? Oder hast du Produktmengendaten, also zB "17:00 20ml/min mit 1.1kW"?
Wo im Diagramm ist der Punkt, wo du von 0.5 auf 1.1kW geschaltet hast?
Welchen absoluten Luftdruck hattest du etwa?
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azeotrop
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Alk
Was genau hast du dir an den verschiedenen Zeitpunkten erwartet und woraus besteht die Abweichung zu der du eine Frage hast.
In dieser Allgemeinheit ist eine Antwort nicht möglich.
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Alk52
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Nein, ich habe kurz vor 16:00 von 0,5 kW auf 1,1 kW geschaltet und in der Folge nichts geändert, sondern einfach nur gemessen.
Der abs. Luftdruck lag bei 1012 hPa. Produktmengen und RK-Kühlleistung habe ich nicht gemessen.

Ich habe die Messung auch auf Dampf-vol% umgerechnet.
hc_386.jpg
Hier kannst Du über der Zeitachse die Dampf-vol% sehen (die Kesselausgangs-vol% kommen demnächst).
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

@ Azeotrop
Ich hatte erwartet, dass die 'Übergangs-Phase' sich kontinuierlich entwickelt.
Insbesonders bei effektiv 5cm SPP (graue Kurve) hat mich die abrupte Änderung der Charakteristik überrascht.

Im Moment habe ich keine einzelne konkrete Frage, die das gemessene erklären könnte. Lass uns diskutieren.
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derwo
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Einerseits ist so ein plötzliches Ansteigen der Temperaturen nacheinander der Platten ganz normal. Andererseits aber erst, wenn nicht mehr viel Alkohol im Kessel ist. Irgendwie passt das nicht. Ich denke, die Heizleistung ist zu schwach und ab 17:20 arbeitet die Packung dann deswegen nicht mehr gut. SPP ist bei 2" für 2 - 2.5kW ausgelegt. Das hat Gründe. Und bei 20vol% hast du ein ganz anderes Volumenverhältnis zwischen Dampf und Flüssigkeit in der Kolonne als bei 40vol%. Die Kolonne ist zu trocken bei niedrigen vol% und niedriger Heizleistung. Daß die grüne Linie trotzdem ganz ok ist, könnte daran liegen, daß der Teilkondensator bei diesen Bedingungen immer noch gut rektifiziert, die Packung aber halt nicht.
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azeotrop
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Ein technischer Apparat muss immer innerhalb der Grenzen betrieben werden, für die er konstruiert wurde.
Wenn man Grenzverhalten untersuchen möchte, wird es extrem schwierig.

Zusätzlich hängt es halt immer davon ab was man messen möchte und was man in der Tat misst.
Ich kämpfe derzeit mit der Messung der Dampftemperatur, ganz oben an meiner Potstill.
Ich erwarte die Dampftemperatur zu messen.
Eine genaue Überprüfung hat ergeben dass ich nicht nur die Dampftemperatur messe.
Stattdessen messe ich eine Mischtemperatur aus Dampftemperatur und Wandungstemperatur des Hutes.
Das liegt daran dass ich den Sensor zwar mit einer breiten Schicht Teflon umwickelt habe, Teflon aber die Wärme gut leitet. Also messe ich auch die Kupfertemperatur.
Eine gute Isolierung des Hutes nach aussen hat die Situation etwas verbessert, aber nicht wirklich gut.
Aber die saubere Lösung erfordert einen temperaturisolierten Einbau des Sensors.
Aufgeschäumtes PTFE isoliert die Wärme um Größenordnungen besser als normales Teflon oder Teflonband.
Das wird mein nächster Versuch. Ich werde auch die Dicke der Isolierung von mm auf cm erhöhen.

Das ist nur ein kleines Beispiel woran es im Detail hapern kann.
Ich vergesse nie den Spruch eines Lehrers "Wer misst, misst Mist".

Das soll nicht bedeuten dass du ein ähnliches Problem hast. Aber bei unerklärlichen Messwerten ist es immer hilfreich zuerst sorgfältig auf die eigene Messung zu schauen.
Das Universum hat einen unendlichen Vorrat an Scheisse den es über uns auskippen kann.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Wo, Du hast wahrscheinlich Recht. Die geringe Heizleistung erzeugt zu wenig Reflux und so trocknet die Kolonne von unten nach oben, der Rücklauf versiegt und liefert im unteren Bereich keinen Beitrag zur Rektifikation.

Eigentlich hätte ich es erkennen müssen.In der "Messreihe 2“-SPP 40-60-80-100 cm " habe ich die erwartete Flatline mit konstanten vol% - bei abnemender Produktmenge - gemessen und ausgiebig diskutiert.
Gestern stand ich wohl irgendwie auf dem Schlauch.

Ich werde den Versuch mit großer Heizleistung wiederholen, so dass ausreichend Rückfluss gewährleistet ist.
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derwo
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 24. Feb 2021, 10:05 Ich werde den Versuch mit großer Heizleistung wiederholen, so dass ausreichend Rückfluss gewährleistet ist.
Ich muss gestehen, ich bin etwas nervös, ob ich wirklich recht habe. Aber ich weiß keine andere Erklärung. Höchstens daß die theoretischen Böden in einer Packungskolonne ja nicht so gleichmäßig verteilt sind. Vielleicht ist das HETP oben halb so groß wie unten? Ich weiß es nicht. Wenn man sich nur die grüne und die rote Linie anschaut, also wie sich diese beiden Kurven recht gemächlich annähern, schaut das jedenfalls wie eine Potstill aus, nicht wie eine Refluxanlage, bei der die grüne Linie stur unten bleiben würde und dann irgendwann je nach Anzahl der Böden mehr oder weniger plötzlich auf 100°C hochschnellen würde.
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azeotrop
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Das HETP hängt schon von der Zusammensetzung des Dampf Wasser Gemisches ab. Unterschiedliche Konzentrationen haben eine andere Viskosität und Oberflächenspannung. Sie benetzen das SPP anders. Es gibt bestimmt noch weitere Faktoren. Aber ich wäre erstaunt wenn die Unterschiede dramatisch wären.
Da kommen bestimmt ein paar Effekte gleichzeitig zum tragen.
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Alk52
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

... ab hier mit passender Heizleistung weiter.

Nach kurzem Nachlesen in meinen Aufzeichungen habe ich mich entschlossen mit 2,2 kW zu brennen und die RK-Kühlung mit ca. 0,5 Liter/min zu fahren.
Im Kessel hatte ich ca. 67 vol% (für den Feinbrand meiner Neutral-Maische). Ja, das war schon ein etwas mulmiges Gefühl mit so hohen vol% zu starten, aber mein Deckel schließt gut ab und selbst wenn es durchbläst, es gibt keine offenen Flammen in der Nähe.
Mit dem Luftdruck heute von 1022,5 hPa hätte ich eigentlich im Garten arbeiten sollen, aber ich wollte es jetzt wissen.

Das Aufheizen mit 2,2 kW bis ca. 70°C (an SPP 65cm) hat sich bewährt hat, also wurde bei ca. 70°C die Heizleistung auf 1,1 kW reduziert, damit sich mit 100% Reflux die Kolonne füllt und stabilisiert. Nach 15 Minuten (11:15) habe ich die Heizleistung auf 2,2 kW erhöht und beobachtet.
.
hc_390.jpg
.
Nach ca. 5 Minuten stieg die Temperatur im TopDampf und der Vorlauf wurde abgetrennt.
Bei 12:00-12:15 stiegen alle Mess-Temperaturen und ich habe die RK-Kühlung von 0,45 auf 0,75 L/Minute erhöht. Anschließend gab es keine weiteren Anpassungen.
Um 13:35 beginnt die Temperatur auch an SPP-65cm zu steigen. Genau der richtige Zeitpunkt um den Rest im Nachlaufbehälter zu sammeln. Viel ist nicht mehr gekommen. EIn paar ml hätte ich noch einsammeln können, wenn ich die RK-Kühlung ausgeschaltet hätte...
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derwo
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Schaut aus, als hätte es diesmal gut geklappt. Dann hast du den Beweis erbracht, daß eine zu niedrige Heizleistung extrem die Rektifikationsleistung beschädigen kann. Und daß das von den vol% im Kessel abhängt. Ich habe das nicht so extrem erwartet.

Nochwas kann man sehen:
Am Anfang der Destillation ist 1.1kW effizienter gewesen als 2.2kW. Am besten zu sehen an der grauen Linie direkt nach der Heizleistungserhöhung um 11:15. Man darf anscheinend die vol% im Kessel nicht unterschätzen. 67vol% verdampfen 2.2kW 104ml/min, zB 10vol% nur 63ml/min. Das Dampfvolumen ist aber ähnlich. In der Kolonne herrschen daher komplett unterschiedliche Verhältnisse je nach vol% im Kessel. Und die Empfehlung "2-2.5kW für 2" SPP" ist hiermit hinfällig. Vielleicht ist diese Heizleistung bei 10 oder 30vol% im Kessel optimal, sicher aber nicht bei 67vol%.
Ab wann dann die 2.2kW optimal waren, kann man nicht erkennen. Aber jedenfalls war das Destillat bis kurz vor Ende hochprozentig und die Böden sind nacheinander nach oben geschossen, wie es zu erwarten ist, wenn kein Alkohol mehr im Kessel ist. Also jedenfalls waren die 2.2kW extrem gut am Ende, ganz anders als die 1.1kW.
Man kann daraus folgern, daß man die Heizleistung einer Refluxdestille etwas anpassen sollte an die vol% im Kessel. Also mit niedrigerer Heizleistung beginnen und dann mit der Zeit steigern. Vielleicht nicht sehr viel, denn hohe Heizleistung hat ja auch den Vorteil, daß man Zeit spart, welche man in einen höheren Reflux Ratio inverstieren kann.
Da haben wir was gelernt bei deinem Versuch.

Ich hätte den Nachlauf wahrscheinlich deutlich früher angesetzt. Normalerweise trenne ich schon so früh ab, daß noch gut Nachlauf gesammelt werden kann.


Edit: Oder die höhere Temperatur bei 11:15 liegt an einer Druckerhöhung durch die höhere Heizleistung.
Nicht verstehe ich, warum bei 12:30, also beim Erhöhen der Kühlwassermenge, die Kesseltemperatur sinkt.
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azeotrop
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Ich finde die Darstellung sehr schön und lehrreich.
Die Punkte an denen eine Einstellung schlagartig geändert wurde, sollte man einfach ausblenden.
Es ist schwierig nach einem Zusammenhang zu suchen da jede Änderung kurzzeitig das Equilibrium stört und dort gelten andere Gesetze.

Ich bin fest entschlossen an meiner Kolonne auch zusätzliche Temperatursensoren anzubringen. Dieser "Vorwarndienst" für Temperaturänderungen ist Gold wert.
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derwo
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 24. Feb 2021, 20:14 Die Punkte an denen eine Einstellung schlagartig geändert wurde, sollte man einfach ausblenden.
Es ist schwierig nach einem Zusammenhang zu suchen da jede Änderung kurzzeitig das Equilibrium stört und dort gelten andere Gesetze.
Aber die Messung im Kessel? Dort gibt es doch kein Equilibrium. Eine plötzliche Erniedrigung der Temperatur kann dort doch eigentlich nur durch eine Druckerniedrigung kommen. Aber durch eine Erhöhung des Reflux müsste der Druck doch eher steigen, da ja mehr zurückfließt?
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azeotrop
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Es tritt auf alle Fälle eine kurze Druckänderung auf die sich überall auswirkt. Damit kommt alles durcheinander.

Bezüglich der Heizleistung könnte es sein dass es sinnvoll wäre bei allen Kessel%ten einen konstanten Dampf Massestrom aus dem Kessel heraus zu halten.
Mit unserem Heizleistungsrechner habe ich mal den Verlauf der Heizleistung skizziert, der nötig ist um konstant 50ml/min Kondensat zu erzeugen. Die x-Achse sind die Kessel-%, die y-Achse die notwendige Heizleistung.
KesselABV vs Heizleistung für 50ml pro min.png
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Bevor ich mit weiteren Daten die Hypothesenbildung in eine falsche Richtung lenke, sollten wir abklären, was in den Messkurven zu erkennen ist.

Bis 11:15 habe ich 100% Reflux eingestellt. Bei einer RK-Kühlwasser-Menge von 0,58 l/min @ 28°C DT (DeltaT bzw. Erwärmung), also einer Kühlleistung von ca. 1130W und angenommenen 300-400W Anlagenverlust, reichlich, um die Heizleistung von 1100W, also den gesamten Dampf zu kondensieren und in den Kessel zurück zu schicken. Anfangs war die RK-Quelle bei 13°C, änderte sich aber später immer wieder (s.u.)

Die SPP-Kolonne sollte sich also ideal verhalten. Vielleicht können wir später unser Wissen über SPP bzw. HETP präzisieren.

Um 11:15 habe ich die Heizleistung von 1,1 auf 2,2 kW angehoben, um Dampf durch den RK zu bekommen, damit die Kolonne nicht nur Selbstzweck ist, sondern vol% produziert. Das leichte T-Überschwingen im Kessel und an SPP 5cm sollten wir noch etwas später betrachten.

Bis 11:30 hat sich ein neues Fließgleichgewicht eingestellt. Der Heizleistungs-Überschuss fließt jetzt als Produkt ab.

In der folgenden erweiterten Grafik habe ich zusätzlich die PK-Kühlwasser-Abfluß-Temperatur [°C] und die Produktmenge [ml/min] eingefügt. Leider hatte ich für das RK-Wasser keine eigene Quelle, sondern habe es aus dem PK-Pool entnommen. So kam das Gezappel der blauen Kurve zustand, immer wenn kaltes Wasser aufgefüllt wurde ging die RK-Kühlwasser-Temperatur runter.
Zusätzlich wurde um 12:00 die (seltsamerweise) geringer werdende RK-Kühl-Wassrermenge deutlich erhöht.
hc_392.jpg
.
Hier (12:00) sind 2 Effekte zu beobachten.
1. Die Produktmenge sinkt umgehend, weil der RK mehr Dampf zurück schickt.
2. Alle Dampftemperaturen gehen zurück, insbesondere Kessel und SPP 5cm.

Insgesamt bestätigt sich, dass eine CM sehr empfindlich auf kleinste Änderungen reagiert, aber dabei ist sie insofern (wieder) gutmütig, in dem sie über die Produktmenge kompensiert. Solange noch Alkohol im Kessel ist.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 25. Feb 2021, 12:16 Bis 11:15 habe ich 100% Reflux eingestellt. Bei einer RK-Kühlwasser-Menge von 0,58 l/min @ 28°C DT (DeltaT bzw. Erwärmung), also einer Kühlleistung von ca. 1130W und angenommenen 300-400W Anlagenverlust, reichlich, um die Heizleistung von 1100W, also den gesamten Dampf zu kondensieren und in den Kessel zurück zu schicken. Anfangs war die RK-Quelle bei 13°C, änderte sich aber später immer wieder (s.u.) Ich denke nicht, daß du den Anlagenverlust herausrechnen musst. Wenn die Messungen exakt sind, sind 1130W oben beim Kühlwasser angekommen. Also entweder war die Heizleistung höher oder die Kühlwassermessungen ungenau.
...
In der folgenden erweiterten Grafik habe ich zusätzlich die PK-Kühlwasser-Abfluß-Temperatur [°C] und die Produktmenge [ml/min] eingefügt. Leider hatte ich für das RK-Wasser keine eigene Quelle, sondern habe es aus dem PK-Pool entnommen. So kam das Gezappel der blauen Kurve zustand, immer wenn kaltes Wasser aufgefüllt wurde ging die RK-Kühlwasser-Temperatur runter. Da ergeben jetzt manche Schwankungen einen Sinn.
...
Insgesamt bestätigt sich, dass eine CM sehr empfindlich auf kleinste Änderungen reagiert, aber dabei ist sie insofern (wieder) gutmütig, in dem sie über die Produktmenge kompensiert. Solange noch Alkohol im Kessel ist. Zumindest am Ende der Destillation ist das an den grünen Punkten sehr bemerkbar. In der ersten Hälfte seltsamerweise nicht. Hast du die Kühlwassermenge regelmäßig überprüft? Es könnte sein, daß die grünen Punkte auch durch Kühlwassermengenschwankungen mitverursacht werden. Hast du die Pumpe am Kühlereingang oder -ausgang?
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 17:31
Ich denke nicht, daß du den Anlagenverlust herausrechnen musst. Wenn die Messungen exakt sind, sind 1130W oben beim Kühlwasser angekommen. Also entweder war die Heizleistung höher oder die Kühlwassermessungen ungenau.
Könnte richtig sein, was am RK nicht ankommt muss auch nicht kondensiert und gekühlt werden. Aber da ich den RK klassisch, also kaltes Wasser unten, betreibe, könnte auch der Reflux weiter gekühlt werden. Das würde bei erster Betrachtung auch die nachfolgenen Temperatur-Reduzieungen (bis in den Kessel) erklären.
derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 17:31 Zumindest am Ende der Destillation ist das an den grünen Punkten sehr bemerkbar. In der ersten Hälfte seltsamerweise nicht. Hast du die Kühlwassermenge regelmäßig überprüft? Es könnte sein, daß die grünen Punkte auch durch Kühlwassermengenschwankungen mitverursacht werden. Hast du die Pumpe am Kühlereingang oder -ausgang?
Die Pumpe ist vor dem RK. Die Kühlwassermessung habe ich mit einem 1 Liter Messbecher bestimmt und die 2. Stelle geschätzt, hier liegen die größeren Ungenauigkeiten. Der Versuch war qualitativ angelegt, für genauere Daten wäre mehr Aufwand erforderlich. In der ersten Hälfte ging die Menge von 0,58 auf 0,45 l/min zurück. In der 2. Hälfte von 0,78 auf 0,65 l/min. Ich suche noch nach der Ursache.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 25. Feb 2021, 18:49
derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 17:31
Ich denke nicht, daß du den Anlagenverlust herausrechnen musst. Wenn die Messungen exakt sind, sind 1130W oben beim Kühlwasser angekommen. Also entweder war die Heizleistung höher oder die Kühlwassermessungen ungenau.
Könnte richtig sein, was am RK nicht ankommt muss auch nicht kondensiert und gekühlt werden. Aber da ich den RK klassisch, also kaltes Wasser unten, betreibe, könnte auch der Reflux weiter gekühlt werden. Das würde bei erster Betrachtung auch die nachfolgenen Temperatur-Reduzieungen (bis in den Kessel) erklären. Dann würde der kalte Reflux aber weiter unten Energie rausnehmen und dadurch oben weniger ankommen, wodurch dann oben das Kühlwasser sich weniger erhitzt. Also gleicht sich alles aus nach kurzer Zeit. Wenn du nicht dauernd was veränderst, dürfte ein Überkühlen des Reflux keine Änderung der berechneten Heizleistung bewirken. Ist egal. Hast du den Kühler mal andersherum betrieben?
derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 17:31 Zumindest am Ende der Destillation ist das an den grünen Punkten sehr bemerkbar. In der ersten Hälfte seltsamerweise nicht. Hast du die Kühlwassermenge regelmäßig überprüft? Es könnte sein, daß die grünen Punkte auch durch Kühlwassermengenschwankungen mitverursacht werden. Hast du die Pumpe am Kühlereingang oder -ausgang?
Die Pumpe ist vor dem RK. Die Kühlwassermessung habe ich mit einem 1 Liter Messbecher bestimmt und die 2. Stelle geschätzt, hier liegen die größeren Ungenauigkeiten. Der Versuch war qualitativ angelegt, für genauere Daten wäre mehr Aufwand erforderlich. In der ersten Hälfte ging die Menge von 0,58 auf 0,45 l/min zurück. In der 2. Hälfte von 0,78 auf 0,65 l/min. Ich suche noch nach der Ursache. Hast du jedesmal, bevor du frisches kaltes Kühlwasser nachgefüllt hast, altes herausgenommen? Wenn nicht, ist der Pegel bei jedem Nachfüllen gestiegen und dadurch der Druck, gegen den die Pumpe arbeiten muss. Oder ist das Blödsinn? :thinking:
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 20:19 Hast du den Kühler mal andersherum betrieben?
Nein, werde ich auch nicht anfangen. Das ist mir zu umständlich.
derwo hat geschrieben: 25. Feb 2021, 20:19 Hast du jedesmal, bevor du frisches kaltes Kühlwasser nachgefüllt hast, altes herausgenommen? Wenn nicht, ist der Pegel bei jedem Nachfüllen gestiegen und dadurch der Druck, gegen den die Pumpe arbeiten muss. Oder ist das Blödsinn?
Nein, ich habe das PK-Kühlwasser nur aufgefüllt, weil der RK aus dem PK-Pool (ca. 60 l) in den Ausguss arbeitet. Ein höherer Pegel im PK-Pool hilft der Pumpe, weil der Hub bis zum Kühler kleiner wird.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Azeotrop, da hast Du die schwierigste Regelvariante ausgesucht.
Ich glaube eine gleichmäßige RK-Kühlleistung ist einfacher zu realisieren. Morgen werde ich versuchen die RK-Kühlwassertemperatur konstant zu halten.
Probeweise versuche ich es nur mit der Pumpenspannung und nehme das Nadelventil raus.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von azeotrop »

Ich hatte nicht im Sinne das als Regelung aufzubauen. Es soll nur zeigen was man tun könnte wenn man ab und zu an der Heizleistung spielen möchte.

Für eine Regelung müsste man den Dampf Massenstrom messtechnisch erfassen können. Das möchte ich nicht vorschlagen.
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

Nach dem gebrauchten Tag zwischendurch hab ich wieder Spass an der Sache.

Die Messung der Temperaturen hat ja schon ein paar Erkenntisse gebracht, aber so richtig zu fassen habe ich es nicht bekommen. Jetzt hat mir Hügelwilli geholfen und eine erweiterte Tabelle im DestillationsTabellen-Rechner erzeugt.
Damit habe ich die Messwerte aus dem Temperatur-Raum in den vol%-Raum konvertiert. Vielleicht sind Zusammenhänge so leichter zu erkennen.

Zum Vergleich habe ich beide Ansichten noch einmal dargestellt
hc_408.jpg
hc_409.jpg
Sehen wir (für einen Moment) von den 2 Änderungen ab, so erscheint mir das 2. Diagramm anschaulicher.

Und schon haben wir neue Fragen:
- warum scheinen die Kessel-vol% zu sinken, wenn die Heizleistung erhöht wird (1.Änderung links)
- warum steigen die Kessel-vol%, wenn die RK-Kühlung erhöht (verbessert) wird (2.Änderung mitte)

- was passiert ab 13:15 und warum genau so
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 1. Mär 2021, 16:15 - warum scheinen die Kessel-vol% zu sinken, wenn die Heizleistung erhöht wird (1.Änderung links) Ich dachte zuerst, die Kolonne läuft nicht effizient, da die Heizleistung bei diesen hohen vol% im Kessel zu hoch ist. Aber das würde nur ein Absinken der vol% in den Dampfkurven erklären, nicht in der Kesselkurve. Daher muss es eine Druckerhöhung sein. Der Druck in der Kolonne steigt, daher steigt der Siedepunkt und die Temperatur und daher sinken die aus der Temperatur berechneten vol%. Der Überdruck scheint teilweise wieder zu verschwinden, die rote Linie geht ja wieder hoch. Die Dampfkurven gehen aber nicht oder in nicht vergleichbarem Ausmaß wieder hoch. Deswegen denke ich, es ist beides: Temporärer Überdruck und ineffiziente Kolonne.
- warum steigen die Kessel-vol%, wenn die RK-Kühlung erhöht (verbessert) wird (2.Änderung mitte) Das muss eine Druckerniedrigung sein. Allerdings geht die Kurve ja vorher etwas zu steil nach unten. War da eine Druckerhöhung vorher? Vielleicht wegen einer ungünstigen Kombi aus vol%, Produktmenge und Heizleistung? Du hast ja vor der Änderung der Kühlwassermenge recht große Mengen Produkt abgezogen, die Pumpe lief ja nicht mehr so stark wie am Anfang.
- was passiert ab 13:15 und warum genau so Die Kolonne läuft von unten nach oben trocken. Siehe den Kolonnensimulator mit sehr niedrigen vol% im Kessel und vergleichsweise hohe Produktmengen. Allerdings treffen die Dampfkurven etwas früh auf die Kesselkurve. Es wäre interessant gewesen, ob die grüne Kurve bei exakt 0vol% auf der roten gelandet wäre oder etwas darüber oder darunter. Wenn darunter, wäre das ein Beweis für Überdruck. Darüber für Unterdruck.
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Alk52
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Re: SPP-Kolonne, was passiert bei Reflux

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 1. Mär 2021, 20:40 Allerdings treffen die Dampfkurven etwas früh auf die Kesselkurve. Es wäre interessant gewesen, ob die grüne Kurve bei exakt 0vol% auf der roten gelandet wäre oder etwas darüber oder darunter. Wenn darunter, wäre das ein Beweis für Überdruck. Darüber für Unterdruck.[/color]
Zu diesem Punkt kann ich Dir schon jetzt eine definitive Antwort geben, das werden wir nie messen können, weil uns das Produkt vorher versiegt und der Kühler Luft zieht.

Deine letzte Frage und meine Antwort hat mir einen Fehler in den letzten Bildern gezeigt. Ich habe die Produktmengen falsche eingetragen, mich bin in der Zeitachse verrutscht.
Hier die richtigen Kurven.
hc_410.jpg
Kurz bevor die grüne Kurve am Ende umkehrt hatte ich nur noch 9 ml/min Produkt, kurz danach hat der Kühler Luft gezogen.
Nichts ist ohne Grund.