Steine im Kessel mitbrennen und Lagerungszeit hochgradiger Maische

Obst ernten oder kaufen, verarbeiten, vergären und brennen
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Alchemist
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Steine im Kessel mitbrennen und Lagerungszeit hochgradiger Maische

Beitrag von Alchemist »

Hi miteinander!

Ich hätte mal eine Frage, die mich brennend interessiert. Im Buch vom Doc wird ja beschrieben, die Kerne unbedingt (i) mitmaischen und (ii) 10 % mitbrennen.
Ich verstehe den Sinn hinterm Mitmaischen, da sich dann zumindest das Fruchtfleisch restlos lösen sollte. Aber wie seht ihr Punkt (ii), einen Teil der Steine im Kessel mitbrennen?
Hat das schon mal jemand von euch untersucht, ob das Boukett (?) vom Edelbrand merklich verbessert? Meine Steine befinden sich noch in der hochgradigen Maische (aufgezuckert, Turbohefe, also wie vom Doc empfohlen) und "reifen" jetzt..

Und der zweite Teil meiner Frage: ihr verarbeitet hauptsächlich ungezuckert bis wenig gezuckerte Maischen oder? In einem anderen Beitrag bei euch habe ich gelesen, dass die Aromen in der ungezuckerten Maische besser rüber kommen sollen. Könnt ihr das auch irgendwie begründen, weil ich würde da auch auf der Seite von Schmickl stehen, und eine hochgradige einer "normalen" Maische eigentlich bevorzugen, um einerseits die Ausbeute zu erhöhen, und andererseits dass sich die Aromastoffe besser im Ethanol lösen können?

Auch zum Reifen habe ich bei euch gelesen, dass das eher mehr Schein sein soll. Glaubt ihr, dass diese Veresterung nicht stattfindet, so wie im Buch behauptet?

Freue mich auf eure Antworten!
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derwo
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Re: Steine im Kessel mitbrennen und Lagerungszeit hochgradiger Maische

Beitrag von derwo »

Das ist eine Geschmacksfrage. Steine bringen ein Marzipanaroma mit rein, welches die Früchte selber nicht haben. Traditionell gehört dieses Aroma zum Beispiel bei Kirschwasser dazu. Aber das ist deine Entscheidung. Ich lasse Steine möglichst immer weg, weil ich sonst in jedem Steinobstbrand eben diesen Geschmack habe. Dann schmecken mir mein Kirschwasser und mein Zwetschgenwasser zu ähnlich.

Je weniger Zucker, desto mehr Aroma pro Alkohol, also mehr Aroma pro Stamperl.
Beim Brennen ist im Kessel die Hölle los. Wenn du normal zerkleinertes Obst hast, gibt es keinen Grund, daß sich irgendwas nicht lösen könnte. Und allgemein gelangen Aromastoffe schneller ins Destillat, je niedriger der Alkoholgehalt ist. Schau dir die Begleitstoffrechner an: Rechner/BegleitstoffeFluechtigkeitsdiagramm.html ALLE Stoffe sind bei niedrigem Alkoholgehalt flüchtiger als bei hohem. Das bedeutet, wenn du wenig Alkohol hast und zB aus 10lt Kesselinhalt 1lt Destillat geholt hast, hast du von allen Aromastoffen mehr herausgeholt als wenn du mehr Alkohol im Kessel hast.
Allerdings: Bei sowas wie ungezuckerten Quitten oder Schlehen hast du dann das Problem, daß beim Raubrand immer noch Aroma kommt, obwohl schon längst kein Alkohol mehr kommt. Dann brennst du endlos Wasser plus Aroma. Dann brauchst du erstens ein Rührwerk, sonst brennt es dir an, bevor das Aroma abgeerntet ist, und zweitens hat der Raubrand dann selber nur 10-15vol%. Dann brennst du ein zweites mal und wieder musst du lange brennen, bis das Aroma durch ist. Also niedrigprozentige Maischen sind in vielerlei Hinsicht aufwändig. Mit einer Refluxdestille kannst du das wesentlich abkürzen. Aber das ist dann auch ein ganz anderer Geschmack. Das Zwischendrin Entleeren des Kessels bei Potstill-Mehrfachdestillationen, das hat große geschmackliche Vorteile, welche man mit einer Reflux-Einfachdestillation nicht bekommt.
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Alchemist
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Re: Steine im Kessel mitbrennen und Lagerungszeit hochgradiger Maische

Beitrag von Alchemist »

Danke für den Hinweis mit den Steinen! Werd mir das nochmal überlegen. Evtl. Ein Vorgang mit, und einen ohne Steine machen.

Das Diagramm hab ich nun etwas länger betrachtet. Ich denke mal, die "Flüchtigkeit" soll sowas sein wie der Dampfdruck?
Du hast natürlich recht, dass bei niedrigem Alkoholgehalt im Kessel alle Verbindungen flüchtiger sind. Aber dein Conclusio passt find ich nicht dazu? Denn: ihr brennt ja häufig zweimal, das bedeutet, die Stoffe befinden sich beim zweiten Mal brennen in einem Kessel mit höherem Alkohol-Gehalt. Deiner Aussage nach bringe ich die viel viel schwerer ins neue Destillat, als wenn ich nur 1x mit hochgradiger Maische brennen würde?
Oder sehe ich da etwas falsch?

Schade dass Schmickl diese Zusammenhänge in seinem Buch nur grob bis kaum erklärt. Ich war anfangs doch etwas geblendet von der wissenschaftlichen Natur. Könntest du mir eine Literatur empfehlen, die das etwas genauer untersucht und ausführt?
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derwo
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Re: Steine im Kessel mitbrennen und Lagerungszeit hochgradiger Maische

Beitrag von derwo »

Flüchtigkeit meint das Verhältnis AnteilStoffImDampf / AnteilStoffImKessel. Also wenn ein Stoff 0.1% des Kesselinhalts ausmacht und 1% des Dampfs, dann ist seine Flüchtigkeit 10.

Mit dem Argument, daß wir ja beim zweiten Brand mit höherem Alkoholgehalt unterwegs sind als Schmickl mit seinen Turbomaische-Einfachbränden, hast du recht. Ich hatte das isoliert als Antwort auf das Schmickl-Zitat gemeint, daß sich mehr Aroma "lösen" würde mit mehr Alkohol. Insgesamt ist es wesentlich komplizierter, die verscheidenen Methoden zu vergleichen. Es gibt dazu diesen Beitrag: viewtopic.php?p=10901#p10901 mit ein paar durchgerechneten Szenarien.
Und als Grundlage vorher könntest du diese Beispiele lesen: viewtopic.php?p=8813#p8813

Gute Literatur, die das komplette Schnapsbrennen beinhaltet und nichts versimplifalsiert, gibt es glaube ich nicht. Höchstens halt die wissenschaftlichen Bücher, wo aber dann auch viel unnötiges für den Hobbybrenner drinsteht. Und meistens ist es auf englisch. Das hier zB: https://bibliothek.hobbybrennen.ch/file ... h%20Ed.pdf aus unserer Bibliothek