Mein Bourbon 2019

Getreide auswählen, maischen, vergären und brennen
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derwo
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Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Bourbon ist meiner Meinung nach zwar nicht so interessant wie Malt Whisky, aber wenn ich mir abends überlege, welchen meiner Selbstgebrannten ich denn heute verkoste, dann greife ich doch auffallend gerne zu einem meiner Bourbons. Sozusagen meine Alltagsdrink. Daher ist es mal wieder an der Zeit für einen neuen.

Diesmal soll er neben Mais aus Hafer bestehen. Ich habe noch nie Hafer gemaischt. 75% (15kg) Mais, 25% (5kg) Hafer, insgesamt 66l Maische mit 10% Alkohol.
Kein Malz, die Verzuckerung der Stärke erfolgt mit flüssigen Enzymen. Ich finde zwar nicht, daß Malz irgendwie schlecht schmeckt, aber ohne kommen die anderen Elemente eher zum tragen.
Ich verwende ganze Maiskörner und ganzen Hafer (Tierfutter).

Das Mahlen:
Da ich eh nicht abläutere, also "on the grain" vergäre und brenne, kann ich eigentlich alles sehr fein mahlen. Den Hafer mit einem Küchenmaschine-Getreidemühlenaufsatz, den Mais mit einem Mixer, denn die Getreidemühle wäre mit den harten Maiskörnern nicht besonders glücklich.
Ich hatte bisher immer Maisflocken (Tierfutter oder Hobbybrauerversand) oder Maismehl/-gries/Polenta verwendet. Das Mahlen der ganzen Körner ging nun im Mixer sehr gut. Man muss ihm halt Pausen gönnen. Und es ist sehr laut. Die Stärke ist sehr leicht freigelegt, der Keim wohl auch gut zerkleinert, nur die Hülle ist nur grob gebrochen. Da in ihr aber nur Zellulose und so ist, ist das wahrscheinlich sogar von Vorteil. Dasselbe beim Hafer: Ich habe die Mühle so grob eingestellt, daß die Spelzen ganz geblieben sind. Je mehr unwichtige Sachen nicht feingemahlen sind, desto flüssiger und damit einfacher zu verarbeiten wird die Maische sein.
Der gemahlene Mais hat einen starken und guten Eigengeruch. Vielleicht liegt es daran, daß der sehr ölhaltige Keim frisch gepresst ist. Maismehl, -gries, Polenta und auch Cornflakes sind übrigens entkeimt. Bei den gewalzten Flocken für Tiere und Hobbybrauer bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, es war eine gute Entscheidung, es mal mit dem ganzen Mais zu versuchen.

Mais
Mais
Hafer
Hafer

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geschmacksverderber
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von geschmacksverderber »

Bin auf dein Ergebnis gespannt. Wie lagerst du deinen Bourbon für die nächsten 2 Jahre ein?
mit Bacon schmeckt alles besser, nur der Whisky nicht
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

In Weithalsflaschen mit Sticks aus einem Jack Daniels-Fass. Zurechtgeschnitten und die Oberfläche abgeschliffen, dann kurz (5-10min) in den Backofen auf höchste Stufe, dann noch kurz mit dem Gasbrenner drüber und gut abgelöscht. Mir persönlich fehlt nichts bei dieser Methode. Auch mit Sticks befüllte Flaschen kann man atmen lassen.
Ich werde zwar immer mal probieren, aber bis der richtig getrunken wird, dauert es wahrscheinlich sogar mindestens 5 Jahre.
Ich mache diesen Bourbon auch in Hinblick auf meinen nächsten Malt Whisky. Für den brauche ich dann nämlich ausgelaugte Sticks.
Ich werde ziemlich viel Neues ausprobieren bei diesem Bourbon.
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Das Maischen:
Zuerst muss der Mais vorgemaischt und gelatinisiert werden. Mein Topf fasst bis zum Rand 17l, ich möchte aber 66l Maische machen. Zum Gelatinisieren reichen mir vier Füllungen:
11l kaltes Leitungswasser in den Topf, Hochtemperaturalphaamylase dazu, Deckel drauf, Kochplatte voll aufgedreht, Rührwerk an und 1/4 vom Mais langsam reinrieseln lassen. Wenn es zu dick wird, 5min warten, bis die Amylase die Stärke etwas mehr verflüssigt hat.
Wenn es kocht, schäumt das kurz hoch, das ist dann etwas knapp mit der Topfgröße, es sackt aber schnell wieder zusammen. Ich schalte aus und warte, bis es nur noch köchelt, dann kommt die Maische in die Gärtonne. Da liegt auch schon der ganze gemahlene Hafer, 4El Gartenkalk als pH-Puffer und 70g Butter als Antischaum drinnen. Weiß nicht, ob die Butter neben dem ganzen Maiskeimöl noch einen Effekt hat. Und ein Kupferrohr zum Rühren bzw um einem Böckser vorzubeugen. 8mm Durchmesser, so zurechtgebogen, daß ich es gut mit einem Akkuschrauber zum Rühren verwenden kann.
Dasselbe dann noch drei mal.

Aufgefüllt mit kochendem Wasser auf 65l ergab 81°C. Wieder etwas Hochtemperaturalphaamylase dazu. Offen stehengelassen, damit es abkühlt. Immer mal wieder gerührt (Akkuschrauber mit Kupferrohr).

Nach ein paar Stunden war die Temperatur auf 53°C runter. Zeit für die Glucoamylase. Auch Glucanase hatte ich dazugetan, da ich sie eh da hatte. Ist eigentlich nicht nötig bei einem Rezept mit vor allem Mais. Immer mal gerührt.

Keine weiteren Nährstoffe, die Hefe soll den Stickstoff aus den Eiweißverbindungen des Getreides ziehen. Das sorgt einerseits für mehr Fuselalkohole, andererseits für mehr Ester von Fuselalkoholen. Also das erste ist wohl eher schlecht, das zweite eher gut.

Bei 33°C (am nächsten Tag erst) kam ein 2.5l-Gärstarter aus fünf Steinen Backhefe in die Maische. Nun hatte ich 66l. Den Zucker hab ich nicht gemessen, da ich keine Lust auf Filtern hatte. Ohne Filtern ist das zu breiig zum Messen. Ich werde den gesamten Alkohol rausbrennen. Dann werde ich ja genau wissen, wie viel Alkohol die Maische hat. Sie schmeckt jedenfalls sehr süss, also es hat sicher gut geklappt.

vor der Hefezugabe
vor der Hefezugabe

Ein Gärspund ist nicht nötig. Ich lasse die Gärtonne offen. Getreide und Rum brauchen meiner Meinung nach nicht sauber vergärt werden. Im Gegenteil.


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azeotrop
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Hallo derwo

Ich schaue gebannt zu.
Frage: Was ist Hochtemperaturalphaamylase? Hast du ein Produktbeispiel für mich?
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Das ist von Pilzen hergestellte alpha-Amylase, welche extrem fix arbeitet, und welche auch sehr hohe Temperaturen verträgt, und daher für Mais und Kartoffeln, welche sehr heiß gelatinisiert werden müssen, sehr praktisch ist.
Ich hab hier bestellt:
https://enzymash.biz/
Das SEBStar-HTL ist es. Der Shop hat damals unverständlicherweise kleine 2oz-Sets (also zusammen mit einer Glucoamylase) mit einem kostenlosen Versand selbst nach Europa angeboten. Das gibt es leider nicht mehr.
Von Schliessmann bekommt man aber das Enzym "VF Kartoffel". ZB hier:
https://www.rekru.de/product_info.php?p ... igung-1060
Oder hier:
https://herstellerangebote.de/index.php ... eggdfevmk6
Ist wahrscheinlich genau dasselbe, nur etwas weniger verdünnt als das SEBStar. Ich denke nicht daß Schliessmann oder SEB das selber produzieren. Die kaufen das kanisterweise in China und füllen es in kleine Fläschchen ab.
"VZ" heißt die Glucoamlase von Schliessmann. "Ex-Tosan" die Glucanase (vor allem für Roggen sinnvoll).

die Hefe kann ihr Glück kaum fassen
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Die Gärung:

Als die Gärung langsamer wurde, hab ich noch 200g Gerstenmalz reingerührt, welches ich rumliegen hatte. Darauf enthaltene Bakterien (vor allem Laktosebakterien) sollen das Aroma in Richtung mild-fruchtig lenken.
Auch hab ich den pH immer mal wieder etwas mit Calciumhydroxid gehoben, um die Bakterien, bzw deren aromatische Säuren, zu fördern. Den pH hab ich aber nie über 5.5 steigen lassen. Das Problem beim heben vom pH zu diesem Ziel ist aber, daß die von den Bakterien und der Hefe erzeugten Säuren bei hohem pH weniger flüchtig sind, also beim Brennen eher im Kessel bleiben. Man muss also vor dem Brennen den pH wieder senken. Dafür nimmt man Schwefelsäure. Diese verbindet sich dann mit dem Kalk zu Gips, welcher ausfällt und ein solides Sediment bildet, von dem man gut die Maische abziehen kann.
Leider hat diese pH-Behandlung mit Schwefelsäure auch Nachteile: Manche Aromen werden zerstört, wie genau und was, weiß ich nicht, aber es ist störend. Daher probiere ich etwas neues: Es sind nämlich Aromen aus dem ersten Teil des Brandes, welche zerstört werden. Daher gebe ich die Schwefelsäure erst kurz vor Ende des Raubrands dazu. Und zwar über ein neues kleines verschließbares Loch oben in meinem Potstillaufsatz. Der Gips bleibt bei dieser Methode dann aber natürlich im Kessel. Das Destillat nach der Schwefelsäurezugabe sammle ich seperat. Es ist so gut wie kein Alkohol mehr drinnen. Ich möchte mit diesem Experiment nicht übertreiben, es soll eher eine Generalprobe für den nächsten Rum sein, wo ich das extremer machen möchte. Deswegen hab ich die Menge Calciumhydroxid auf insgesamt 1g pro liter Maische begrenzt.
Beim Reinrühren von Calcimhydroxid hab ich natürlich auch jedesmal etwas Sauerstoff in die Maische eingetragen, was ich für die Vitalität der Hefe auch als positiv bewerte. Ich erwarte mir davon eine trockener ausgegärte Maische.

Am Ende war die Maische knapp unter 0 Oechsle gelandet. Warum dieser tolle Wert? Ich weiß es nicht. Entweder wegen der Überdosis Enzyme (ich hab die Fläschen leergemacht, da sie schon seit vielen Jahren geöffnet im Kühlschrank stehen. Und ich hatte sie nun 2.5 Jahre nicht verwendet. Keine Ahnung, wie viel Enzymkraft da noch drinnen war) oder dem recht hohen pH oder dem regelmäßigen Sauerstoff.

6 Raubrände werde ich machen. Den ersten hab ich schon. Nachgerechnet ergibt sich, daß die Maische 10.3% hat.


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azeotrop
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

der wo

Danke für die schöne Beschreibung. Das hat mir geholfen das Zusammenspiel von Calciumhydroxid und Schwefelsäure zu verstehen.
Mir geistert immer noch im Kopf rum dass bei der alkoholischen Gärung der pH-Wert niedrig (3,5) sein soll um Essigsäuregärung zu verhindern.
Ich vermute mal dass dies stärker für Wein als für die Brennerei gilt.
Wie siehst du die Sache? Ich durchschaue das noch nicht.
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Bei Wein hat man keine Wahl. Man kann nicht einfach sagen "ich mache meinen Bordeaux saurer, dann vergammelt er nicht so leicht". Denn das verändert den Geschmack ja wesentlich. Bei uns dagegen bleiben die Säuren größtenteils im Kessel, da sie weniger flüchtig sind als Alkohol. So bekommt man aus einer Maische mit deutlichem Essigstich immer noch ein trinkbares Destillat. Natürlich darf der Alkohol nicht komplett in Essig umgewandelt werden. Aber diese Gefahr ist sehr gering, wenn der Alkoholgehalt hoch ist. Also außer bei manchem Obst mit sehr wenig Zucker oder bei einer Getreidemaische mit schlechter Umwandlung von Stärke zu Zucker oder bei einer missglückten Gärung.
Wenn Anfänger einen Essigstich bemerken, machen sie oft den Fehler, die Maische wegzuschütten. Meißt wäre das Destillat gar nicht so schlecht gewesen.

Bei Rum wird der Maische oft sogar extra Essig zugegeben, um die Esteranzahl zu erhöhen. Also anstelle die Maische in eine Essiggärung zu führen, macht oder kauft man Zuckerrohressig und kippt den entweder in die Maische oder in den Kessel.

Hefe ist säuretoleranter als die meisten uns betreffenden Bakterien. Daher fördert ein hoher pH die bakterielle Tätigkeit. Die von den Bakterien produzierten Säuren drücken den pH dann aber wieder runter. Man muss also ständig pH-Heber nachfüllen, wenn die Bakterien weiterarbeiten sollen.
Bei der Destillation entscheiden der pH dann daüber, wie viel der Säuren flüchtig sind.

Die weiteren Raubrände werden sicher anders sein als der erste, da ich zur Zeit warten muss mit dem Brennen. Eine Woche ist sicher dazwischen. Der pH wird inzwischen sicher deutlich gefallen sein. Aber mehr als 1g/l wollte ich Calciumhydroxid nicht dazugeben.
hefezelle
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von hefezelle »

derwo hat geschrieben: 12. Jul 2019, 10:16 Hefe ist säuretoleranter als die meisten uns betreffenden Bakterien. Daher fördert ein hoher pH die bakterielle Tätigkeit. Die von den Bakterien produzierten Säuren drücken den pH dann aber wieder runter. Man muss also ständig pH-Heber nachfüllen, wenn die Bakterien weiterarbeiten sollen.
Hast du schon mal probiert Kalk (Calziumkarbonat, CaCO3) im Überschuss zuzugeben? Ich hab da selber wenig praktische Erfahrung damit bisher, aber in der Theorie sollte davon wenig in Lösung gehen wenn die Maische nahezu neutral is, und sich mehr auflösen wenn der pH-Wert sinkt. Das wäre also ein angenehmes Mittel die Maische zu buffern, mit Selbstregulation. Ich hab das mal nachgerechnet vor einiger Zeit, und das Säure-Basen-Gleichgewicht sollte irgendwo zwischen 5 und 6 landen, wenn man so buffert (wenn ich mich nicht verrechnet hab und grad richtig erinnere).
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Calciumcarbonat ist dafür zu langsam. Es eignet sich perfekt, um einen pH unter 3.5 zu verhindern. Also sagen wir mal einen Bereich, wo die Hefe nicht mehr ganz glücklich ist. Aber um den pH auf 5 oder so zu halten, dafür ist die Säurenproduktion in der Maische zu schnell.
Also für "normale" Sachen ist Calciumcarbonat perfekt. Ich nehme es in Form von Gartenkalk. Aber wenn es darum geht, Bakterien zu fördern und Säuren in einer großen Zahl zu Salzen zu binden, dann braucht man das besser lösliche Hydroxid.
Wenn du Calciumcarbonat in großer Menge in eine Maische gibst, sinkt der pH trotzdem auf unter 4, aber nicht so weit, wie ohne was, und steigt dann langsam nach der Gärung wieder an.
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Die Raubrände:

Ich hab jeweils 11l gebrannt. So schnell wie möglich hab ich erstmal 3.5-4l gesammelt. Diese sind sehr mild im Geschmack, wohl da die Säuren gepuffert sind. Es wäre eigentlich eine interessante Idee, auf diese Weise mal einen richtigen Gaumenschmeichler zu machen. Also einen Bourbon, der extrem mild ist.
Dann ausgeschaltet, die Deckelisolierung weg, den Deckel mit einem Pflanzensprüher etwas nassgesprüht und so die Dampfentwicklung stark gebremst. Dann hab ich das Loch im Potstillkopf geöffnet und die Schwefelsäure eingefüllt. Rechnerisch müssten 15ml reichen, um das zugegebene Calciumcarbonat und -hydroxid zu neutralisieren. Aber ein Überschuss ist vielleicht nicht schädlich. Ich habe 25 und 40ml ausprobiert. Durch ein Loch mit so 15mm, aus dem es etwas dampft, Schwefelsäure einzufüllen, ist nicht ganz ohne. Ich hab es mit einer Glaspipette gemacht. Also die gefüllte Pipette mehrmals weit in das Loch reingetaucht und dann entleert. Da Schwefelsäure so schwer ist, tröpfelt sie leider aus der Pipette wieder raus. Man sollte also schnell sein, jeden Handgriff gut planen. Vielleicht wäre ein Glastrichter besser. Wenn Schwefelsäure mit Wasser in Kontakt kommt, zischt es auch und es entsteht Hitze.
Dann hab ich wieder aufgedreht, isoliert und einen weiteren liter gesammelt.
Interessanterweise ist dabei die Dampftemperatur deutlich angestiegen. Direkt nach der Schwefelsäurezugabe war sie auf 107°C! Am Ende des liters ist sie dann auf 101°C gesunken gewesen. Ist es das Resultat der exothermen Reaktion, wenn man Schwefelsäure in Wasser (oder Maische) schüttet? Oder sind es die hohen Siedepunkte der plötzlich freiwerdenden Säuren? Ich weiß es nicht.
Die folgende pH-Werte sind mit Teststreifen pH 1-14 gemacht, sind also recht ungenau.

1.Raubrand: Gebrannt direkt nach Ende der Gärung. Das Destillat ist extrem mild, wenig Frucht. 25ml Schwefelsäure. Backset pH3. Saures Wasser pH3.5.

2.Raubrand: 5 Tage später, die Maische roch etwas säuerlich, bisschen käsig, das Destillat hat diese typische limonige Fruchtnote, welche dann zusmmen mit Eiche sehr mild wird. Hab ich in vielen Getreidebränden. Kommt von den Lactosebakterien. Hätte ich vielleicht zur Abwechslung diesmal weglassen sollen. Egal. Insgesamt ist der erste Raubrand aber klar milder. 25ml Schwefelsäure. Backset pH3. Saures Wasser pH3.5.

3.Raubrand: Wie der zweite. Zum Vergleich aber ohne Schwefelsäure. Trotzdem den liter saures Wasser gesammelt. Backset pH4.3. Saures Wasser pH4. Der Backset und das saure Wasser sind wie erwartet weniger sauer, als ohne Schwefelsäure. Was es bedeutet, daß der Unterschied des pH-Werts zwischen Backset und saurem Wasser umgedreht ist, also das saure Wasser etwas saurer als der Backset, das klärt sich vielleicht, wenn ich mit anderen Mengen Schwefelsäure experimentiere.
Das saure Wasser dieses Laufs werde ich wegschütten. Denn theoretisch dürften da mehrheitlich eher die eher uninteressanten einfachen Säuren drinnen sein (Essigsäure, Ameisensäure, Buttersäure, Milchsäure). Die interessanteren komplexen sind durch das Calciumhydroxid als Salze im Kessel geblieben.

4.Raubrand: Inzwischen war der erste Raubrand zwölf Tage her. Die Maische riecht aromatischer, was wahrscheinlich auf den inzwischen niedrigereren pH zurückzuführen ist. Es hat vermehrt was apfelfruchtiges und aber auch was würziges. Wie Maggi vielleicht ein bisschen.
Und so war es dann auch beim Brennen. Diesmal hab ich 40ml Schwefelsäure genommen. Der Backset war dann natürlich deutlich saurer (pH2.8), das saure Wasser aber nicht (pH3.5). Messungenauigkeiten sind aber leider nicht auszuschließen. Ich glaube, 25 oder 40ml macht keinen wirklichen Unterschied vom erwünschten Aroma. Allerdings hab ich hier bemerkt, daß bei der Schwefelsäurezugabe im Kessel wohl irgendetwas verraucht. Ich hatte kurz danach bemerkt, daß aus dem Kühler minimal Rauch kam und das Destillat auch kurz ein bisschen gelblich war. Typische Anzeichen, wenn was im Kessel anbrennt. Anscheinend ist die Reaktion im Kessel so heiß, daß irgendwas kurzzeitig zu rauchen anfängt. Daß das saure Wasser am Ende etwas "würziger" riecht als mit nur 25ml Schwefelsäure, liegt wohl an dieser etwas stärkeren Rauchentwicklung. Man sollte wohl die Schwefelsäure besser etwas verdünnen.
Ich hab dieses saure Wasser trotzdem genommen. Es ist nur wenig und kein schlechtes Aroma.

5. und 6. Raubrand:
Keine neuen Erkenntnisse.

Fazit:
- Eine stark gepufferte Maische ergibt zumindest direkt nach der Gärung gebrannt ein sehr angenehmes, mildes Destillat.
- Wenn man etwas mit Schwefelsäure machen möchte, sollte man die nötige Menge aus den zugegebenen Basen berechnen. Dann aber etwas mehr nehmen, als zur Neutralisation nötig. Das 1.3 oder 1.5-fache vielleicht.
- Die Schwefelsäure verdünnen. Weiß leider noch nicht, auf wie viel.


Was mache ich nun mit dem "saueren Wasser"?
Ich möchte eine Methode von H.H. Cousins ausprobieren. Das Ziel ist, die simplen Säuren, wie Essigsäure, Buttersäure und Ameisensäure zu verdampfen und die komplexeren zu bewahren. Dafür wird wieder etwas Calciumhydroxid in das saure Wasser gegeben. Die komplexen Säuren verbinden sich damit eher als die simplen zu Salzen und sind dadurch nicht flüchtig. Dann kocht man das Wasser, theoretisch bis ein Pulver zurückbleibt. Das sind dann die Salze der komplexen Säuren. Da ich aber keine Möglichkeit habe, die Flüssigkeit soweit zu verdampfen, ohne daß sie anbrennt, reduziere ich sie "nur" so weit wie möglich.
Zu dieser eingekochten Salzlösung gebe ich dann etwas Schwefelsäure, um die Säuren wieder flüchtig zu machen und mische das in den Raubrand, wo es entweder dann als flüchtige Säure bleibt oder mit einem Alkohol einen Ester bildet (das ist das eigentliche Ziel: Viele Ester aus komplexen Säuren).
Ein zusätzlicher Vorteil: Da dieses Wasser nur noch wenig Volumen hat, verdünnt man natürlich den Raubrand auch nur wenig.
Die originale Cousins-Methode ist ein bisschen anders, da sie sich auf eine Rumdestillation mit Potstill und zwei nachgeschalteten Verstärkern (retorts) bezieht. Hier nachzulesen:
https://www.bostonapothecary.com/confid ... sins-1906/

Um vergleichen zu können, werde ich die gesammelten 20.7l Destillat und 4.8l saures Wasser in zwei gleiche Teile teilen. Der erste Mittelbrand wird ohne Cousins-Methode stattfinden. Das heißt, ich mische 10.35l Raubrand mit 2.4l saurem Wasser und brenne das als Mittelbrand.
Die anderen 2.4l saures Wasser werde ich mit der Cousins-Methode einkochen und wie auch immer dann zum restlichen Raubrand geben und den zweiten Mittelbrand machen.


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azeotrop
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Da staunt der Laie........
Ich finde das alles sehr interessant. Leider kann man ich auf diesem Niveau nur zuschauen.
Zuletzt geändert von azeotrop am 25. Jul 2019, 22:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Aber ob der Bourbon dadurch dann besser wird, steht in den Sternen. Einfach normal vergären und brennen, geht übrigens auch. :lol:
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azeotrop
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Die Geschichte mit der Temperaturerhöhung ging mir nicht aus dem Kopf.

1 Mol konzentrierte Schwefelsäure kann 2 Mol Wasser zum Verdampfen bringen. Aber soviel Säure hast du ja nicht zugegeben.
Aber, du hast die Säure ja nicht direkt in die Maische gegeben sondern in den Potstillkopf.
Zu dem Zeitpunkt war dort Wasserdampf und sicher auch feine Wassertröpchen.
Diese waren nahe am Siedepunkt und die Schwefelsäure hat denen den Temperaturkick gegeben.
Batteriesäure siedet bei ca. 110 Grad.
Hier ist eine Liste der Siedepunkte von verschiedenen Schwefelsäure Konzentrationen.
http://dingler.culture.hu-berlin.de/art ... 228mi03_27

Dann hattest du ja noch was angebranntes bemerkt. Konzentrierte Schwefelsäure oxidiert viele organische Stoffe direkt und sofort zu Kohle. Ich vermute dass im Potstillkopf kleine Mengen organische Stoffe vorhanden waren um hier Wirkung zu zeigen.

Das sind alles nur Vermutungen, aber es könnte was dran sein. Möglicherweise wäre es besser mit auf 20% verdünnter Schwefelsäure zu arbeiten und diese auf einem direkteren Weg zum Wasser der Maische zu bringen.
Was meinst du?
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Davon stimmt sicher vieles. Ich hab auch noch ein Indiz: Den ersten Versuch hab ich nämlich mit einer Pipette aus PP gemacht. Diese ist zwar eigentlich sowohl für Schwefelsäure als auch für 100°C geeignet, aber ziemlich am Ende der 25ml hat sie schlappgemacht, ist plötzlich etwas zusammengeschmolzen. Es müssen also kurzzeitig sehr hohe Temperaturen dagewesen sein.

Das erklärt aber nicht, daß die Temperatur so lange so oben bleibt. Sie ist grob geschätzt während einer halben Stunde von 107 auf 101°C gefallen, und zwar absolut kontinuierlich. Bei einer Verbrennung oder so, müsste sie schneller fallen, denke ich.

Ich hab die Pipette immer recht weit reingehalten in die Destille. Der Edelstahldeckel zeigt um den Potstillkopf leichte Verfärbungen/Verzunderungen, welche sich aber entfernen lassen.

Ich denke, daß ein Verdünnen der Schwefelsäure das Problem löst. Wieviel Verdünnen ist die Frage.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Die halbe Stunde ist echt rätselhaft. Kann es sein dass eine exotherme Reaktion direkt auf de Thermometer stattgefunden hat? Die Menge Schwefelsäure war sicher zu gering um den Siedepunkt größerer Wassermengen anzuheben.
Ich habe viel gegoogelt und kein Beispiel von jemand gefunden das sowas wie du schon gemacht hat. :study: :thinking: :dontknow:
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Das Thermometer ist zumindest blitzeblank geblieben.

Vielleicht sind es ja doch die flüchtigen Säuren mit hohem Siedepunkt. Wenn ich meinen nächsten Rum raubrenne und es dann mit größeren Mengen an flüchtigen Säuren zu tun habe, müsste dieser Effekt dann stärker sein. Also die Temperatur auf zB 112°C steigen. Und wenn der Effekt kleiner ist, da ich ja das nächste mal die Schwefelsäure verdünnen werde, ist es wahrscheinlich das Verbrennen gewesen. Mal schaun.

Ja, es scheint eine neue Idee zu sein, Schwefelsäure spät dazuzugeben.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Es könnte natürlich sein dass du mit dem Wurf einer Handgranate in die kochende Maische, durch den Energieeintrag, Säuren in den Dampf gebracht hast die bei dieser Alkoholkonzentration gar nicht an der Reihe wären.

Was in dieser Zeit mit der Dampftemperatur geschieht ist eine Frage für hellere Geister als ich es bin.

Ich finde es aber extrem spannend.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Der Alkoholgehalt war schon bei 0. Ich hatte (luftdruckkorrigiert) so 100.1°C. Die Schwefelsäure befreit jedenfalls sehr schnell die Säuren, die vorher ja als Salze da waren. Und die wären größtenteils ja schon längst pöapö verdampft (und hätten den Siedepunkt dabei nur unmerklich angehoben), wenn ich sie nicht mit Calciumhydroxid so lange im Kessel eingesperrt hätte. Dann kommen sie plötzlich alle frei... Dadurch hab ich dann 107°C. Und dann werden sie binnen 30min abdestilliert. Plausibel klingt es schon.

Edit: Was übrigens massiv unter der hohen Temperatur leidet, ist meine Isomatte, welche ich als Kesselisolierung nutze. Ein Indiz dafür, daß es im Kessel wirklich ein paar Grad heißer ist.

Edit2: Vielleicht sollte ich mal Wasser destillieren und dann genauso die Schwefelsäure dazugeben. Irgendwelche Säuren mit hohen Siedepunkten sind da ja dann nicht dabei.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Ich denke du bist ganz nahe an der Erklärung.
Du hast schlagartig die Zusammensetzung der Maische geändert indem die Salze wieder in Säuren zurückverwandelt wurden. Durch die veränderte Isomatte hast du ja einen Beweis dass die Kesseltemperatur wirklich heiss war.

Es wird nun spannend was die zusätzlich transportierten flüchtigen Säuren mit den Alkoholen im Destillat anstellen.
Aber da wirst du auf die Zeit setzen müssen, oder?
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 27. Jul 2019, 22:52 Durch die veränderte Isomatte hast du ja einen Beweis dass die Kesseltemperatur wirklich heiss war. Es ist nicht so, daß sie sonst nicht gelitten hat... also bei normalen Temperaturen. Aber ich bin mir sicher, daß es nun mehr war. Die klebt dann so ein bisschen am Kessel. Ich sollte mir da endlich mal was neues besorgen.

Es wird nun spannend was die zusätzlich transportierten flüchtigen Säuren mit den Alkoholen im Destillat anstellen.
Aber da wirst du auf die Zeit setzen müssen, oder? Das weitere Brennen verbindet die Säuren und Alkoholen zu Ester und trennt viele Säuren ab. Je mehr Säuren im Kessel desto mehr Ester aber auch Säuren im Destillat. Und die Zeit stellt meines Wissens dann ein Equilibrium her, also ein bestimmtes Verhältnis Säuren : Ester. ZB wenn man Schnaps verdünnt, werden viele Ester wieder gespalten. Die Zeit korrigiert das dann wieder. Ich hab von 6-12 Monaten gelesen. Das ist das Schwere an dem Hobby. Die Zeit. In diesem Fall duldet man ein etwas saures Destillat, weil man sich davon nach einer Zeit mehr Ester verspricht. Und je saurer das Destillat, desto ungeniesbarer ist das Destillat zwar am Anfang, aber desto schneller passiert diese Reaktion. Einer der Gründe übrigens für die Sherryfasslagerung, welche dem Destillat Säuren zufügt, welche also die Reaktion beschleunigen. Und Sherry (also speziell auch die Säuren vom Sherry) selber scheckt ja gar nicht unangenehm... Und die Zeit verknüpft auch die Ester. "long chain ester" ist ein Suchbegriff dafür. Ich denke, dadurch steigt unter anderem auch der Unterschied der Wahrnehmungsschwelle. Also Ester sind ja allgemein aromastärker als Säuren. Aber je größer dieser Unterschied, desto stärker das Esteraroma im Vergleich zu den Säuren.
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Die beiden Mittelbrände:

1. Mittelbrand:
Einfach eine Hälfte des Raubrands zu einer Hälfte des sauren Wassers gegeben und destilliert. Aus 12.75l hab ich 6.55L Destillat geholt. Also den ganzen Alkohol. Das Ergebnis ist gut, aber ich weiß nicht, ob es so anders ist als normal ohne Puffern und dann am Ende des Raubrands mit Hilfe von Schwefelsäure die Säuren abzudestillieren. Schwer zu beurteilen, wie es dann beim Feinbrand sein wird. Ob das dann sehr fruchtig oder sauer wird zB. Jedenfalls ist es ganz klar ein Bourbon. Es scheint also gelungen zu sein, die typischen Charakteristika dafür ins Destillat zu bringen. Die pH-Behandlung hat also keine zerstörende Wirkung gehabt. Was sie wahrscheinlich gehabt hätte, wenn ich die Schwefelsäure nicht erst ganz am Schluß zugegeben hätte, sondern direkt vor dem Brennen. Also es ist ein typischer Bourbon und er hat Säure. Genau das, was ich wollte.

2. Mittelbrand:
Hier geht es jetzt darum, die Cousins-Methode auszuprobieren. Dafür muss der pH des sauren Wassers (zur Zeit pH 3.5) ersteinmal mit Calciumhydroxid (Ch) gehoben werden. Da dieses Destillat keinen Puffer hat, war mir klar, sehr kleine Mengen Ch müssten reichen. Cousins empfiehlt so viel zuzugeben, bis der pH-Indikator Phenolphthalein von farblos auf lila umschlägt. Das ist bei pH 8.2 der Fall. Mir kommt es zu hoch vor. Die Säuren sollen ja teilweise noch flüchtig sein. Also die einfachen, uninteressanteren Säuren, wie Essigsäure sollen verdampft werden, die komplexen, welche nur in ganz kleinen Mengen vorhanden sind, behalten werden. Jedenfalls hab ich zu den 2.4l saures Wasser 1g Ch gegeben. Und schwupps, der pH war bei 12.5... Knapp daneben... Mit 0.5ml Schwefelsäure (Ss) war er dann auf 4.5... Auch knapp daneben... Mit weiteren 0.5g Ch auf 7.5. Na, das ist ja gar nicht schlecht. Eine Messerspitze Ch hab ich dann noch dazugegeben, jetzt bin ich so bei pH 8. Das nächste mal werde ich gleich nur mit Messerspitzen beginnen. Das Gute ist, die Ss kristallisiert mit dem Ch zu Gips. Es schweben dann weiße Gipsflocken in dem Wasser, die sich absetzen und welche sich zB auch mit einem Tee-Papierfilter gut abfiltern lassen.

Ich hab also dann die 2.4l mit pH 8 durch einen Teefilter und noch einen Kaffefilter in einen Kochtopf gegossen. Einen mit Teflonbeschichtung, damit sich beim Verdampfen eventuell bildende Salzränder nicht festbeißen. Genau auf diese Salze kommt es ja an. Die komplexen Säuren sollen sich mit dem Ch zu Salzen verbinden und diese dann dem Raubrand beigegeben werden und dann mit Ss wieder aufgespalten werden.
Aber ersteinmal müssen die einfachen Säuren verdampfen. Also hab ich den Kochtopf ganz schwach beheizt und nach ein paar Stunden waren nur noch so 80ml da. Anfangs roch es nach Backset und Apfelmuß, später ist der Geruch immer weniger geworden. Die Ränder ließen sich halbwegs gut abreiben und haben sich aber nicht wieder aufgelöst. Daher hab ich den Topf nochmal mit Osmosewasser ausgeschwenkt. Nun hab ich 150ml gelbe, trübe Flüssigkeit mit Flocken, nur schwacher Geruch, pH 6.3. Niedriger als 7. Da befürchte ich, ist manches Gute verdampft.
Nun hab ich dieses Konzentrat getestet. Drei Gläser mit:
-30ml Raubrand
-30ml Raubrand + 1 Tropfen Ss
-30ml Raubrand mit 1ml Konzentrat und 1 Tropfen Ss
Ganz klar steckt in dem Konzentrat viel und gutes Aroma drinnen. Der Unterschied an Frucht bzw Flüchtigem allgemein ist sehr stark. Aber 1/30 ist eine viel höhere Konzentration, als ich es dann beim Brennen haben werde, etwa 1/70. Es scheint sich abzuzeichnen, daß ich beim Raubrand hätte früher abtrennen müssen und dafür mehr saures Wasser hätte sammeln sollen.
Nun hab ich das Konzentrat in den Raubrand gekippt. Hatte pH 4.8. Etwas zu hoch, meiner Meinung nach. 0.5ml Ss (verdünnt zugegeben) ergab pH 4.3, nochmal 0.5ml pH 4.0. Das ist alles natürlich sehr beliebig. Je mehr Säure ich dazugebe, desto flüchtiger werden die Säuren und desto saurer wird das Destillat. Die Vergleichbarkeit mit dem ersten Mittelbrand wird also schwierig. Ganz ohne Ss hat es aber keinen Sinn, denn ich muss ja zumindest den zugegebenen Puffer entfernen oder neutralisieren. Vielleicht hätte ich die Ss besser zuerst zum Konzentrat geben sollen und dort einen ähnlichen pH anstreben sollen, wie beim sauren Wasser vor der Behandlung. Der Puffer (Gips) wäre ausgefallen. Und die vorher unlöslichen Salze gelöst und gespalten. Ich denke, so wäre es besser gewesen. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr ärgere ich mich. Es ist ja nicht nur logisch, sondern so steht es ja auch bei Cousins...

Ich hab aus den so 10.5l dann 6l rausdestilliert.


Vergleich Mittelbrand 1 gegen Mittelbrand 2:
Mb 1 ist sehr sauer im Abgang, braucht also unbedingt noch eine weitere Destillation. Mb 2 ist eigentlich schon fast trinkbar. Vor allem ist er viel milder, weniger sauer als Mb 1. Aber auch einige Fehltöne scheinen nicht dabei zu sein. Er hat auch viel Frucht, aber doch weniger als Mb 1. Das Eindampfen des sauren Wassers scheint mehrheitlich schlechte Sachen wegzudampfen. Aber natürlich wird das Aroma auch insgesamt weniger.
Ich bin ziemlich überzeugt, daß sich das Eindampfen lohnt. Aber man muss doch einfach etwas mehr dieses saueren Wassers produzieren, damit man am Ende was davon hat.
Weil Mb 2 so mild ist und weil ja auch der Alkoholgehalt im Kessel etwas höher ist, könnte man überlegen, dann wieder auf Zweifachbrennen umzusteigen. Also beim Raubrand früher mit dem sauren Wasser beginnen, daß man dann einen Raubrand mit so 35-40vol% hat. Durch die Zugabe des Konzentrats wird das dann nicht wirklich weniger. Und dann gleich den Feinbrand.


Fortsetzung folgt...
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derwo
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von derwo »

Der Feinbrand

Hier hab ich nichts besonderes gemacht. Es gibt also auch nicht viel zu berichten.
Kesselinhalt: 12.55l. Schätzungsweise waren es 52.5%.
Vorlauf: Das erste von 4 Gläschen a 25ml kam weg. Das zweite Gläschen war zwar noch ziemlich übel. Aber die Zeit soll das richten.
Mittelauf: Bei 85.8°C, ca 75vol% abgetrennt. Das klingt jetzt sehr früh. Aber der Alkoholgehalt im Kessel war halt auch sehr hoch. Es sind auf 62.5% verdünnt so 7l oder etwas mehr. Also mindestens 2/3 des Alkohols sind im Mittellauf. Ein hoher Alkoholgehalt im Kessel sorgt dafür, daß man bei hohen % abtrennt, aber trotzdem eine hohe Ausbeute hat.
Nachlauf: Hab ich so 3.5l bis 99.5°C gesammelt.

Ich hab das jetzt in einem 10l-Glasballon auf 350g selber getoasteten und verkohlten Sticks aus einem Fass von Jack Daniels liegen. Recht viel Holz diesmal.

Wird auf jeden Fall gut und auch recht schnell gut.
Das Ziel war, ein paar Sachen auszuprobieren und dabei nichts kaputtzumachen. Das ist auf jeden Fall gelungen. Und daß ich irgendwann wieder ausgelaugte Sticks für Malt Whisky haben werde.



PS:
Die komische Sache mit der extrem hohen Dampftemperatur nach der Schwefelsäurezugabe hat sich bei einem Rum-Raubrand jetzt erledigt. Ich hab diesmal die Säure so auf 6.5% verdünnt und mit einem Trichter in die Destille gefüllt. Die Dampftemperatur hat keine Reaktion auf die Säure gezeigt. Überhaupt war es so viel einfacher. Ein Edestahltrichter, so 10cm Durchmesser, unten hab ich noch ein dünnes Kupferrohr reingesteckt (etwas krumm, damit es festklemmt), damit die Säurelösung möglichst gezielt in die Maische kommt.
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azeotrop
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Re: Mein Bourbon 2019

Beitrag von azeotrop »

Für mich ist das trotzdem interessant. Ich habe noch nie 3-fach gebrannt und bin froh das ich Anhaltspunkte für die Nachlaufabtrennung habe.

Gut dass du das mit der Schwefelsäurezugabe beim Mittelbrand im Griff hast. Ich möchte das bei meinem Rum ausprobieren und hatte etwas die Hosen voll.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)