Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

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geHeimBrenner
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Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von geHeimBrenner »

Mahlzeit allerseits!
Ich habe heute mal einen ersten Brennversuch mit meiner Destille unternommen.
Beim Gerät handelt es sich um eine 2-Liter-Anlage in Alembik-Bauform. Eigentlich nutze ich die Destille ja nur für ätherische Öle weil in der Größenordnung beim Schnapsbrennen wahrscheinlich sowieso nichts zu machen ist.
Als Einstiegsübung habe ich aber heute einmal zwei Liter Vodka durchlaufen lassen um zu sehen, wie das Ganze funktioniert.
Es ist ja häufig zu lesen, dass man nicht zu schnell brennen soll um sauber abtrennen zu können und keine unerwünschten Stoffe zu verschleppen. Soweit verständlich und klar. Deshalb wurde auch nur GANZ vorsichtig geheizt (Stufe 2 auf einem 9-stufigen Kochfeld) und so auch durchdestilliert.
Das Ergebnis waren etwa 600-700ml - genaue Menge noch nicht bekannt, ich habe für diesen Versuch mit 60 16ml-Reagänzgläsern als Auffangbehälter gearbeitet, die unterschiedlich voll wurden - an "Feinbrand". Gebrannt wurde über einen Zeitraum von etwa 3 - 3,5 Stunden, davon etwa eine Stunde Aufheizzeit und danach bei einer Tropfrate von etwa 5ml pro Minute.

Und hier kam dann schließlich die Frage auf, ob es neben einem "zu schnell" auch ein entsprechendes "zu langsam" gibt? Existieren hier Erfahrungswerte oder Links zu entsprechender Literatur, ob bei der Brenngeschwindigkeit auch eine Untergrenze existiert? Hat sehr langsames Brennen gravierende Nachteile, die beachtet werden müssen?

Mir ist klar, dass Vodka für den Versuch nicht ganz so glücklich gewählt war, weil der ja an sich schon sehr neutral ist und bei den einzelnen Fraktionen hier nichts zu unterscheiden ist. Vielleicht kann mir ja auch jemand einen Tipp geben, mit welchem Schnaps hier sinnvoll experimentiert werden kann.

Vielleicht weiß ja jemand weiter und kann mir da ein wenig zu den Hintergründen näherbringen. Danke!
Catweazle
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Re: Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von Catweazle »

Hallo geHeimBrenner,

Sobald du gekauften Schnaps nochmals destillierst, brauchst du auf keinen Vorlauf mehr zu achten. Das haben andere bereits für dich erledigt. Du wirst bei rechtzeitiger Abtrennung des mittellaufes evtl einige noch vorhandene fuselalkohole im Kessel halten können. Die Geschwindigkeit und damit die Temperatur am Boden deines Kessels ist wichtig, wenn es um Aromen geht, oder darum, das dir deine Maische (fruchtmaische) nicht anbrennt.
Hier im Forum ist schon sehr viel sehr schön beschrieben worden. Setz dir eine zuckermaische an und destilliere die. Rezept dazu, alles über vor-, Mittel- und nachlauf findest du hier im Forum. Mit deinem gebrannten Wodka kannst du auch schon einen Geist destillieren und und und.... und immer wichtig!!!!!!! Fleißig hier im Forum lesen!👍
Viel soaß wünsche ich dir noch
Es ist ein Brauch von alters her:
Wer Sorgen hat, hat auch Likör.

Quelle: Wilhelm Busch, Bildergeschichten. Die fromme Helene,1872
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azeotrop
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Re: Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von azeotrop »

geHeimBrenner

Ich glaube nicht dass man zu langsam brennen kann. Es hat keinerlei Nachteile außer Zeitbedarf und evtl. Energiebedarf.
Bei einer Potstill bringt übertrieben langsames brennen aber keinen Vorteil mehr gegenüber "normal" langsam zu brennen.

Zum üben kann ich dir billigen Tetrapak-Weisswein empfehlen.
Da gibt es auch keinen Vorlauf, aber Nachlauf kannst du schön abtrennen.
Eine Warnung: Nicht erschrecken wenn das Destillat stechend riecht. Das ist der Schwefel aus dem Wein.
Den kannst du einfach mit dem Quirl rausrühren.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
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derwo
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Re: Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von derwo »

Meist wird mit Kleinanlagen viel zu schnell gebrannt. Man denkt, bei so wenig Schnaps muss die Sache doch in einer Stunde durch sein. Leider ist es eigentlich sogar so, daß man langsamer brennen müsste als mit einer großen Anlage. ZB erleichtert die Destillation mit einer Kleinanlage das Hinüberschleppen von Kleinpartikeln. Das Kochen ist ja ein recht heftiger Vorgang, Gasblasen sprudeln nach oben und platzen. Das Platzen schleudert Partikel in die Luft, welche dann von dem Dampfstrom ins Destillat gerissen werden können. Bei einer 100 mal so kleinen Anlage sind die platzenden Gasblasen nicht 100 mal so klein und die geschleuderten Partikel kommen auch nicht nur 1/100 so weit.

Du machst sicher nichts falsch mit dieser langsamen Brennweise. Ob es immer nötig ist, so langsam zu brennen, ist die andere Frage. Auch bei Raubränden? Auch beim Nachlauf? Auch bei packungsgefülltem Steigrohr?

Ich finde, du solltest einfach mal Zuckerwasser vergären. Mein Rezept ist hier:
viewtopic.php?f=22&t=34
Edit: Oder kauf die ein Päckchen alcotec vodka star oder einen ähnlichen Turbo mit 6kg Zucker für 25l Maische. Keinen für 8kg pro 25l.

Ob du bei gekauftem Schnaps auf Vorlauf achten musst, hängt davon ab, was für ein Schnaps es ist und was für einen Schnaps du draus machen willst. Also ob der Schnaps Vorlauf hat und welches Aroma du willst.

Wein am Anfang zu Destillieren, davon rate ich eher ab. Denn der Lerneffekt wird durch den Schwefel zerstört. Du quirlst das dann raus und wirst gleichzeitig den Vorlauf rausquirlen. Du wirst danach weder genau wissen, was Schwefel und was Vorlauf ist und fängst beim nächsten Projekt wieder bei null an.
geHeimBrenner
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Re: Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von geHeimBrenner »

Danke für die Antworten!
Dass beim gekauften Vodka nicht viel zum Abtrennen übrigbleibt war mir klar, es ging in erster Linie auch nur mal darum, die Anlage kennenzulernen. Bei der Öldestillation wird ja immer mit voller Leistung geheizt, da will man ja möglichst viele unlösliche Stoffe mitreißen. Schnaps ist da schon eine andere Kategorie.

Beruhigend zu lesen, dass das langsame Brennen keine wirklichen Nachteile bringt, dann werde ich das in Zukunft auch so beibehalten. Eventuell mal auf Stufe 3 hochdrehen und versuchen, den Durchlauf in 2,5 Stunden durchzubekommen. Gilt natürlich nur für den Feinbrand, bei einem Raubrand wird etwas mehr geheizt - soviel habe ich schon nachgelesen :-)

Eventuell ergibt sich in Kürze die Möglichkeit, auch eine Fruchtmaische zu brennen. Immer vorteilhaft wenn man Kontakte in Ungarn hat und dort auch mal üben kann. Vielleicht lassen sich da dann durch das Fruchtaroma auch erste Abtrenn-Übungen mit einbauen.
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BenDunker
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Re: Erste Schritte oder: wie langsam ist zu langsam?

Beitrag von BenDunker »

Eben, das wollte ich gerade dazu beitragen. Es kommt immer darauf an was du brennen willst.
In deinem Falle den Vodka oder einen Neutralen Alkohol aus einer Zuckermaische ist es sehr richtig was hier jeder schreibt, generell langsam ist besser und gibt ein reineres Produkt.
Allerdings habe ich am Anfang lange den Fehler gemacht auch die Raubrände meine Fruchtmaischen sowie die Geistbrände viel zu zaghaft zu brennen, dabei sind regelmässig nahezu alle Aromen im Kessel geblieben und ich dachte ich bin blöd. Im Grunde habe ich einen sehr guten und geduldigen Job gemacht, aus einer wundervollen Fruchtmaische einen möglichst neutralen Alkohol zu bekommen. In diesem Falle kann also ein zu vorsichtiges Erhitzen ein große Enttäuschung bringen.
Mit meinem Set-up muss ich zwar andere Maßnahmen ergreifen, dass nichts am Kesselboden anbrennt, aber dann kann ich eben auch auf voller Hitze brennen und möglichst viel Aroma ins Destillat rüber zu holen. Der Feinbrand kann dann wieder etwas ruhiger gefahren werden, aber auch hier habe ich durch eben meine persönliche Erfahrung mit den vielen Fehlbränden eher einen Hang zum höheren brennen (ca. 70-80% meiner Heizleistung). Das eventuelle Risiko des größeren Verschmieren der Fraktionen nehme ich dabei bewusst eher in Kauf als ein zu schwaches Aroma. Ich trenne lieber mehr ab und habe am Ende einen kleinere Ausbeute, die dafür aber sehr Aromareich.

Aber wie gesagt, dass ist nur meine Weise zur Zeit und ich bin sicher andere Brenner bekommen ganz wunderbare Brände mit viel geringeren Temperaturen hin.
Die Bitterkeit der schlechten Qualität bleibt lange nach dem Vergessen der Süße des niedrigen Preises bestehen.
- Benjamin Franklin