Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Kauf, Einbau und Kalibierung von Thermometern für die Destille
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Alk52
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Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Im Thema "Thermometer, auf dem Weg zur Kalibrierung" und einigen dort zitierten Themen wurden die Grundlagen untersucht und diskutiert.


Jetzt geht es hier weiter und ich komme jetzt zur Kalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf. Bevor es los geht ein paar Formeln und eine Abschätzung vorab.

Da die Kalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf bei 2 (nahezu) konstanten Temperaturen (78,2; 100°C) stattfindet, werden sich die Formeln am Ende so weit vereinfachen, dass eine direkte intuitive Kalibrierung möglich ist und einfach die jeweilige Temperatur eingestellt wird.

Eine gute Beschreibung einer Kalibrierung gibt es von der TU-Dresden:
hc_820.png
Die Abbildung 5.2 habe ich in Excel so dargestellt, dass die Temperaturfehler (rote Pfeile) bei 78,2 und 100°C zu erkennen sind.
EDIT: Hier hatte sich ein Fehler eingeschlichen. Richtig ist :
Mit Off78 = - Temperaturfehler78 ergibt sich der angezeigte Ausgabewert des Thermometers Xa1 = Xe1 +Temperaturfehler78 = Xe1 - Offset78
Die Zahlenbeispiele sind so groß gewählt, dass das Diagramm anschaulich wird.
hc_821.png
Wenn wir jetzt die Werte für Xe1 und Xe2 als Konstante annehmen (der dadurch entstehende Fehler ist iA. kleiner als 1/100°C) und in die Gleichung [5.4] einsetzen...
hc_822.png
...ergibt sich die folgende Lösung für die Kalibrierung.
hc_827.png
.
So und jetzt zur intuitiven Kalibrierung.
Durch die Verwendung der Offsets ist es möglich für jede Temperatur (78,2; 100°C) getrennt die Korrektur einzustellen. Also Wasser (Alkohol) kochen, messen, Offset ermitteln und eingeben. Passt der angezeigte Wert nicht, den Offset korrigieren bis die Temperatur stimmt.
Zuletzt geändert von Alk52 am 31. Mär 2022, 15:31, insgesamt 2-mal geändert.
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Warum ist Alkohol zur Kalibrierung geeignet?
Im Gegensatz zum Wasser, dessen Siedtemperatur nur vom Luftdruck abhängt, messen wir bei Alkohol Temperaturen zwischen ca. 78 und 100°C abhängig von der Alkoholkonzentration [vol%] und dem Luftdruck.
Ja, aber je höher der die Alkoholkonzentration ist, umso geringer werden die Temperaturunterschiede bei verschiedenen Konzentrationen.
Ab ca. 96 vol% ist eine sehr genaue 2-Punkt-Kalibrierung möglich.

Eine Abschätzung möglicher Abweichungen habe ich in folgendem Diagram dargestellt.
hc_828.png
Der Temperatur-Einstellwert, der zur Kalibrierung genutzt wird, ist die mit den Foren-Rechnern bestimmte Temperatur in Abhängigkeit von den Eingangsgrößen.
Die abgeschätze Abweichung von +0,04°C ist für eine Kalibrierung ausreichend.
Das gewonnene Destillat kann natürlich auch zur Plausibilitätsprüfung der Kalibrierung genutzt werden.

Fragen zum WLanThermometer allgemein, der Genauigkeit, der Eingabe der Kalibrierwerte ohne und mit und Programmierung bitte hier in WLanThermometer getuned stellen.
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geHeimBrenner
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von geHeimBrenner »

Wie sieht es denn aus, wenn wir mit bekannter Alkoholkonzentration und bekanntem Druck in einem geschlossenen System arbeiten?
Ließe sich da mit entsprechend genauen Messgeräten (in erster Linie wird hier die Alkoholmessung zur Fehlerquelle ...) ähnlich wie beim Ebullioskop arbeiten?

Ich stelle mir das Ganze jetzt erst mal sehr vereinfacht vor. Wir haben eine Apparatur mit sehr geringem Füllvolumen, eine möglichst genau bestimmte Alkohol-Konzentration im Kessel und ein Thermometer an einem vorerst mal beliebigen Punkt im Dampfweg. Würde sich mit so einem Aufbau und beispielsweise etwas wie einem Soxhlet-Extraktor als Kondensator ein soweit abgeschlossenes System bauen lassen, um mit der Alkohol-Konzentration so konstant zu bleiben, dass die Dampftemperatur dann ebenfalls durchgehend konstant gehalten werden kann?
Dadurch wäre es möglich, ein "Referenz-Thermometer" erst mal sehr genau zu kalibrieren und das dann im "Thermometer-Igel" als Abgleich für die anderen Sensoren zu nutzen.
Statt Alkohol kann in diesem Aufbau natürlich auch destilliertes Wasser zum Einsatz kommen.
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Moin geHeimBrenner, auch hier noch mal meinenDank für Deine Software-Unterstützung (Programmierer gesucht).

Du überrascht mich mit Begriffen und historischen Geräten, die ich erst mal guugeln musste. Ich beantworte mal in anderer Reihenfolge.
geHeimBrenner hat geschrieben: 30. Mär 2022, 20:45 Statt Alkohol kann in diesem Aufbau natürlich auch destilliertes Wasser zum Einsatz kommen.
Für die 2-Punkt-Kalibrierung brauchen wir Alkohol und (destilliertes) Wasser für ca. 78,2 und 100°C.
geHeimBrenner hat geschrieben: 30. Mär 2022, 20:45 Dadurch wäre es möglich, ein "Referenz-Thermometer" erst mal sehr genau zu kalibrieren und das dann im "Thermometer-Igel" als Abgleich für die anderen Sensoren zu nutzen.
Ja sicherlich, aber es ist doch einfacher mit großem Volumen und bekanntem Aufbau alle Sensoren gleichzeitig zu kalibrieren.
geHeimBrenner hat geschrieben: 30. Mär 2022, 20:45 Wie sieht es denn aus, wenn wir mit bekannter Alkoholkonzentration und bekanntem Druck in einem geschlossenen System arbeiten?
Ließe sich da mit entsprechend genauen Messgeräten (in erster Linie wird hier die Alkoholmessung zur Fehlerquelle ...) ähnlich wie beim Ebullioskop arbeiten?
Wenn das Ebullioskop genauer ist als eine Spindel, die von 90-100 vol% mit 1/10 vol% mißt, dann ist das sicher möglich, aber wer kennt und hat so ein Gerät?
geHeimBrenner hat geschrieben: 30. Mär 2022, 20:45 Ich stelle mir das Ganze jetzt erst mal sehr vereinfacht vor. Wir haben eine Apparatur mit sehr geringem Füllvolumen, eine möglichst genau bestimmte Alkohol-Konzentration im Kessel und ein Thermometer an einem vorerst mal beliebigen Punkt im Dampfweg.
Würde sich mit so einem Aufbau und beispielsweise etwas wie einem Soxhlet-Extraktor als Kondensator ein soweit abgeschlossenes System bauen lassen, um mit der Alkohol-Konzentration so konstant zu bleiben, dass die Dampftemperatur dann ebenfalls durchgehend konstant gehalten werden kann?
Ich habe etwas rustikaler geplant. Statt eines kleinen Volumens mache ich es mit maximal möglichen Volumen. Ich habe 80 Liter Zuckermaische in mehreren Reflux-Bränden auf mehr als 96 vol% gebracht und damit die im og. Chart abgeschätzten Abweichungen eingehalten. Bei einer Menge von 15 Litern und hoher Konzentration im Kessel kann ich mehrfach kalibrieren, bevor sich die Werte signifikant ändern.
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Hügelwilli
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Hügelwilli »

Der Siedepunkt vom Azeotrop liegt wahrscheinlich eher bei 78.17°C als bei 78.2°C. Hast du 78.2 genommen, weil dein Alkohol ja nicht ganz das Azeotrop mit 97.2vol% erreicht? Dann wiederum ist 78.2 aber optimistisch, denn das sind 96.9vol%. 78.3°C wären 95.9vol%, das passt vielleicht dann eher?

Oder sind die 78.2 und 100°C nur Beispiele, da ja durch den Einfluss des Luftdrucks in der Praxis sowieso andere Werte verwendet werden müssen? Also in der Praxis hast du dann zwei Offsets bei zum Beispiel 77.3 und 99°C (978hPa) und dazwischen wird dann linear interpoliert?

Bei der Ermittlung der zweizahlige Thermometerfehler für unsere Rechner werden die gemessenen Offsets immer in einen bei 0 und einen bei 100°C umgerechnet. Das sind dann die beiden Zahlen, die eingegeben werden müssen, wenn der Temperaturfehler berücksichtigt werden soll. Also die bei zum Beispiel 0 und 99°C ermittelten Offsets werden mit einer Geraden verbunden und diese Gerade dann bis 100°C verlängert und dort der Offset abgelesen.
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Hügelwilli hat geschrieben: 31. Mär 2022, 09:52 Der Siedepunkt vom Azeotrop liegt wahrscheinlich eher bei 78.17°C als bei 78.2°C. Hast du 78.2 genommen, weil dein Alkohol ja nicht ganz das Azeotrop mit 97.2vol% erreicht? Dann wiederum ist 78.2 aber optimistisch, denn das sind 96.9vol%. 78.3°C wären 95.9vol%, das passt vielleicht dann eher?
Oder sind die 78.2 und 100°C nur Beispiele, da ja durch den Einfluss des Luftdrucks in der Praxis sowieso andere Werte verwendet werden müssen? Also in der Praxis hast du dann zwei Offsets bei zum Beispiel 77.3 und 99°C (978hPa) und dazwischen wird dann linear interpoliert?
Ich versuche mal die Motivation zu meiner Art der intuitiven Kalibrierung und den angewendeten Näherungen aufzuzeigen.

Die Überlegungen mit der Streuung der Temperaturen durch unterschiedliche Alkoholkonzentration [vol%] und den Luftdruck [hPa] habe ich auch betrachtet.
Ein höherer Luftdruck zB. verschiebt die Siedepunkte von Alkohol und Wasser gleichzeitig in etwa gleicher Größe nach oben, so dass die Differenz (Xe2 - Xe1) nahezu konstant in der Größe von 21,8°C bleibt.
Wenn wir die Temperaturunterschiede bei unterschiedlichen Alkoholkonzentrationen > 96 vol% betrachten, dann bewegen wir uns im 0,1°C Bereich und Abweichungen hier gehen über die "Steigung" nur mit einer Abweichung von 0,1/21,8 = 0,0046 ein, sind also mit 4/1000°C zu vernachlässigen.
Hügelwilli hat geschrieben: 31. Mär 2022, 09:52 Bei der Ermittlung der zweizahlige Thermometerfehler für unsere Rechner werden die gemessenen Offsets immer in einen bei 0 und einen bei 100°C umgerechnet. Das sind dann die beiden Zahlen, die eingegeben werden müssen, wenn der Temperaturfehler berücksichtigt werden soll. Also die bei zum Beispiel 0 und 99°C ermittelten Offsets werden mit einer Geraden verbunden und diese Gerade dann bis 100°C verlängert und dort der Offset abgelesen.
Danke für den Hinweis auf den Temperaturfehler. Ich arbeite mit den Temperaturfehlern bei 78,2°C und 100°C, weil ich so die einzelnen Kalibriermessungen direkt eingeben kann. Dabei verwende ich Offset= - Temperaturfehler, um so mit einfacher Addition meine Anzeigewerte zu erhöhen bzw. zu senken.
In der Herleitung im ersten Beitrag hat sich ein Fehler eingeschlichen, den ich inzwischen korrigirert habe
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Hügelwilli
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Hügelwilli »

Das Extremste, was in der Praxis wohl noch öfters vorkommt, sind so 900hPa, das wäre normal für 1000 Höhenmetern. Das Azeotrop liegt hier dann schon etwas höher (97.29vol%) und die Siedepunkte sind 96.71 und 75.20°C, also eine Spanne von 21.51°C gegenüber einer Spanne von 21.83°C bei Normaldruck. Zumindest sagen das unsere Daten. Wobei ich nicht behaupten will, daß diese auf zwei Kommastellen genau sind.
Ich schreibe das, damit du überlegen kannst, ob das zu deiner Rechenmethode passt, nicht, um dich auf eine Schlampigkeit oder so hinzuweisen. Du verstehst besser, was genau du da machst.

Wie läuft das dann genau bei dir? Ich stelle mir das so vor:
Du hast die Wasserdampfmessung bei vielleicht 1000hPa gemacht und die Messung mit 96vol% bei 990hPa. Nun hast du zwei Offsetwerte, ermittelt mit deinen Messwerten und unseren Rechnern, die eigentlich an bestimmte hPa gebunden sind. Aber du sagst, der Offset wird bei 990 so gut wie der gleiche sein wie bei 1000hPa, wo ich dir recht gebe. Der eine Offsetwert bezieht sich aber nicht auf 100, sondern auf 99.63°C und der andere nicht auf 78.2, sondern auf 77.61°C. Wie gehst du damit um? Zum Beispiel, wenn du jetzt eine Destillation bei 1010hPa machst?
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Hügelwilli hat geschrieben: 31. Mär 2022, 17:02 Wie läuft das dann genau bei dir?
Machen wir einfach ein (großzügiges, nicht jede Zahl nachrechnen)) Gedankenexperiment und sehen uns an, wie es abläuft.

Die Reihenfolge der beide einzelnen Kalibrierungsschritte ist eigentlich beliebig, aber ich beginne mal bei 1000 hPa und koche Wasser. Der DestillationsRechner sagt uns, dass die Siede- und Dampftemperatur bei 99,91 °C liegt. Mein Thermometer zeigt zB. 99,40°C, also gebe ich 0,51°C als Offset ein und hoffe, dass die angezeigte Temperatur von 99,91°C angezeigt. Damit schiebe ich den rechten gelben Punkt (Xe2/Xa2) in der 1. Abbildung so nach oben, dass er auf der grünen Linie liegt. So weit so gut.
Hügelwilli hat geschrieben: 31. Mär 2022, 17:02 Das Extremste, was in der Praxis wohl noch öfters vorkommt, sind so 900hPa, das wäre normal für 1000 Höhenmetern.

Dies ist kein Aprilscherz !

Diesen Punkt greife ich gern auf, aber wir machen es noch etwas extremer. Wir fahren mal schnell nach Nepal auf eine Hütte, die auf ca. 3650m Höhe über NN. liegt. Hier erwartet uns ein Luftdruck von etwa 680 hPa. Laut Destillationsrechner hat unser mitgebrachter Strohrum, von dem wir wissen, dass er 80,0 vol% hat, einen Siedepunkt von 70°C (also ein Stück weit von den bisher betrachteten 78,2°C entfernt).

Gut kochen wir mal den Strohrum und messen die Dampftemperatur mit unserer Potstill. Das Thermometer zeigt gerade mal 67°C statt 70°C. Ohne weiteres Nachdenken geben wir die 3°C als Offset78 ein. Oh, unser Thermometer zeigt plötzlich mehr als 1°C zu viel an. Kein Problem reduzieren wir unseren Offset78 um 1°C und messen einfach weiter... genau so habe ich es oben beschrieben.
Alk52 hat geschrieben: 30. Mär 2022, 13:58 So und jetzt zur intuitiven Kalibrierung.
Durch die Verwendung der Offsets ist es möglich für jede Temperatur (78,2; 100°C) getrennt die Korrektur einzustellen. Also Wasser (Alkohol) kochen, messen, Offset ermitteln und eingeben. Passt der angezeigte Wert nicht, den Offset korrigieren bis die Temperatur stimmt.
Mir ist klar, dass diese Art zu denken sehr gewöhnungsbedürftig ist. Was habe ich beschrieben?
Statt wie geplant mit hochprozentigem Alkohol nah den 78,2°C zu arbeiten, um den linken gelben Punkt (Xe1,Xa1) auf die grüne Linie zu schieben, habe ich bei 70°C solange am Offset gedreht, bis die erwartete Temperatur angezeigt wird. Damit habe ich auch den Punkt bei 78,2°C bewegt. Jetzt stimmt mein Thermometer bei 70°, 100°C und natürlich auch dazwischen.
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

.
Mein Beitrag vom 01.April enthält natürlich ein paar Fehler. Nur weil drüber steht, dass es kein Aprilscherz ist, muss das ja nicht stimmen.
Richtig ist, dass in Nepal auf ca. 3650m Höhe Strohrum bei 70°C siedet.
Aber die Ausgleichsgerade für die Kalibrierung wird nicht verschoben, wenn man den Temperaturfehler ermittelt und benutzt. Die gelbe Linie zeigt die Relation zwischen der sog. Eingangsgröße (x-Achse), in unserem Fall die vorhandene, zu messende Temperatur und ist definiert über die Temperaturfehler an 2 unterschiedlichen Punkten. Über die so festgelegte Gleichung wird aus dem Anzeigewert (y-Achse) auf die zu messende Temperatur zurückgerechnet.
Wenn für die Messkette bei 100°C der richtige Temperaturfehler eingesetzt wurde, dann stimmt die gemessene Temperatur dort.
Aber wenn ich dann (in Nepal) mit Strohrum bei 70°C eine Abweichung von 3°C messe, dann gilt das 70°C und nicht für 78,2°C.
April, April...
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Hügelwilli
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Hügelwilli »

Ich sehe ein Problem bei deiner Kalibrierung, also mit zuerst Wasserdampf und dann Alkoholdampf:

Der Offset100, den du zuerst ermittelst, ist abseits vom Normaldruck ja eigentlich zB ein Offset99. Das ist anfangs egal. Aber nicht mehr, wenn du den anderen Offset ermittelst und dieser einen anderen Wert hat als der erste Offsetwert, der Temperaturfehler also nicht über den Temperaturbereich konstant ist, was ja durchaus erwartbar ist. Mit Hinzufügen des zweiten Offsetswerts stimmt dann deine Temperaturmessung bei Wasserdampf nicht mehr.
Oder ich verstehe was falsch. Dieses Mixen von April April mit Rechnungen, macht es nicht einfacher, dich zu verstehen.


Ein Beispiel mit deiner Methode berechnet (so wie ich sie verstehe):
Du misst bei Wasserdampf 97°C anstelle 99°C. Also Offset100=+2.
Und bei Alkohol misst du 76°C anstelle 77°C. Also Offset78=+1.
m_Steigung = 21.8 / (21.8 - (2-1)) = 21.8 / 20.8 = 1.04807692
m_Abschnitt = 78.2 - (78.2 - 1) * 21.8 / 20.8 = 78.2 - 77.2 * 21.8 / 20.8 = -2.711538
erg = Tmess * 1.04807692 - 2.711538
Nun misst du wieder 97°C. Es müssen also eigentlich 99°C sein (siehe erste Messung):
97 * 1.04807692 - 2.711538 = 98.952°C


Ein zweites Beispiel:
Du misst bei Wasserdampf 101°C anstelle 99°C. Also Offset100=-2.
Und bei Alkohol misst du 76°C anstelle 77°C. Also Offset78=+1.
m_Steigung = 21.8 / (21.8 - (-2-1)) = 21.8 / 24.8 = 0.87903226
m_Abschnitt = 78.2 - (78.2 - 1) * 21.8 / 24.8 = 78.2 - 77.2 * 21.8 / 24.8 = 10.33871
erg = Tmess * 0.87903226 + 10.33871
Nun misst du wieder 101°C. Es müssen also eigentlich 99°C sein (siehe erste Messung):
101 * 0.87903226 + 10.33871 = 99.121°C
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Blenden wir den 1.April einfach mal aus und betrachten den Rest.

Ich habe immer von einer Näherung gesprochen...
Deine Rechenbeispiele sind völlig korrekt gerechnet und zeigen Mess-Fehler von -0,048° und 0,121°C.
Die angenommenen Abweichungen sind halt schon etwas größer als gewohnt. Ich will jetzt nicht feilschen, aber ich habe in den letzten 2 Jahren ca. 50 Sensoren vermessen und in meinem aktuellen Set nachgesehen. Die typische Spanne der Abweichungen zwischen Off78 und Off100 liegen zwischen -0,38 und +0,49 (die Beispiele bei -1.0 und 3.0).
Damit wären wir, aus meiner Sicht, bei den MessFehlern in der abgeschätzten Größenordnung von <0,04°C geblieben und so im Rahmen der max. Auflösung.

Ich würde mich freuen, wenn wir hier, vielleicht gemeinsam, überlegen, ob es eine exakte Berechnung notwendig ist, die Annäherung ausreichend ist oder ob es für bestimmte Höhenlagen andere Annahmen der Offset-Positionen braucht.
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Hügelwilli
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Hügelwilli »

Zumindest in gemäßigten Höhenlagen, bei halbwegs guten Thermometern und bei halbwegs guter Einbauposition, ist es meiner Meinung nach ok so. Es wäre aber nicht schwierig, das genau zu machen. Man müsste die beiden Offsets halt umrechnen, sodaß sie sich wirklich auf 100 und 78.2°C beziehen. Dafür kann ich gerne die Formel zusammensuchen. Sie ist in den Thermometerfehlerrechnern so ähnlich ja drinnen. Bzw müssen es zwei Formeln sein, da ja zwei Werte berechnet werden sollen.

Man gibt in die Formeln dann die beiden Messwerte, die beiden realen Temperaturen und worauf sich die Offsets beziehen sollen (100 und 78.2) ein.
Soll ich das machen?


Edit:
Du könntest den Nano so umprogrammieren, daß eben nicht nur die beiden Offsets abgespeichert werden, sondern auch, worauf sie sich beziehen, also eben nicht zwingend 100 und 78.2. Es dürfte doch nicht so schwer sein, vier statt zwei Variablen abzuspeichern?
Du destillierst dann Wasser und hast zum Beispiel errechnet, daß es 99°C haben müsste. Dann stellst du den Nano auf 99°C. Der weiß dann, daß soundsoviel °C eigentlich 99°C sind. Dann das gleiche mit der Ethanoldestillation. Das ist genauso intuitiv wie deine Methode. Ich weiß aber natürlich nicht, wie man diese Software verändert. Aber da hast du ja jemanden gefunden, der das kann. Theoretisch muss der Nutzer sich dann keine Zahl merken außer einer ID für die Sensor-Kanal-Kombination. Zu jeder ID sind dann vier Variablen abgespeichert, zB Offset77.93 +0.21 und Offset99.91 -0.15
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Für die Kalibrierung habe ich folgenden Aufbau zusammengestellt.
hc_856.png
Über dem Kessel kommt mein SPP-Sieb, ein 10cm Leerrohr, mein Thermo-Igel, die Dampfsensoren 01,02,05, ein Puffer von 20cm, im T-Stück ein TopDampfsensor mit großer Eintauchtiefe und vor dem Bogen noch ein TopDampfsensor. Im absteigenden Zweig habe ich noch einen Puffer von 20cm und den Produktkühler. Alle Rohre sind isoliert.

Gestern habe ich Neutral-Alkohol mit 96,0 vol% bei 1010,5 hPA gebrannt und auf den Rechnerwert von 78,22°C kalibriert.
hc_862.png
Links ist mein Standard-Setup und rechts sind die ReserveSensoren.
Heute habe ich Wasser bei 996,8 hPA mit einem Siedepunkt bei 99,54°C gekocht und noch ein paar ReserveSensoren hinzugefügt.
hc_861.png
.
Der erste Sensor oben mißt im Kessel alle folgenden im Steigrohr.
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

Temperatur-Messung ohne und mit SPP
Vor ca. 1Jahr haben in "Haben Dampf und Reflux die gleiche Temperatur?" heiss diskutiert, wie die TemperaturMessungen in den SPP aussieht.
derwo hat geschrieben: 23. Jan 2021, 20:37 Nur weil wir uns jetzt vielleicht einig sind, bedeutet das halt nicht, daß das auch stimmt. Ich hätte gerne in einem wissenschaftlichen Wälzer eine genauere Erklärung gefunden...
Wenn die Temperatur der Flüssigkeit und des Dampfes auf einer Kolonnenhöhe gleich ist, ist es ja egal, was davon das Thermometer misst.
Vielleicht reicht Dir ja auch eine Messung ohne und mit SPP im gleichen Aufbau (direkt nacheinander).
hc_866.png
Links habe ich den oben beschriebenen Aufbau mit leerem Steigrohr und rechts gefüllt mit SPP bis über die Sensoren D01,D02,D05, während TD42,TD44 immer noch leer sind.
Wenn man ganz genau auf die Daten schaut erkennt man mit SPP einen leichten Druckanstieg im Kessel und eine minimale Rektifikation, obwohl alle Rohre isoliert sind und kein RefluxKühler eingebaut ist.
Die Produktentnahmen wurden gestartet, da wo das Komma im Text ist
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von derwo »

Ich verstehen nicht, wie das beweisen soll, daß der Dampf und der Reflux die gleiche oder eine verschiedene Temperatur haben. Übersehe ich da was?

Die etwas höhere Temperatur im Kessel im SPP könnte aber auch am höheren Umgebungsdruck liegen. Rechnerisch ist er ja für immerhin 0.03°C verantwortlich. Aber sind wir da nicht sowieso im Bereich der unkontrollierbaren Ungenauigkeiten?

Kann man bei einer Wasserdestillation den Begriff Rektifikation verwenden? Laut wikipedia: "Die Rektifikation oder auch Gegenstromdestillation genannt, ist ein Verfahren zum Auftrennen eines Vielstoffgemisches." Ein Vielstoffgemisch haben wir hier nicht. Und ich bin mir auch nicht sicher, was du meinst. Die "TD"-Sensoren sind im Dampf und die "D"-Sensoren in der Kolonne, oder? Dann zeigt das rechte Diagramm glaube ich einfach, daß im Kessel etwas Überdruck ist, und je weiter oben dann weniger. Dieser Effekt tritt auch schon bei 1.6kW auf. Das bedeutet für deine Kalibrierungen mit Ethanol, daß du diese ohne Packung machen solltest, und damit also mit "umso möglichster" hohen % im Kessel.
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Alk52
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von Alk52 »

derwo hat geschrieben: 7. Apr 2022, 09:40 Ich verstehen nicht, wie das beweisen soll, daß der Dampf und der Reflux die gleiche oder eine verschiedene Temperatur haben. Übersehe ich da was?
Meine Kalibrierung war mit den Messungen vom 04.04.22 abgeschlossen, natürlich im PotStillModus.

Die nachfolgende Messung ohne und mit SPP sind der erste Schritt, der zumindest zeigt, dass es keinen auffälligen Unterschied macht, wenn die Sensoren in Luft oder direktem Kontakt mit feuchten SPPs messen.
Im Kessel ist durch die SPP tatsächlich ein etwas höherer Druck entstanden. Der Luftdruck bei der rechten Messung war gefallen, also hätte auch die Siedetemperatur fallen müssen.
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Re: Thermometerkalibrierung mit Wasser- und Alkoholdampf

Beitrag von derwo »

Alk52 hat geschrieben: 7. Apr 2022, 14:19 Die nachfolgende Messung ohne und mit SPP sind der erste Schritt, der zumindest zeigt, dass es keinen auffälligen Unterschied macht, wenn die Sensoren in Luft oder direktem Kontakt mit feuchten SPPs messen. Ich denke, daß es bei Alkohol auch so ist, aber wissen tun wir es nicht.
Im Kessel ist durch die SPP tatsächlich ein etwas höherer Druck entstanden. Der Luftdruck bei der rechten Messung war gefallen, also hätte auch die Siedetemperatur fallen müssen. Ein bisschen ist sie ja gefallen. Zumindest oben die Dampftemperatur, wo kein Überdruck ist. Je weiter unten das Thermometer, desto mehr ist der Überdruck sichtbar. Am meisten dann beim Kessel. Jeder cm Packung fügt dem darunterliegenden Raum etwas Überdruck hinzu. Über dem Kessel ist am meisten cm Packung also auch am meisten Überdruck.