Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Selbstbau und Kauf von Destillen. Diskussionen über Bauweisen und Materialien
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derwo
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Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

Was bringt die Länge und was bringt der Durchmesser einer packungsgefüllten Refluxkolonne?


Kolonnenlänge:

Je länger die Kolonne, desto mehr theoretische Platten sind übereinandergestapelt, bzw desto mehr theoretische Destillationen finden statt. Wenn eine 50cm-lange Kolonne 10 Platten hat, hat eine gleiche, 1m lange 20 Platten. Ohne daß man mehr Energie reinsteckt!

Wieviele Platten diese 50cm genau haben, hängt von der Effizienz des Packungsmaterials ab. Diese wird in HETP (Height Equivalent to a Theoretical Plate) ausgedrückt. HETP bezeichnet, wie viel Packungshöhe einer theoretische Platte entspricht. ZB 5 Platten bedeutet, daß man bei 100% Reflux dieselben % erreicht, wie mit 5 Potstill-Destillationen. Je kleiner der HETP-Wert, desto effizienter die Packung also, da die Kolonne dann für dieselbe Plattenanzahl kürzer sein darf oder dieselbe Kolonnenlänge mehr Platten hat. ZB das Packungsmaterial SPP (Spiral Prismatic Packing) hat angeblich 3cm HETP. Wie immer sind Herstellerangaben aber mit Vorsicht zu genießen. Und selbst wenn diese 3cm stimmen, dann gelten sie aber nur unter perfekten Bedingungen, also dem für dieses Packungmaterial optimalen Kolonnendurchmesser und die dafür optimale Heizleistung.
Hier ein paar HETP-Werte von anderen Packungsmaterialien als SPP:
http://homedistiller.org/theory/refluxdesign/hetp
Diese Werte werden aber immer mal wieder diskutiert. Mancher findet zB, daß Murmeln einen besseren Wert haben würden. Und ob die Werte von SPP wirklich um so ein Vielfaches besser sind, wer weiß. Ich bin jedenfalls zufrieden damit und meine auch eine klare Verbesserung zu Edelstahlschrubbern bemerkt zu haben.
Wie auch immer, eine 1m lange Kolonne mit SPP hätte also 100cm : 3cm = 33 Platten.
Diese Platten sind aber nur bei 100% Reflux vollständig aktiv. Sobald man Produkt abzieht, verliert man Platten. Bei einem Reflux Ratio von 1:1, wenn also die Hälfte des Dampfes in die Kolonne zurückgeleitet wird und die andere Hälfte abgezogen wird, hat man nur noch halb so viele theoretische Platten, also 16.5. Man brennt also etwa doppelt so lange, wie mit einer Potstill, bekommt aber 16.5 Destillationen.
Wenn man nur 50cm Kolonne hat, bekommt man 16.5 Platten, aber nur so lange man kein Produkt abzieht. Wenn man also ein ähnlich sauberes Destillat wie mit 1m-Kolonne haben will, darf man nur geringste Mengen Produkt abziehen, muss den meisten Dampf also zurückschicken. Ein Reflux ratio von zB 1:10 bedeutet dann, man verliert 1/10 der Platten, hat also noch ca. 15 Platten und die Destillation dauert 5 mal so lange und kostet 5 mal so viel Energie!

Also was bringt eine längere Kolonne?
Einen saubereren Alkohol, kürzere Destillationdauer und weniger Energiekosten.


Kolonnendurchmesser:

Für 52mm (54mm- oder 2"-Rohr) Kolonneninnendurchmesser ist für SPP 2-2.5kW eine passende Leistung (laut Herstellern und den Erfahrungen vieler Hobbybrenner). Dann ist der HETP-Wert am kleinsten. Theoretisch muss das Packungsmaterial für jeden Durchmesser etwas anders sein, gröber oder feiner, um einen möglichst kleinen HETP-Wert zu erreichen. In der Praxis ist halt nicht alles erhältlich, was man sich so wünscht. Nicht so schlimm.
Doppelter Durchmesser verlangt/erlaubt 4fache Leistung, da sich die Querschnittsfläche vervierfacht. Also 104mm erlaubt satte 8-10kW. Halber Durchmesser verlangt 1/4 der Leistung. Also 26mm erlaubt nur lächerliche 500-625W. Deswegen sind Kolonnen aus 28mm-Rohr grundsätzlich nicht empfehlenswert, da 1/4 der Leistung bedeutet, daß eine vergleichbare Destillation 4 mal so lange dauert.
Bei zB Edelstahl- oder Kupferschrubbern hängt es sehr davon ab, wie stark sie in der Kolonne zusammengedrückt werden, welche Leistung optimal ist. Aber meist ist es doch ähnlich zu SPP.
Der Kolonnendurchmesser und die Heizleistung sollten also zusammenpassen. Je größer der Durchmesser, desto mehr Leistung kann und soll man einsetzen. Mehr Leistung bedeutet, mit dem Brennen schneller voranzukommen.
Eine zu hohe Leistung bewirkt ein Fluten der Kolonne, dh anstelle daß der Dampf aufwärts geht und das Kondensat herunter, wird (noch zu unsauberes) Kondensat aus dem unteren Bereich der Kolonne ohne weitere Reinigung vom Dampf nach oben gepresst, die Prozente und die Reinheit sinken. Im schlimmsten Fall sprudelt schwallweise unsauberes Destillat am Refluxkühler vorbei. Bei einer CM geht das dann in den Produktkühler, bei einer LM spritzt es oben aus der Öffnung über dem Refluxkühler.
Eine zu niedrige Leistung bedeutet (neben Zeitverlust) einen schlechteren/größeren HETP-Wert. Man kommt also nicht auf ganz so hohe %.

Also was bringt ein größerer Kolonnendurchmesser?
Die Möglichkeit (bzw Pflicht), mehr Heizleistung einzusetzen. Doppelte Heizleistung -> halb so lange Destillationsdauer.
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Kareltje
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von Kareltje »

Interessant und sehr deutlich.
Gibt mir einiges zum überwiegen. :mrgreen:
Catweazle
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von Catweazle »

Puuuh... schwere Lektüre...
Mal schauen ob ich alles verstanden habe:
Die Anzahl, bzw. Höhe eines Bodens legt das packungaterial fest.
Die refluxratio beschreibt, wieviel als dampf(Wasser) in den Kessel und als Produkt (Alkohol) im aufgangbehälter landet.
Das hier habe ich nicht verstanden

Ein Reflux ratio von zB 1:10 bedeutet dann, man verliert 1/10 der Platten, hat also noch ca. 15 Platten und die Destillation dauert 5 mal so lange und kostet 5 mal so viel Energie!

Warum ist das so?

Die ideale Leistung, um die Kolonne nicht zu fluten bekomme ich am ehesten durch einen Reinigungsbrand heraus.
Die Temperatur, also die Leistung wird über dem gesamten brennzeitraum gleich bleiben oder?

Das hier habe ich als packungsmaterial auserkoren:

https://rover.ebay.com/rover/0/0/0?mpre ... 2936101961

Kann ich die refluxratio beeinflussen?

Ich habe mich für eine kolonnenlänge von 75 cm entschieden. Allerdings habe ich unterschätzt, wieviele Reinigerpads reinpassen.
Wenn ich weniger Pads reinpacke habe ich nur weniger Böden oder?
Dateianhänge
D81711CE-6F22-4210-9E90-D3C19FFAF18B.jpeg
Es ist ein Brauch von alters her:
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Quelle: Wilhelm Busch, Bildergeschichten. Die fromme Helene,1872
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derwo
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

Catweazle hat geschrieben: 21. Dez 2018, 20:39Die Anzahl, bzw. Höhe eines Bodens legt das packungaterial fest. Das Packungsmaterial bestimmt die Höhe der einzelnen theoretischen Böden (HETP), je kleiner, desto mehr Böden hat eine Kolonne pro Kolonnenlänge.
Die refluxratio beschreibt, wieviel als dampf(Wasser) in den Kessel und als Produkt (Alkohol) im aufgangbehälter landet. Der RR beschreibt, wie viel vom Dampf zum Produktkühler kommt und wie viel vom Dampf kondensiert in die Kolonne zurückfließt. Also wenn deine Destille in einer Zeitspanne sagen wir mal 10l Dampf produziert, und davon 9l kondensieren und in die Kolonne zurückfließen, hast du einen RR von 1:9. 1l wird Produkt, 9l werden weiter destilliert.
Ein Reflux ratio von zB 1:10 bedeutet dann, man verliert 1/10 der Platten, hat also noch ca. 15 Platten Wenn man 16.7 Platten hatte und man 1:10 verliert, hat man ca 15 Platten übrig. Man verliert sie, wenn man 1/10 des Dampfes als Destillat entnimmt.
und die Destillation dauert 5 mal so lange und kostet 5 mal so viel Energie! Wenn du Dampf mit Kühlwasser kondensierst und ihne wieder verdampfen möchtest, kostet das Energie. Je öfter du das machst, desto mehr Energie. Bei einem RR von zB 1:9 machst du das fünf mal so oft, wie bei einem RR von 1:1, brauchst also fünf mal so viel Energie. Wie stark der Alkohol dabei wird, drüber entscheidet die Anzahl der übrigen Böden.

Die ideale Leistung, um die Kolonne nicht zu fluten bekomme ich am ehesten durch einen Reinigungsbrand heraus. Wenn du zur Reinigung Essig destillierst, kann das Flutungsverhalten aber durchaus anders sein wie bei Alkohol.
Die Temperatur, also die Leistung wird über dem gesamten brennzeitraum gleich bleiben oder? Nicht unbedingt. Aber ja, viele destillieren die ganze Zeit mit der gleichen Leistung bei einer Refluxdestille.

Kann ich die refluxratio beeinflussen?
Mit dem Kühlwassermenge bei einer CM, mit dem Nadelventil bei einer LM oder mit dem Kugel- oder Absperrventil bei einer VM oder mit der Kühlerposition bei einer CCVM.
Ich habe mich für eine kolonnenlänge von 75 cm entschieden. Allerdings habe ich unterschätzt, wieviele Reinigerpads reinpassen.
Wenn ich weniger Pads reinpacke habe ich nur weniger Böden oder? Genau. Wenn du statt 75cm nur 50cm Pacung hast, hast du nur 2/3 der möglichen Böden.
Catweazle
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von Catweazle »

danke für die Antwort derwo. Langsam wirds klarer :-)
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hefezelle
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von hefezelle »

derwo hat geschrieben: 22. Dez 2018, 10:39 Ein Reflux ratio von zB 1:10 bedeutet dann, man verliert 1/10 der Platten, hat also noch ca. 15 Platten
Moment, dieser Zusammenhang funtioniert aber nicht uneingeschränkt, oder? Weil für 100% abgezogenes Produkt verliere ich ja nicht 100% meiner theoretischen Böden, sondern je nach dem wie viel Energie man in den Kessel pumpt hat man dann irgendwo zwischen 1 und 15 Platten, in dem Beispiel. Ich würde eher vermuten, dass die Reflux Ratio angibt, wo man sich befindet zwischen der maximal möglichen Anzahl an Platten (die man bei 100% Reflux erreicht) und der minimalen Anzahl, die die Kolonne bei vollem Durchzug immer noch hergibt bei der gerade zugeführten, als konstant angeommenen Heizleistung. Stelle ich mir das richtig vor?

[EDIT: irgendwo zwischen 1 und 16,5 Platten meine ich oben]
Zuletzt geändert von hefezelle am 22. Dez 2018, 19:04, insgesamt 1-mal geändert.
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azeotrop
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von azeotrop »

hefezelle

Ich hatte es so verstanden dass ein Boden keine technische Funktion mehr haben kann, wenn kein Rückfluss über ihn läuft. Das ist bei Glockenböden anschaulich und sollte bei theoretischen Böden nicht anders sein. Auch bei der Anwendung des McCabe-Thiele Diagramms läuft die Stufenzahl gegen eins wenn nichts zurückfließt.
Hoffentlich liege ich nicht daneben.
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hefezelle
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von hefezelle »

azeotrop hat geschrieben: 22. Dez 2018, 17:42 Ich hatte es so verstanden dass ein Boden keine technische Funktion mehr haben kann, wenn kein Rückfluss über ihn läuft.
Ah ja, ich glaub ich weiß was mein Denkfehler war. Überall, wo Flüssigkeit und Dampf in Kontakt sind, wird Wasser in der Flüssigkeit und Alkohol im Dampf angereichert. Aber ohne Reflux ist irgendwann die Konzentration von Alkohol in der Flüssigkeit so gering, dass keine Anreicherung im Dampf mehr stattfinden kann. Dieser Gleichgewichtszustand wandert dann die Kolonne hoch, bis sie irgendwann überhaupt keine Trennwirkung mehr hat. Alle Flüssigkeit in der Kolonne hat dann die Konzentration, die auch im Kessel ist. Hab ich jetzt die richtige Vorstellung?
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derwo
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

hefezelle, du hast es noch nicht ganz verstanden, glaube ich.
Mit 100% als Produkt verliert man alle Böden. Bzw der erste bleibt natürlich schon, es wird ja trotzdem einmal destilliert. Eine Kolonnendestille ohne Reflux ist also eine Potstill. Zumindest sobald die Kolonne aufgeheizt ist und wenn sie halbwegs isoliert ist, kann man keine große vol%-Erhöhung erwarten ohne aktiven Reflux. Die Kolonne wird in diesem Fall auch keine Flüssigkeit enthalten, sondern nur Dampf. In der Kolonne finden also keine weiteren Destillationen statt.
Wenn es Reflux gibt, gibt es auch Flüssigkeit in der Kolonne. Die vol% steigen dann kontinuierlich vom unteren Ende bis zum oberen Ende an. Bzw die Temperatur in der Kolonne sinkt von unten nach oben.
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von hefezelle »

derwo hat geschrieben: 6. Nov 2018, 22:05 Doppelter Durchmesser verlangt/erlaubt 4fache Leistung, da sich die Querschnittsfläche vervierfacht. Also 104mm erlaubt satte 8-10kW. Halber Durchmesser verlangt 1/4 der Leistung.
will was teilen mit euch, das ich kürzlich gelernt habe: wenn man sich in einem rohr eine idealisierte strömung anschaut, schön linienförmig in strömungsrichtung ("laminar"), dann lehrt uns die physik und mathematik, dass der fluss durch das rohr proportional ist zur druckdifferenz an den enden, und auch zum rohrradius hoch vier (nicht bloß hoch zwei). damit kann man also bei doppeltem durchmesser sogar die 2^4=16-fache leistung anlegen, und bei dreifachem durchmesser die 3^4=81-fache, wobei das druckgefälle von kessel zu oberer öffnung gleich bleibt. allerdings scheitert das in der realität daran, dass die strömung bei so großen rohren nicht mehr laminar ist.
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derwo
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

Aus der Hüfte geschossen:
Dampfströmungen sind immer turbulent, nie laminar, oder?
Aber stimmt schon, es ist ja beides, Flüssiges und Dampf in der Kolonne. Ich denke auch, es ist vielleicht mehr als das Vierfache. Aber nicht viel, denn Dampf in die eine Richtung, Reflux in die andere, das ist turbulent, denke ich.
Für 2" haben wir die meisten Erfahrungswerte. An das Leistungslimit von 3" muss man erstmal rankommen. Umfrage: Wer hat schon mal eine 3 oder 4" Kolonne geflutet? Bei wie viel Watt? Ich denke, wir bekommen keine Antwort...
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derwo
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

Ich hab mich etwas mehr nun mit der Theorie der Kolonnenlänge beschäftigt. Bezüglich des Zusammenspiels der Kolonnenlänge und dem Refluxanteil hab ich dazugelernt und möchte meine Aussagen hier nun etwas korrigieren:
derwo hat geschrieben: 6. Nov 2018, 22:05 Je länger die Kolonne, desto mehr theoretische Platten sind übereinandergestapelt, bzw desto mehr theoretische Destillationen finden statt. Wie dann später erklärt, hängt das natürlich aber vom Reflux ab. Kein Reflux -> keine weiteren Destillationen. Wenn eine 50cm-lange Kolonne 10 Platten hat, hat eine gleiche, 1m lange 20 Platten. Ohne daß man mehr Energie reinsteckt!

Wieviele Platten diese 50cm genau haben, hängt von der Effizienz des Packungsmaterials ab. Diese wird in HETP (Height Equivalent to a Theoretical Plate) ausgedrückt. HETP bezeichnet, wie viel Packungshöhe einer theoretische Platte entspricht. ZB 5 Platten bedeutet, daß man bei 100% Reflux dieselben % erreicht, wie mit 5 Potstill-Destillationen. Je kleiner der HETP-Wert, desto effizienter die Packung also, da die Kolonne dann für dieselbe Plattenanzahl kürzer sein darf oder dieselbe Kolonnenlänge mehr Platten hat. ZB das Packungsmaterial SPP (Spiral Prismatic Packing) hat angeblich 3cm HETP. Wie immer sind Herstellerangaben aber mit Vorsicht zu genießen. Und selbst wenn diese 3cm stimmen, dann gelten sie aber nur unter perfekten Bedingungen, also dem für dieses Packungmaterial optimalen Kolonnendurchmesser und die dafür optimale Heizleistung.
Hier ein paar HETP-Werte von anderen Packungsmaterialien als SPP:
http://homedistiller.org/theory/refluxdesign/hetp
Diese Werte werden aber immer mal wieder diskutiert. Mancher findet zB, daß Murmeln einen besseren Wert haben würden. Und ob die Werte von SPP wirklich um so ein Vielfaches besser sind, wer weiß. Ich bin jedenfalls zufrieden damit und meine auch eine klare Verbesserung zu Edelstahlschrubbern bemerkt zu haben.
Wie auch immer, eine 1m lange Kolonne mit SPP hätte also 100cm : 3cm = 33 Platten.
Diese Platten sind aber nur bei 100% Reflux vollständig aktiv. Sobald man Produkt abzieht, verliert man Platten. Nun wird es zu pauschal: Bei einem Reflux Ratio von 1:1, wenn also die Hälfte des Dampfes in die Kolonne zurückgeleitet wird und die andere Hälfte abgezogen wird, hat man nur noch halb so viele theoretische Platten, also 16.5. Man brennt also etwa doppelt so lange, wie mit einer Potstill, bekommt aber 16.5 Destillationen. Wie viel man genau verliert, hängt vom Gesamtpaket ab. Vor allem, von den vol% im Destillat, welche man haben möchte und ob die Anzahl der theoretischen Platten dafür angemessen ist.
Wenn man nur 50cm Kolonne hat, bekommt man 16.5 Platten, aber nur so lange man kein Produkt abzieht. Wenn man also ein ähnlich sauberes Destillat wie mit 1m-Kolonne haben will, darf man nur geringste Mengen Produkt abziehen, muss den meisten Dampf also zurückschicken. Ein Reflux ratio von zB 1:10 bedeutet dann, man verliert 1/10 der Platten, hat also noch ca. 15 Platten und die Destillation dauert 5 mal so lange und kostet 5 mal so viel Energie! Das kann so sein. Kann aber noch viel extremer sein oder auch kaum erwähnenswert. Es hängt wie gesagt vom Gesamtpaket ab.

Also was bringt eine längere Kolonne?
Einen saubereren Alkohol, kürzere Destillationdauer und weniger Energiekosten. Nur, wenn man sie auch dann für den hochprozentigen Bereich verwendet. Eine Destillaton von 10 auf 80vol% ist mit einer 2m langen Kolonne nicht schneller als mit 1m. Auf 96vol% allerdings schon. Und mit 2m hat man dann auch die Möglichkeit, noch höher zu destillieren. Auf Kosten der Geschwindigkeit aber natürlich leider.
Die Destillaton von niedrigen % im Kessel auf sehr hohe % im Destillat verlangt nicht nur viele theoretische Böden sondern auch ein ausreichendes Maß an Reflux. Eine lange Kolonne erzeugt nicht automatisch höhere vol%, sondern erhöht die maximal möglichen Destillationen und vor allem eröffnet die Länge die Möglichkeit in dem vol%-Bereich knapp unter dem Azeotrop halbwegs schnell Produkt abziehen zu können.
Aber um zB von 10 auf 97vol% zu kommen, braucht man einen Reflux von über 80% (also nur maximal 20% des Dampfes darf als Destillat abgezogen werden), egal wie lang die Kolonne ist. Das ist der Punkt, wo ich dazugelernt habe.
Und wenn man am Ende der Destillation nur noch 0.1vol% im Kessel hat, kann nicht mal mehr 1% des Dampfes als Produkt abgezogen werden, sonst sinken zwangsläufig die vol% im Destillat, ebenfalls egal wie lange die Kolonne ist.

Das ist finde ich auf den ersten Blick schwer vorstellbar, denn man stellt sich jede weitere Platte ja als weitere Destille vor, also muss die Anreicherung doch immer weiter Richtung Azeotrop gehen. Also die Grenze ist doch das Azeotrop, nicht irgendein Wert darunter. Andererseits, wenn es keinen Reflux gibt, der Dampf also einfach nur durch die Packung strömt; daß es da keine Rektifikation gibt, egal wie hoch die Kolonne ist, ist ja schon verständlich, finde ich. Also irgendwie hängt das Maximum schon auch vom Reflux ab. Und das ist auch schon die Erklärung:
Bei 100% Reflux wird dieselbe Energie nach unten wie nach oben geschickt. Also die Energie des Reflux schluckt exakt die Energie des Dampfes. Sobald man aber Produkt abzieht, ist das nicht mehr der Fall: Es wird weniger Energie nach unten geschickt als nach oben, also bleibt Dampf übrig, welcher nicht weiter destilliert wird, egal duch wieviel Kolonnenlänge er noch strömt.
Dadurch gibt es zu jeder Kombination von vol% im Kessel und vol% im Destillat einen "minimalen Reflux", den man nicht unterschreiten kann, egal wie lang die Kolonne ist.

Wenn einem diese Produktentnahme nun zu langsam ist, bleibt als Alternative aber sehr wohl natürlich die Mehrfachdestillation: Da die vol% im Kessel bei der zweiten Destillation dann wesentlich höher sind, kann man dann entweder wesentlich schneller Produkt entnehmen oder noch höhere vol% anstreben als mit einer Einfachdestillation. Also ab einem Punkt ist die Mehrfachdestillation schneller als eine Rektifikation mit zwangsläufig sehr langsamer Produktentnahme. Der Punkt ist dann erreicht, wenn die gewünschten vol% des Destillats sehr hoch, aber die vol% in der Destille sehr niedrig sind. Dann ist es ökonomisch, zuerst die vol% anzuheben (zB durch eine schnelle Potstilldestillation) und danach mit der Refluxdestille in die Nähe des Azeotrops hochzudestillieren.

Bei niedrigprozentiger Destillation, zB von 10 auf 80vol%, ist diese Grenze bei etwa 60% Produktentnahme. Also mindestens 40% des Dampfes muss ich zurückschicken, egal wie lang die Kolonne ist. Mit nur zwei Böden ist man zwar wesentlich langsamer (darf also nur weniger Produkt entnehmen) als mit vier oder fünf, aber mehr als das bringt keine Beschleunigung mehr. Denn in diesen zusätzlichen bzw in den untersten Böden, findet dann keine Rektifikation statt.

Warum ist das so? Wann findet in Böden Rektifikation statt und wann nicht?
Es muss ein Temperaturunterschied zwischen Dampf und Reflux vorhanden sein, damit der Dampf kondensiert bzw der Reflux verdampft. Und das ist ganz unten in der Kolonne nicht unbedingt mehr der Fall. Wenn also beim untersten Boden die Temperaturen vom Dampf und Reflux so gut wie gleich sind und man nun 10 zusätzliche Böden obendraufsetzt, wird die Temperatur halt in den untersten 11 Böden gleich sein, also dort keine Rektifikation stattfinden.
Nur wenn es im untersten Boden einen wirksamen Temperaturunterschied von Dampf und Reflux gibt, haben zusätzliche Böden einen merkbaren Effekt.

Das folgt alles aus dem "McCabe-Thiele-Verfahren", nach welchem Rektifikationsanlagen berechnet werden. Wer mehr darüber wissen will, dem empfehle ich Suchworte wie: McCabe Thiele method batch distillation (oder McCabe Thiele Verfahren). Vor allem das Thema operating line (Arbeitslinie) ist wichtig. Es gibt sehr viel darüber, da es ein Grundlagenthema ist, auch gute youtube-videos. Mehrheitlich geht es um kontinuierliche Destillation, was ja für uns nicht so wichtig ist. Man muss sich also das wichtige herausfiltern.
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BenDunker
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von BenDunker »

sehr sehr gut und anschaulich erklärt! vielen Dank Derwo.
Die Bitterkeit der schlechten Qualität bleibt lange nach dem Vergessen der Süße des niedrigen Preises bestehen.
- Benjamin Franklin
Genießer
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von Genießer »

Catweazle hat geschrieben: 21. Dez 2018, 20:39 Puuuh... schwere Lektüre...
Hallo Catweazle,

Kupfer benötigst du normalerweise nur bei Getreide um die Schwefelverbindungen los zu werden.
Bei mir, bei Getreide, ist nur das untere Teil der Kolonne mit Kupfer befühlt in Form einer 10cm - Kupferstrecke. Oben ist Edelstahl.

Die Edelstahlwolle ist um einiges weniger effektiv, als SPP.
Hier ein Vergleichsvideo:


Bei SPP solltest du auch aufpassen was du Kaufst.
Ein Liter SPP soll nicht leichter als 1kg sein.

Bild
Hier, in der Produktbeschreibung ist es ganz gut erklärt:
https://www.ebay.de/sch/i.html?_ssn=top-tok

Ganz einfach erklärt:
je größer der Durchmesser der Kolonne, desto größer der Durchsatz.
je größer die Gesamtverdunstungsfläche der Füllung, desto größere Anzahl der Theoretischen Tellern pro Kronenlänge.

Angefangen bin ich mit 1Meter 2" Kolonne mit guter Edelstahlfüllung.
Derzeit habe ich eine dreistufige Kolone mit 6" unten und 2" oben und einem integrierten Ultraschallschwingrüttler.

Der Kühler ist ganz einfach zu regeln. 40°C im Auslauf.

Energietechnisch, kann man das Prozess fast auf 0 fahren, vorausgesetzt du hast eine Solaranlage. Die Wasserkühlung kannst auch für die Brauchwasserwärmung nutzen. Da aber es nur Hobbytechnisch gebrannt wird - Lohnt sich die Sparerei nicht.



Admin-Edit: Diesen Beitrag halte ich für Werbung in eigener Sache. Unsere Regel dazu lautet:

5. Links zu anderen Foren und auch zu kommerziellen Seiten sind normalerweise erlaubt. Werbung in eigener Sache aber nur, wenn die eigene Beteiligung leicht ersichtlich offengelegt ist und das Forum von dem Beitrag inhaltlich profitiert.

Ich bin mir aber nicht sicher, deswegen lasse ich das vorerst so stehen.
Hügelwilli
Catweazle
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von Catweazle »

Hallo Genießer,

Danke für deine tips und links.deine Destlle hört sich interessant an evtl. Kannst du darüber mehr schreiben?
Ich persönlich mag Kupfer… ich kann davon nicht genug haben. 😉
Es ist ein Brauch von alters her:
Wer Sorgen hat, hat auch Likör.

Quelle: Wilhelm Busch, Bildergeschichten. Die fromme Helene,1872
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derwo
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Re: Kolonnenlänge / Kolonnendurchmesser

Beitrag von derwo »

In dem Video ist das empfohlene SPP 4.2 x 4.2mm groß mit einer Drahtstärke von 0.24mm. Das von padew.pl, welches du in deinem anderen Beitrag als zu leicht bezeichnest, hat 4 x 6-7mm und 0.25mm Stärke. Das von dir empfohlene hat 3 x 3-4mm und 0.29mm Stärke.
Also ich denke, das aus dem Video ist auch leichter als die von dir empfohlenen mindestens 1kg pro liter. Allgemein denke ich, du verrennst dich da in was. Kleineres SPP bedeutet dichtere Packung (deswegen ist es ja auch schwerer pro liter), und das bedeutet, daß man weniger Leistung einsetzen kann, also langsamer und damit länger destillieren muss. Kann schon sein, daß das bei einer sehr breiten Kolonne dann nicht stört. Aber angeblich soll ja die beste SPP-Größe vom Kolonnendurchmesser abhängen... :thinking:
Ich jedenfalls habe verglichen mit deinem eher großes SPP und fahre meine 2"-Kolonne mit meiner Herdplatte an die Leistungsgrenze. Also ich bringe die Kolonne fast zum Fluten. Für mich würde das bedeuten, mit deinem SPP müsste ich die Leistung reduzieren. Deswegen würde ich zumindest für 2"-Kolonnen mit 2.6kW-Platte und wahrscheinlich auch mit nur 2kW-Platte eher das größere SPP empfehlen.

Das Video ist spätestens am Ende als reine Werbung erkennbar. Vollkommen abwegige Aussagen. Eine vierfache Destillatsgeschwindigkeit mit SPP im Vergleich zu mit Edelstahlschrubbern, das ist physikalisch unmöglich. Denn für hohe Alkoholstärke braucht man hohen Reflux, das lässt sich ergoogeln "minimal reflux ratio" und auch in unseren Rechnern gibt es was dazu. Es bedeutet in kurz, daß man für sehr hohe Alkoholstärken hohen Reflux braucht. Zehnmal so viele Platten bringen da ab einem gewissen Punkt rein gar nichst. Also auch keine bessere Packung bringt was. Und das wird in dem Video nicht eingehalten, wenn man plötzlich viermal so viel Produkt abzieht.
Genießer hat geschrieben: 3. Okt 2023, 18:21 Ganz einfach erklärt:
je größer der Durchmesser der Kolonne, desto größer der Durchsatz.
je größer die Gesamtverdunstungsfläche der Füllung, desto größere Anzahl der Theoretischen Tellern pro Kronenlänge.
genau, alles ganz einfach... Was ist "Durchsatz"? Je höher der Durchmesser, desto mehr Dampf? Oder schnellerer Dampf? Oder mehr Reflux?
Und HETP wird ganz einfach nur durch die Oberfläche berechnet? Alle riesigen pdfs mit komplizierten Formeln, die am Ende aber doch alle nur was ungefähres berechnen, alles unnötig, man hätte nur dich fragen müssen? Warum dann nicht die Kolonne mit Zeolithpulver füllen?

Genießer hat geschrieben: 3. Okt 2023, 18:21Derzeit habe ich eine dreistufige Kolone mit 6" unten und 2" oben und einem integrierten Ultraschallschwingrüttler.
Das klingt interessant. Sowas habe ich noch nie gesehen. Würde ich gerne mehr darüber erfahren.