der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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derwo
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der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von derwo »

Destillate sind normalerweise leicht sauer, da auch der sauberste Neutrale immer noch Spuren vor allem von Essigsäure hat. Und manche sehr aromareiche Destillate sind sogar ziemlich sauer. Man nimmt das als einen brennenden oder kratzenden Abgang wahr. Manche denken auch sowas wie "huch ist der stark!". Natürlich kann man nun einfach eine Base dazugeben, dann reduziert man effektiv die Säure und verbessert damit auch den Abgang des Destillats.
Man reduziert dabei gleichzeitig die Flüchtigkeit der Säuren, reduziert also deren Geruch. Und man wandelt Ester in Säuren um; man hat dann also weniger hocharomatische Ester und mehr schwacharomatische oder geruchslose Säuren. Also insgesamt findet eine Reduzierung vieler Aromen statt.
Für Vodka ist das also sinnvoll, für alles anderes normalerweise nicht.

Der Säuregehalt im Destillat wird reduziert...
- je früher man den Mittellauf beendet.
- je höher man rektifiziert.
- je öfter man brennt.
- je weniger flüchtige Säuren im Kessel sind.
- je höher der pH im Kessel ist.

Die Umwandlung der Säuren in Ester wird gefördert...
- je niedriger der pH im Kessel ist. Dann ist aber auch die Flüchtigkeit der Säuren größer. Man bekommt also sowohl mehr Ester als auch mehr Säuren in das Destillat.
- wenn ein Katalysator im Kessel ist. Das ist meist Schwefelsäure. Wenn also der niedrige pH durch Schwefelsäure hergestellt wurde, ist das Verhältnis Ester/Säure größer und damit für die meisten Gaumen besser. Man hat also mehr flüchtige Aromen und einen weicheren Abgang, als wenn der niedrige pH durch Zitronensäure hergestellt wurde.

Wenn man einen Vodka oder Neutralen brennt, kann man vor dem Brennen eine starke Base zugeben und wird dadurch sowohl die Ester im Vorlauf und die Säuren im Nachlauf stark reduzieren. Dies sollte man allerdings nicht beim ersten Brand machen, da ein erhöhter pH den in jeder Maische vorhandenen Stickstoff freisetzt. Dieser verbindet sich irgendwie mit dem Kupfer und man bekommt ein blaues nach Ammoniak riechendes Destillat. Ich habe es selber nie erlebt, weiß auch nicht wie das genau passiert. Aber jedenfalls wenn man zum zweiten mal brennt, sind auch sehr hohe pH-Werte wie 11 kein Problem, weder für Kupfer noch für Edelstahl, da keine Stickstoffverbindungen mehr im Kessel sind.
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derwo
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von derwo »

In dem folgenden link steht, daß der hauptsächliche Grund für das charcoal mellowing von Jack Daniel's gar nicht die Filterung ist, sondern das Hinzufügen von Mineralien, und damit also eine Erhöhung des pH:
https://www.alcademics.com/2019/04/deep ... ation.html
The charcoal production is not to make activated charcoal. However the charcoal does do some adsorptive filtration of the whiskey to remove certain components.
The additive quality of the charcoal is that minerals in the charcoal are extracted by the whiskey. The whiskey comes off the still at around 5.5 pH, and after charcoal filtration it goes up to a pH of 7.5 - 8.0! So this has lowered the acidity of the whiskey substantially and probably adds to the perceived "mellowness" of the whiskey.
Das ist auch für mich etwas überraschend. Ich hatte oben ja bezüglich des Erhöhens des pH im fertigen Destillat geschrieben: "Für Vodka ist das also sinnvoll, für alles anderes normalerweise nicht." Anscheinend doch.

Auch sonst sind in dem link übrigens interessante und weitreichende Informationen, vor allem über sour mash.
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BenDunker
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von BenDunker »

Welche Basen würdet ihr empfehlen um den PH-Wert eines Rohbrandes vor dem Fein-brennen herabzusetzen.

Ich habe es mal an meinen Apfel-Feints probiert, die ich gerne in einen möglichst neutralen Alkohol verwandelt hätte. Ein wenig Apfel-Charakter wäre dabei nicht ganz so schlimm gewesen, da ich die Feinbrände weiter für Frucht-Geiste, Frucht-Angesetzen oder Gin benutzen wollte.
Um die Aromen generell und hocharomatischen Ester loszuwerden / in Säure umzuwandeln um sie aus meinem finalen Destillat zu bekommen habe ich den ph-Wert erhöht. Erster Versuch mit Calcium Carbonate (Kalk) was sich sehr schlecht aufgelöst hat und somit den ph-Wert nicht unbedingt beeinflusst hat. Zweiter Versuch mit einer sehr geringen Menge an Sodium Hydroxide (Natronlauge) was den Ph-Wert rapide auf 11.4 heraufgesetzt hat. Daraufhin habe ich mit der Reflux-Kolonne gebrannt und ein Destillat von 92% Vol. herausbekommen. Erstaunlicherweise war schmeckte ein großer Teil am Anfang sehr nach Vorlauf. Nach einer Weile nicht mehr und der Geschmack war ok, von da ab habe ich das Destillat behalten. Dann wurde er irgendwann bitter und ein wenig nussig, ähnlich wie die braune Haut einer Haselnuss. Ich habe an der Stelle aufgehört zu brennen.

Es wird sicher an der schlechten Qualität meines Ausgangsmaterial liegen, da ich versucht habe aus den gesammelten Nachläufen noch den Alkohol zu holen, aber vielleicht war es auch meine unglückliche Wahl an Base / Basen, die ein geschmacklich bemerkbaren Einfluss auf das Destillat hatten!?

Bei einem vorhergegangen Versuch mit Zuckermaische habe ich später im Destillat eine sehr Toffee-artige Note gefunden. Hmmm..

Ideen'?

Wie senkt ihr den Ph-Wert zwischen Roh- und Feinbrand?
Die Bitterkeit der schlechten Qualität bleibt lange nach dem Vergessen der Süße des niedrigen Preises bestehen.
- Benjamin Franklin
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derwo
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von derwo »

Ich nehme immer Sodium Hydroxide, bzw auf deutsch heißt es ja Natriumhydroxid oder Ätznatron. Also was du auch verwendet hast. Es ist sehr stark und löst sich in Destillaten. Ich hab auch Soda und Natron probiert. Löst sich schlechter. Und Kalkverbindungen lösen sich gar nicht wirklich.
Ein pH von über 11 ist dann auch nicht ungewöhnlich.

Wenn die Feints sehr dreckig waren, ist da eventuell etwas Organisches drinnen. Also irgendwelche komplexen Verbindungen, welche mitgerissen wurden. Und dann können bei einer Destillation mit hohem pH zwei Sachen passieren:
- Das Destillat stinkt nach Ammoniak und ist vielleicht auch blau. Ich hab es zwar nicht selbst erlebt, aber es wird oft davon berichtet. Ich finde die Berichte darüber allerdings meist etwas unlogisch. Bin mir nicht sicher.
- Das Zugeben dieser starken Base verändert irgendetwas ins Negative vor der Destillation oder dann verstärkt durch die Hitze währenddessen. Das kann ich mir aber auch nur an den Verbindungen vorstellen, welche durch die dreckige Destillation mitgeschleppt wurden.

Da ich Feints oder Neutralraubrände immer vor dem Zugeben der Base erstmal mit Aktivkohlepulver behandle, hab ich diese Verbindungen immer gut ausgefällt. Vielleicht ist das ein wichtiger Schritt gewesen in manchen Fällen.

Nussig im schlechten Sinne kenne ich nur von einem Experiment, wo ich versucht habe, ein holzgelagertes Destillat mit etwas Wasserstoffperoxid und einem Platinkatalysator zu oxidieren, also künstlich zu altern. War ein Fehlschlag auf ganzer Linie.
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BenDunker
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von BenDunker »

vielen Dank, sehr gut.

Ammoniak war es sicher nicht. Der Geruch/Geschmack war eher wie ein billiger Reinigungs-Brennspiritus und auch nicht blau.
oder ist das tatsächlich der Geruch/Geschmack von richtig reinem Alkohol und ich bin den nur noch nicht gewöhnt??

Die Apfel-Nachläufe waren nicht mit Aktivkohle behandelt, weil ich den Geschmack eigentlich ok fand und in verdünnter Form eher fruchtig unterstützend fand.
Die Raubrände der Zuckermaische waren auch nicht mit Aktivkohle behandelt, ABER ich habe ein wenig an Rezepturen für Zuckermaischen getüftelt und diese Maische war eine von denen, die schlecht und sehr lange vergoren ist. Da kann sicher auch eine Reaktion oder ein Ester die Toffee-Note geformt haben. Klar genug war sie zum brennen und angebrannt oder zu schnell habe ich sie auch nicht gestrippt.

Behandelst du generell all Neutral-Raubrände mit Aktivkohle vor dem Feinbrand?
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derwo
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von derwo »

92% ist halt aber auch nicht gerade hoch für eine Reflux.

Ich denke eher, daß man, wenn Alkohol dabei ist, nicht nichts riechen kann. Daß restliche Spuren von was auch immer die Geruchswahrnehmung dann einnehmen. Richtig neutraler Neutraler ist mir noch nicht untergekommen.

Zumindest einmal behandel ich alles, was zu Neutralalk werden soll, mit Aktivkohlepulver (Pellets). Feints von einem Neutralbrand dann nicht nochmal. Und Feints von Geisten mische ich immer erst unter andere Sachen, da sich das Pulver sonst eventuell nicht gut absetzt. Die sind oft zu sauber.

Wenn du unzufrieden bist, bleibt dir immer noch die Möglichkeit, alles zu verdünnen und nochmal zu destillieren.
Ich mache das oft. Plane es sogar von vornherein ein. Also daß ich die aktivkohlegereinigten Sachen dann recht zügig zweimal hintereinander durch die Reflux brenne, anstelle nur einmal langsam. Beide male mit NaOH.

Wenn du den Neutralen als Vodka trinken möchtest, experimentiere mal mit winzigen Mengen NaOH direkt im fertigen Destillat. Weniger als eine Messerspitze pro liter Trinkstärke. Oder mit hartem Leitungswasser. Dann kann der Vodka allerdings etwas trüb werden.
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BenDunker
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von BenDunker »

werde ich machen. Vielen Dank!
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derwo
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Re: der pH beim Destillieren und der Säuregehalt im Destillat

Beitrag von derwo »

derwo hat geschrieben: 13. Sep 2019, 10:25 Wenn du den Neutralen als Vodka trinken möchtest, experimentiere mal mit winzigen Mengen NaOH direkt im fertigen Destillat. Weniger als eine Messerspitze pro liter Trinkstärke. Oder mit hartem Leitungswasser. Dann kann der Vodka allerdings etwas trüb werden.
Habe ich nun auch mit einem zu sauren Obstler gemacht. Es funktioniert sehr gut. Man braucht nur winzige Mengen, also eine Messerspitze NaOH auf einen liter Schnaps, und der Brand wird viel weicher auf der Zunge. Ein gewisser Aromaverlust ist allerdings da, da wohl auch manche Ester zerstört werden, also die Säure aus dem Ester gezogen und neutralisiert wird, übrig vom Ester bleibt der Alkoholteil. Aber man ändert den Geschmack charakterlich nicht. Das ist es, was mir daran gefällt, im Gegensatz zB zur Glycerinzugabe, welche den Schnaps erst weichbekommt, wenn auch die Süße des Glycerins schmackbar ist.