Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

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geHeimBrenner
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Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von geHeimBrenner »

Guten Abend allerseits!

Ich habe das Thema gestern Abend schon in meinem Thread zum ersten Whisky-Versuch angeschnitten und befürchte, dass es noch etwas ausarten wird. Deshalb mal ein Thread im Anfängerbereich, eventuell gehört er aber auch in eine andere Kategorie eingeordnet.

Beim ersten Raubrand der zweiten Maische habe ich ein paar Notizen gemacht um mal ein Gefühl für den Ablauf und die Destille zu bekommen - Temperatur, Alkoholstärke am Kühler, Gesamtstärke der einzelnen Fraktionen zu je 100ml.
Diesmal wollte ich so genau wie mit vertretbarem Aufwand möglich dokumentieren. Beim letzten Brand der ersten Maische haben sich ja ein paar Ungereimtheiten aufgetan denen ich gerne auf die Spur gekommen wäre.

Derwo hatte angemerkt, dass die Alkoholstärke irgendwie nicht zu den gemessenen Temperaturen passt - entweder sind das Refraktometer und die Spindeln ungenau oder eben das Thermometer.
Gut, dagegen kann man ja etwas unternehmen. Also schnell mal den Thermometerfehler mit Eiwasser und einer Destillation von einem Liter Wasser ermittelt: 1 -0.316
Zusätzlich noch Infos zum Luftdruck eingeholt, welcher sich gewöhnlich zwischen 980 und 995 hPa bewegt. Soweit, so gut - nur geholfen hat es nicht viel.

Gemessene Werte beim 1. Raubrand (nur Sensor-Thermometer, Kühler-Messung mit Refraktometer; Messung beim ersten Tropfen und nach jeweils 100ml):
- 86,5 Grad bei 51% am Kühler
- 94,9 Grad bei 34% am Kühler
- 96,3 Grad bei 27% am Kühler
- 97,6 Grad bei 18% am Kühler
- 98,4 Grad bei 9% am Kühler
- 98,9 Grad bei 4% am Kühler
- 99,1 Grad bei 2% am Kühler
- 99,2 Grad bei 1% am Kühler

Derwo merkte dann an, dass es in den Messwerten schon wieder extreme Ungereimtheiten gibt. Im Siedediagramm sind z.B. (ohne Berücksichtigung von Modifikatoren) bei 94,9 Grad um die 46% angegeben. Mein Kühler-Tropfen hatte zu dieser Zeit allerdings nur 34%. Das würde wiederum einer Temperatur von über 97 Grad entsprechen. Refraktometer zu ungenau? Thermometer falsch? Ich blicke nicht mehr durch.

Im Thermometer-Positionierungs-Thread war davon die Rede, dass bei meiner Destillen-Bauart das Thermometer meist ungünstig sitzt. Ist natürlich auch bei meiner Destille der Fall. Das Thermometer befindet sich nicht am höchsten Punkt sondern relativ mittig bis oberes Drittel des Helms.
Siehe dazu folgendes Bild (das zweite Thermometer dient für den unten angeführten Vergleich):
IMG_3895.JPG
Meiner Meinung nach erklärt das aber nicht das aufgetretene Verhalten - ein zu weit unten positioniertes Thermometer müsste doch eigentlich höhere Temperaturen anzeigen, oder denke ich da grad in die falsche Richtung?

Lässt mir alles keine Ruhe. Deshalb heute nochmal die Spindel und das Refraktometer mit Vodka (37,5%) getestet. Ergebnis: die Spindel zeigt etwa 37,8%, das Refraktometer 36%. Auch eine gewisse Ungenauigkeit, erklärt aber immer noch nicht die extremen Unterschiede.
Vom Thermometer-Thread inspiriert habe ich nun versucht, den Thermometer-Sensor einfach mal ein stückchen weiter in den Dampfweg zu positionieren. Vielleicht ist ja der Sensor nicht an der Spitze verbaut ...

Scheint zumindest ein bisschen geholfen zu haben, denn die aktuellen Werte sind wie folgt:
- 86,5 (Küchenthermometer) bzw. 86,5 (Sensor) bei 51% (Refraktometer) am Kühler
- 95,2 bzw. 95,3 bei 38%
- 96,6 bzw. 96,8 bei 28%
- 97,8 bzw. 98 bei 18%
- 98,6 bzw. 98,9 bei 10%
- 98,9 bzw. 99,4 bei 4%
- 99,2 bzw. 99,6 bei 2%
- 99,2 bzw. 99,7 bei 0%

Die Thermometer haben also keinen eklatanten Unterschied, trotzdem tropft es schwächer aus dem Kühler als zu erwarten wäre. mit Rektifikation oder falscher Positionierung müsste doch der Alkoholgehalt höher sein als von der Temperatur her zu erwarten ist, oder?
Langsam glaube ich, dass ich spinne ... wie kann das erklärt werden?
Ich komme hier nur noch auf Unterdruck, der den Siedepunkt von Flüssigkeiten entsprechend verringert und somit der Alkohol schon bei niedrigeren Temperaturen mehr verdampfen würde. Aber kann sowas in Destillen vorkommen? Ansonsten kann es eventuell noch das Antischaum-Mittel mit Polydimethyosiloxan sein. Das ändert ja meines Wissens irgendwie die Oberflächenspannung. Oder kocht die Maische in der 2-Liter-Destille so stark, dass größere Mengen Wasser mit hochgeschleudert werden und so den Alkoholdampf verdünnen? Verfärbungen sind im Destillat keine zu erkennen, alles schön klar und durchsichtig.

Bevor ich mich jetzt ganz verrückt mache: weiß jemand Rat oder hat eine Erklärung für das beobachtete Verhalten? Oder soll man das einfach als gegeben hinnehmen?
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derwo
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von derwo »

Du hast recht, bei einem zu tief angebrachten Thermometer sind höhere Temperaturen und damit ein niedrigerer Akoholgehalt. Dieser Fehler ist aber nicht überall gleich. Wenn du nur noch Wasser im Kessel hast, ist es egal, wo das Thermometer positioniert ist. Nicht egal ist aber, ob der Sensor so weit wie vorgeschrieben im Dampf ist. Wenn es ein elektrischer Sensor ist, kann er nicht zu weit im Dampf sein, höchstens zu wenig. Wenn er zu wenig drinnensteckt, werden zu niedrige Temperaturen angezeigt. Bei deinem Bild kann ich nicht erkennen, was das für Thermometer sind.

Mit deiner Thermometerabweichung, deinem Luftdruck und der zweiten Liste von Werten (ich habe nur die Sensorwerte verwendet) habe ich blau berechnete vol% angefügt:

- 86 bei 51% 72.3%
- 95,3 bei 38% 39.3%
- 96,8 bei 28% 29.7%
- 98 bei 18% 16.2%
- 98,9 bei 10% 1%
- 99,4 bei 4% -
- 99,6 bei 2% -
- 99,7 bei 0% -

Daß es bei den ersten Tropfen Anfang nicht stimmt, ist geschenkt: Die Destille war noch nicht aufgewärmt, also gab es viel Rektifkation auf dem Weg nach oben. Aber danach ist es doch erstmal ziemlich richtig. Vor allem, wenn man noch 1.5vol% draufrechnet, welche das Refraktometer zumindest bei 35-40% anscheinend zu niedrig anzeigt.

Daß du bei 0% dann 99.7°C misst, passt überhaupt nicht zum angegebenen Thermometerfehler und Luftdruck. Du hättest 99°C messen müssen. Du hattest beim ermitteln des Thermometerfehlers allerdings den Sensor weniger weit drinnen. Und jetzt wird es mir zu kompliziert... :crazy:
geHeimBrenner
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von geHeimBrenner »

Danke für das Feedback.
Also zurück zum Start und Thermometerfehler neu bestimmen. Hast natürlich Recht, das hätte gleich zu Beginn nach der Änderung der Eintauchtiefe machen sollen.
Ansonsten schauen die Werte ja schon mal fast plausibel aus. Immerhin ein bisschen Hoffnung dass nicht alles komplett falsch ist.
Der Sensor ist ein K-Typ in einer Tauchhülse mit Verschraubung. Das zweite Thermometer ist ein ganz normales Küchen-Einstichthermometer von Xavax (angegebene Messabweichung bis zu 2%). Also kein High-End-Präzisionsgerät, mir ging es ja in erster Linie auch nur um einen ungefähren Vergleichswert.
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azeotrop
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von azeotrop »

Ich habe auch schon viel mit meinem Thermometer gespielt.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen:
1) Die Thermometeranzeige wird von der Blechtemperatur des Helms beeinflusst. Der Thermometerfühler muss gut isoliert eingebaut werden.
Falls es sich beim Sensor um den K-Typ handelt, der bei Chinesischen Geräten beiliegt, bin ich der Meinung dass er bauartbedingt nicht isoliert eingebaut werden kann.
2) Der Sensor muss davor geschützt sein, dass internes Kondensat über den Sensor rinnt.
Da der Helm nicht gegen die Umgebungsluft isoliert ist, wird jegliches interne Kondensat durch den Helm abgekühlt. Dieses wieder verfälscht die Temperaturmessung wenn die Flüssigkeit den Sensor benetzt. Deshalb baue ich den Sensor an der höchsten Stelle senkrecht ein. Bei waagerechtem Einbau auf halber Höhe kann man von innen ein Stück Kupferblech als "Dach" über dem Sensor anlöten oder nieten.
3) Abhängig von der Länge des Geistrohres kann es vorkommen dass der Liebigkühler über das Kupfer auch den oberen Bereich des Helms kühlt und zu einer Verfälschung beiträgt.

Ganz allgemein muss man beim Ermitteln des Thermometerfehlers mit Wasserdampf oder bei Messungen im Rahmen eines Versuchs den Helm von aussen so gut es geht thermisch isolieren. Das Geistrohr zum Liebigkühler soll nicht zu kurz sein und muss auch isoliert werden.
Es grüßt Azeotrop
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derwo
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von derwo »

Und auch ohne gute Temperaturmessung kann man gute Brände machen. Du musst nicht vorher die perfekte Temperaturmessung eingebaut haben.
geHeimBrenner
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von geHeimBrenner »

Danke auch an dich azeotrop!
Ja, es ist ein China-Sensor, allerdings nicht diese komische beim Anzeigegerät beiliegende Sonde (die war auch komplett unisoliert und somit nicht flüssigkeitsdicht) sondern ein in einer Eintauchhülse verbauter Sensor mit Gewinde-Durchführung. Dichtbekommen habe ich das Ganze, das sollte nicht das Problem sein. Es ist allerdings in den etwa 2cm Tauchhülse nicht erkennbar, wo genau der Sensor sitzt. Deshalb war vermutlich zu Beginn die Eintauchtiefe zu gering.

Wäre es möglich, im Helm mit einem Stück Edelstahl-Draht den Sensor einfach innen in das Steigrohr zu schieben und somit wirklich am höchsten Punkt anzukommen? Platz wäre genug, auch ohne ein Verstopfen zu riskieren.

Ja, ich mache mir vermutlich sowieso viel zu viel Gedanken über die Temperaturmessung. Vermutlich wäre es leichter, einfach mal den halben Kessel durchzubrennen, die Stärke zu messen und dann auf eine vernünftige Menge für den nächsten Brand runterzurechnen. Da spielt aber der Ehrgeiz mit, irgendwie will ich es schon noch hinbekommen zumindest einmal brauchbare Werte zu haben :)
Gebrannt wird sowieso laufend bis die Maische durch ist, da kann dann auch laufend die Messtechnik verbessert werden.
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azeotrop
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von azeotrop »

Mit der Eintauchhülse funktioniert das nicht. Daran liegt das Problem.
Diese ganze Bastlerei nutzt doch nichts.
Nimm einen geeigneten Sensor (kurz, zylindrisch, ohne Tauchrohr). Bohre ein Loch an der höchsten Stelle und löte ein kurzes Kupferröhrchen ein dessen Innendurchmesser etwas größer ist als der Sensor. Das Röhrchen soll im Geistrohr nicht viel überstehen, aussen so weit wie es der Sensor erfordert.
Umwickle den Sensor mit Teflonband so dass er sich schmatzend dicht in das Röhrchen pressen lässt ohne irgendwo das Kupfer zu berühren.
Du findest doch bestimmt jemand der dir das weichlöten kann.
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derwo
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von derwo »

Oder auch erstmal ohne Röhrchen. Nur ein Loch. Ein schöner Knubbel Teflonband um das hintere Ende des Sensors und irgendwie dicht dranpopeln. Oder mit Mehlpampe. Hauptsache der Sensor ist weit genug drinnen und er berührt das Kupfer nicht. Und Hauptsache, er ist ganz oben natürlich.
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Glen
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von Glen »

Hallo geheimHeimBrenner

Ich habe Deinen Thread aufmerksam mitgelesen und mitverfolgt, da ich ein ähnliches Unterfangen geplant habe für die Temperaturmessung bei einer Destille mit Schwanenhals :D . Ich wäre deshalb sehr interessiert über allfällige Erfahrungen damit, sei es nur mit einer Bohrung oder Anbringen eines Kupferröhrchens ;-).
geHeimBrenner
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von geHeimBrenner »

Hallo Glen!

Momentan traue ich mich noch nicht über die Bohrung oder Lötarbeiten. Vorerst wird also nur mal mit ein paar Sanitär-Installationen geübt ohne einen Sinn dahinter zu verfolgen.
Wenn ich mich dann sicher genug im Umgang mit Material und Werkzeug fühle wird der Sensor umplatziert. Aktuell befindet er sich noch an der vom Hersteller vorgegebenen Stelle.
Wenn ich da srichtig gelesen habe arbeitest du ja sogar mit dem 0,5-Liter-Modell. Da wird das Ganze wahrscheinlich durch den sehr engen Rohrdurchmesser noch eine Stufe schwieriger werden.
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Glen
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von Glen »

Ja klar, das klingt sehr vernünftig, zuerst vorab einige Probe-Lötungen zu machen.

Die Mini-Destille ist ein anderes Modell, dass ich meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt habe, um Hydrolate (und allenfalls etwas ätherische Öle) herzustellen. Als sie dann mal ein Wochenende ungebraucht da stand, kam ich auf die Idee, dass man damit noch interessantere Experimente machen könnte ;).

Ich habe mich dann sehr bald mal für etwas eigenes umgeschaut, das ich allenfalls meinen Bedürfnissen anpassen kann. Bei der Destille, die ich angeschaut habe, wäre der Rohrdurchmesser am höchsten Punkt ca. 2.5 cm. Das könnte allenfalls reichen für die Länge eines Thermometer-Fühlers.
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Glen
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Re: Der Brenner und die liebe Not (Temperatur und Alkoholstärke)

Beitrag von Glen »

Hallo GeHeimBrenner

Zur Info: Ich habe meinen Plan unterdessen umgesetzt und hier gepostet https://hobbybrennen.ch/viewtopic.php?p=10318#p10318