Schlehen

Obst ernten oder kaufen, verarbeiten, vergären und brennen
Benutzeravatar
T-500
Beiträge: 104
Registriert: 7. Mai 2024, 11:13

Schlehen

Beitrag von T-500 »

Ein Kollege erzählte mir neulich, dass er Schlehen gesammelt hat, um traditionell angesetzten Likör daraus zu machen. Nachdem ich ihm geschworen hatte, die Stelle mit den Büschen niemandem zu verraten, zeigte er mir die Örtlichkeit. Am Samstag bin ich mit meiner Frau dorthin gefahren.
IMG_9685.jpeg
IMG_9687.jpeg
IMG_9688.jpeg
Jetzt möchte ich ein leckeres Destillat daraus machen. Für einen klassischen Brand ist das zuwenig. Deshalb schwebt mir ein Schlehengeist vor. Hat jemand von euch schon erfolgreich Schlehengeist gemacht? Ich persönlich mag eine leichte Steinnote- ähnlich einem guten Kirschwasser.
Ich habe aus dem Archiv der Kleinbrennerei sämtliche Artikel über Geiste/ Schlehen gelesen und habe eine Vorstellung bekommen, wie es gehen kann. Mich interessieren eure Erfahrungen. Die Schlehen hab ich erstmal eingefroren, damit sich die Gerbsäure abbaut.
Mit besten Grüßen
T-500 :)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

Schlehengeist ist absolut top. Ich habe leider keine gute Stelle zum Sammeln.

Es gibt eine sehr große Bandbreite, wie viel man an Geistgut nimmt. Es gibt kommerzielle Produkte, bei denen man kaum was schmeckt von den Schlehen. Aber man kann auch Aromabomben machen.

Mit niedrigen vol% gegeistet geht es ein bisschen Richtung Johannisbeer-Kirsch-Kaugummiaroma. Mit höheren wird es eher gewöhnlich und kratzig. Das soll jetzt aber nicht abschrecken. Ich finde Schlehengeist, bei dem nicht an Schlehen gespart wurde, sehr gut.


Hoffentlich komme ich mal wieder zu welchen. Auf ebay gab es vor ein paar Jahren immer mal wieder welche für 5€ das kg.
Benutzeravatar
T-500
Beiträge: 104
Registriert: 7. Mai 2024, 11:13

Re: Schlehen

Beitrag von T-500 »

Hallo Derwo,
vielen Dank für Deine Hinweise. In einer Ausgabe der Kleinbrennerei habe ich zum Thema Verkostung von Bränden vs. Geisten folgendes gefunden:

"Gute Schlehenbrände zeichnen sich aus durch die Harmonie von Stein- und Fruchtcharakter. Da die Schlehe an sich eine sehr zartaromatische Frucht darstellt und bei Frischgenuss vor allem Gerbstoffe und Säuren im Vordergrund stehen, ist es besonders schwierig, hier die genannte
Harmonie zu erreichen. Oft sind Schlehenbrände bitter im Abgang mit intensiver Marzipancharakteristik. Schon leichter Nachlaufanteil macht diese Produkte vollends ungenießbar. Ein bei Schlehen vorkommender Fehler kann ein unangenehm parfümierter, fast Schnupftabak ähnlicher Geruch sein, dessen Entstehung wahrscheinlich auf bakterielle Tätigkeit durch unsaubere Verarbeitung zurückzuführen ist."

"Der Schlehengeist ist im Vergleich zum entsprechenden Brand von fast süßlichem Duft und entbehrt der herben Bittere im Geschmack. Er präsentiert sich fruchtig und feingliedrig im Geruch, ist im Geschmack aber nicht selten etwas fade und leer. Fehler treten zumeist durch die Verarbeitung schimmliger Rohware oder durch zu wenig Fruchtanteil bei der Destillation auf".

Bezüglich des Geistes herrscht schon mal Einigkeit, dass lieber etwas mehr Fruchtanteil zuzugeben ist. Sämtliche Beiträge raten zu einem Verhältnis Schlehe/ l reiner Alkohol zu einem 2:1 Ansatz und einer maximalen Mazerationsdauer von 1 Woche, damit kein zu hoher Steingeschmack (Marzipan) ins Destillat kommt. Es wird auch geraten, die Verstärkung beim Brennen gering zu halten, es werden sogar nur Helm und Geistrohr empfohlen oder nur mit schwach gekühltem Dephlegmator. Bei den Kleinbrennern wird nie vom Mehrfachbrennen gesprochen. Ich gehe daher davon aus, dass sie die Alkoholgehalte im Mazerat so hoch halten, dass sie mit einmaligem Brennen zurecht kommen. Dafür müsste der Ansatz in der Blase ja mindestens 20% Vol. haben
Ich probiere das einfach aus. Bei meinen Himbeeren hatte ich ja ein Verhältnis 1,5kg/1lrA. Der ist schon sehr gut geworden. Allerdings hatte ich den zweimal gebrannt. Vor dem Rauhbrand hatte ich damals in der Blase auf ca. 8% Vol herunterverdünnt, weil hier niedrigere Alkoholgehalte propagiert wurden.
Mit besten Grüßen
T-500 :)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

1kg Schlehen pro 1lt reinem Alkohol sollten reichen. Das ist meine Erfahrung. Und auch anderswo findet man sowas, zB im Buch Spirituosentechnologie von Erich Kolb 1931.

Und das mit der langen Ziehdauer und dem hohen Alkoholgehalt, da würde ich dir raten zu experimentieren. Wird der Schlehengeist verglichen mit deinem Himbeergeist kratzig oder muffig, dann könnte es sein, daß es daran gelegen hat. Dann wäre es lehrreich gewesen, wenn du zwei Versionen gemacht hättest, die vielleicht unterschiedlich schmecken, oder vielleicht genau gleich, was auch lehrreich wäre.
romko
Beiträge: 22
Registriert: 8. Jan 2025, 17:08

Re: Schlehen

Beitrag von romko »

Dieses Jahr war bei uns auch ein sehr gutes Jahr für Schlehen. Ich konnte sicher mind. 50kg sammeln. Ist wohl etwas zu wenig für einen Brand,
deswegen überlege ich auch einen Schlehengeist. Geplant hab ich einen Ansatz in Neutralalkohol den ich auf ca. 45% runterverdünne. Ist das Eurer Meinung nach zu hoch? Will schließlich soviel Aroma wie möglich im Geist haben.
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

Also bei meiner Destillengröße würden 50kg Schlehen ein Brand werden.
Aber ein Schlehengeist funktioniert auch sehr gut.
Viel Aroma bekommt man, indem man möglichst viele Schlehen und möglichst wenig Alkohol nimmt. Ganz einfach. Aber das hilft nicht wirklich. Vielleicht sollte es eher darum gehen, viel gute und wenig schlechte Aromen zu bekommen? Und dafür ist eine deutlich stärkere Verdünnung meiner Meinung nach besser. Und dann mit Reflux brennen oder -noch besser- zweimal hintereinander in der Potstill. Und die Schlehen über dem Alkohol und nicht in dem Alkohol. Das ist für einen einfachen Geist aber dann ein deutlich höherer Aufwand als wie es die Profis machen, welche aber ja ihren Schlehengeist deutlich günstiger anbieten müssen als den Schlehenbrand. Und welche außerdem da etwas feststecken in ihren Regularien. Zum Beispiel ohne Ansetzen im Dampfraum geisten ist nicht erlaubt. Bzw darf man das dann nur "Spirituose" nennen, wodurch man sich dann in der Gesellschaft von Billigschnaps mit künstlichen Aromen wiederfindet.
Benutzeravatar
T-500
Beiträge: 104
Registriert: 7. Mai 2024, 11:13

Re: Schlehen

Beitrag von T-500 »

Ich habe dieses Wochenende meine Schlehe gebrannt. Ich habe die 6 kg mit Verflüssigerenzym und Hefe angesetzt und angegoren. Azeotrops Beitrag war hierbei maßgeblich. Die Gärung hab ich mit 3l (6kg Frucht) 96%igem unterbrochen und 7Tage bei kühlen Temperaturen mazeriert. Das Ganze dann auf 26l (11%Vol)verdünnt und 8,5l mit 34%Vol Rauhbrand erhalten. Dann einen 2. Potstillbrand sehr langsam destilliert. Ich hab wegen der Steine 4 Kupferschwämme als Katalysator zwischengeschaltet.
Das Ergebnis ist aus meiner Sicht sehr gut geworden.
Fazit: 1A! Ich lass den jetzt noch etwas reifen, bevor ich ihn auf 40% Vol Trinkstärke einstelle.
Ich hab quasi ein Zwischending zwischen Brand und Geist eezeugt. Der Rauhbrand erfolgte bei relativ geringen Vol. % gemäß den Empfehlungen von Derwo..
Der 2. Brand (feinbrand) brachte ein wunderbares Ergebnis. Vorlauf fiel relativ wenig an (150ml), dafür musste ich den Nachlauf bereists bei 86 Grad Celsius abrtennen. Den Nachlauf hab ich mit aufgetauten Schlehen und 100g/l Zucker angesetzt. Mal sehen wie sich der entwickelt.
487641c7-f54f-436c-9508-022d726c7992.jpeg
IMG_9865.jpeg
IMG_9866.jpeg
Dateianhänge
IMG_9876.jpeg
IMG_9878.jpeg
IMG_9877.jpeg
IMG_9867.jpeg
Mit besten Grüßen
T-500 :)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

Und wieviel Mittellauf hast du jetzt genau? Und mit welchen vol%?

Der Nachlauf mit den Früchten und dem Zucker, das wird interessant.
Eigentlich zweifel ich daran, aber ich kenne einen Kleinbrenner-Bauernhof im Schwarzwald, wo Angesetzte mit zumindest sehr nachlaufhaltigem Obstbrand herstellt und nach einer Führung und Verkostung erfolgreich verkauft werden. Also er brennt einen Obstler-Feinbrand bis weit in den Nachlauf und setzt damit zB Himbeeren und Kirschen an.

Noch eine Anmerkung wegen der Kupferschwämme.
Sollen sie gegen das Ethylcarbamat wirken, welches bei Steinobst, welches mit Steinen vergoren und vielleicht sogar mit Steinen gebrannt wird, ein Problem ist, müssen sie blank sein. Sollen sie gegen Aromen wie gekochtes Gemüse/Kohl wirken, also Schwefelverbindungen, dann ist es eher besser, wenn sie nicht blank sind. So zumindest das, was man liest.
Benutzeravatar
T-500
Beiträge: 104
Registriert: 7. Mai 2024, 11:13

Re: Schlehen

Beitrag von T-500 »

Moin Derwo,
ich hab ca. 2,8l Mittellauf mit 79%Vol erhalten. Ich hatte 2,5l im großen Behälter gesammelt, dann aber entschieden, 200ml Vorlaufkandidaten und 100ml Nachlaufkandidaten mit dazuzugeben. Ich hatte 3/4 der Kerne aus der Maische vor dem Rauhbrand rausgenommen. Da es aus meiner Sicht dann zuwenig Steinaroma (ich mag das) hatte, gab ich die Steine beim Feinbrand mit in den Korb. Zu Beginn der Destillation waren sie noch mit Rauhbrand bedeckt, später dann nicht mehr. So kam eine zarte Marzipannote ins destillat, wobei auch das Fruchtige sehr gut mitkam.
Bei der Entscheidung, den Nachlauf mit den Rest-Schlehen anzusetzen, war ich schon etwas angeschnickt vom vielen Probieren. So richtig schlecht roch der Nachlauf nicht. Mir war auch der gute Mittellauf zu schade, um ihn für einen Likör einzusetzen.

Ich hab vorhin mal den Finger reingesteckt- ich bin erstaunt wie gut das schon schmeckt. Das bleibt aber im Dunkeln mindestens bis Ostern stehen.
Ich hatte dieses mal die Schwämme wegen des Ethylcarbamats vorsorglich mit Zitronensäure gekocht. Auch der Helm war blank.

Als ich neulich meinen Malzwhisky gebrannt hatte, war der Kupferhelm innen mit einer recht dicken, schmierigen, schwarzen Schicht bedeckt. Das hatte ich so intensiv bei anderen Getreidebränden sonst nicht. Vielleicht war dort viel Schwefel drin?
Mit besten Grüßen
T-500 :)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

Also aus 8.5lt 34vol% = 2.89lt Alkohol hast du 2.8lt mit 79vol% = 2.212lt Alkohol bekommen. Also 2.212 : 2.89 = 76.5% des Alkohols ist im Mittellauf gelandet. Das ist ein sehr hoher Wert. Musst du sehen, ob du das nach etwas Lagerzeit nicht doch zu nachlaufhaltig findest.

Das mit dem Malzwhisky: Da sind irgendwelche Öle drinnen, die sich festsetzen. Und dann liegt es vielleicht daran, daß die Säuren im Destillat, die die beim Brennen entstehende Patina normalerweise beim Brennen etwas zurück in den Kessel wegspülen, nicht mehr drankommen. Ölig sind die Kupferverbindungen jedenfalls nicht. Also da kommt was vom Malz. Weiß nicht genau. Aber ich kenne das auch.
Benutzeravatar
T-500
Beiträge: 104
Registriert: 7. Mai 2024, 11:13

Re: Schlehen

Beitrag von T-500 »

Ich hab bis jetzt trotzt Corona- Nasenhandicap (Parosmie) ein gutes Händchen gehabt. Ich hab mich auch davon leiten lassen, dass ich die Früchte nur 4 Tage gären ließ- um ein Aroma in Richtung Brand zu erzeugen. Dann hab ich ja auch sehr hoch aufgesprittet (6kg Schlehen mit Kernen; 3l 96%igen. Aber Du hast recht, „nach der Schlacht werden die Toten gezählt…“ Ich gönne dem Destillat jetzt erstmal 3 Monate Ruhe im halb gefüllten Demijohn. Werde vorher den Nachlauf-Angesetzten finalisieren und berichten.
Mit besten Grüßen
T-500 :)
Benutzeravatar
azeotrop
Beiträge: 2347
Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Re: Schlehen

Beitrag von azeotrop »

Ich hatte bei meinem ersten Versuch mit Schlehen viewtopic.php?t=1037
auch eine ähnlich hohe Ausbeute erzielt.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3627
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Schlehen

Beitrag von derwo »

Kann sein, daß das passt. Ich habe halt weder bei Bränden noch bei Geisten solch hohe Ausbeuten gehabt. Ist vielleicht auch einfach Geschmackssache.