Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Getreide auswählen, maischen, vergären und brennen
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derwo
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Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Ich stöbere gerade durch ein Menge alter Lesezeichen und habe dabei diese amüsante Episode gefunden:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/da ... s-100.html
Ein Whiskykenner regt sich da furchtbar über die Whiskyindustrie auf. Was er schreibt, klingt aber oft etwas abwegig und vor allem verschwörungshaft mit Halbwahrheiten nach Aufmerksamkeit heischend. 2008 war das.
Und hier wurde dann darüber diskutiert:
http://scotswhisky-community.de/forum/i ... /?pageNo=1
Lohnt sich, das alles zu lesen. Erstens erfährt man wahrscheinlich was neues und zweitens ist es amüsant.
Zuletzt geändert von derwo am 17. Dez 2022, 11:41, insgesamt 1-mal geändert.
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azeotrop
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Re: Bernhard Schäfers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

derwo hat geschrieben: 16. Dez 2022, 21:14 Ein Whiskykenner regt sich da furchtbar .......
Der Udo Vollmer ist sicher kein Whiskeykenner. Da würde ich Anführungszeichen empfehlen.
Hier sind Infos zu ihm https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Pollmer

Er ist halt Journalist mit einem Hintergrund als Lebensmittelchemiker.
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derwo
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Stimmt, danke, es ist ja nicht Bernd Schäfer, der das schreibt, sondern Udo Pollmer. Und Udo Pollmer ist kein Whiskyexperte. Bernd Schäfer ist nur der, der darauf (als erster?) antwortet.
Ich versuche das in der Überschrift zu ändern.

Die komplette Antwort von Bernd Schäfer habe ich leider nicht gefunden. Es gibt hier links, die leider nirgendwohin führen:
https://www.whisky.de/forum/discussion/ ... und-whisky
Aber auch hier ist die Diskussion interessant. Wogleich sie in diesem Fall dadurch, daß der mitschreibende Admin und Eigentümer Deutschlands größten Whisky-Onlineshops bei schlechter Presse gleich Herzrythmusstörungen wegen der Rate für seinen Tesla bekommt und deswegen ua zu einem allgemeinen Rundumschlag gegen die Presse ansetzt, einen anderen Charakter hat, als in dem anderen Forum.
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azeotrop
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

Ja, das ist ziemlich gut versteckt. Er hat sich lange bitten lassen und dann als User Silberohr hier gepostet:
Bernhard Schäfer

Ich finde es interessant und danke dir das du das ausgegraben hast.
Leider ist es zwischenzeitlich so geworden, dass die Rundfunk oder Fernsehsender gerne auf Skandalthemen mit Bezug zu Lebensmitteln anspringen.
Was eigentlich der Verbraucherinformation und -warnung dienen sollte, hat sich zur Effekthascherei um der Quoten willen entwickelt.
Nur wenn man die Hintergründe kennt, merkt man was da abgeht.
Die Mischung ist meist 10% wirkliche Missstände und 90% Schaumschlägerei und falsche Darstellung.
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derwo
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Ah stimmt... sehr gut.
Ich copy&paste das mal hier, damit es nicht verlorengeht:
B. Schäfer hat geschrieben:Sehr geehrter Herr Pollmer,

als ich die Meldung sah, dass Sie etwas zu Whisky sagen hab ich mich erstmal gefreut, da ich dachte ich erfahre was neues, wie aus Ihren Büchern.
Umso entsetzter war ich allerdings dann, als ich das Skript las und den Beitrag hörte.
Ich finde es erstaunlich, dass der Deutschlandfunk so was ungeprüft sendet.
Zur Stil an sich, sehr clever eine gefaktes Interview zu machen, etwas Englisch und natürlich das Kokettieren mit dem Insider. Gefolgt von ein wenig Literaturangaben…An sich gut nur leider der Inhalt…
In dem Radiobeitrag kommt vieles noch viel schlimmer rüber, ihr Counterpart im Beitrag wiederholt dann angewidert „Gibberellinsäure und Schaumverhüter“ ganz großes Kino!!! Und am Ende klingt es dann ganz so, als ob beim Whisky auch noch Aroma hinzugegeben wird…
Ich habe mir erlaubt in Kursiv meine Meinung zu ihrem Beitrag zu schreiben.

Deutschlandfunk hat geschrieben:Sylvester: Wer es sich leisten kann, genießt einen echten Single Malt Whisky - Symbol für unberührtes schottisches Hochland, Torfmoore und alte Destillen, die nach dem Brauch ihrer Väter nicht an schnelles Geld denken, sondern die edlen Brände zehn, zwanzig Jahre reifen lassen, bis sie als Nobelprodukt in die weite Welt hinausgehen.

Was ist dran an dieser Vorstellung?
B. Schäfer hat geschrieben:Würden Sie die Geschichte des Schottischen Whiskies auch nur im Ansatz kennen, dann wäre ihnen bekannt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Der Brauch der Väter war Whisky JUNG zu verkaufen. Eine Sicherheit für den Verbraucher gibt es erst seit dem „What is Whisky“ Case zu Beginn des 20 Jahrhunderts und die daraus folgende gesetzlich vorgeschriebene Mindestreifezeit von drei Jahren seit 1916 als Erweiterung des Immature Spirit Acts von 1915.

Hinzukommt, dass es überhaupt nicht teuer zu sein braucht, es ist kein Problem einen 10 oder 12 jährigen Single Malt für 30 Euro zu bekommen und wenn man sich etwas bemüht, geht es noch günstiger, aber wenn die Redaktion da mal recherchiert hätte, dann wäre die Geschichte ja nichts geworden.

U. Pollmer hat geschrieben:Die Whiskyproduktion liegt in der Hand weniger Unternehmen, denen die bekannten Markennamen gehören. Logischerweise ist die Produktion vollautomatisiert und hat in der Praxis nur noch wenig mit den Werbebildchen oder der Wikipedia zu tun.
B. Schäfer hat geschrieben:Das ist vollkommen falsch;

Ich vermute mal, dass Sie ihren Fuß noch nie in eine schottische Brennerei bewegt haben, ich schon. Der erste Besuch war 1988 und seit dem war ich einige Male in Schottland und konnte dabei erstens die Veränderungen beobachten und zweitens den Prozess durchaus etwas genauer kennenlernen.

Was sind denn wenige Unternehmen? Die Bandbreite geht von weltweit agierenden Konzernen wie Diageo oder Pernod Ricard, bis zu alten oder neuen Familienbetrieben, wie z. B. Glenfarclas oder Glengoyne. Es sind etwas über 30, die Malzwhisky herstellen.

So so, voll automatisiert- na Sie sind wirklich ein Fachmann! Es stimmt, heute werden weniger Leute beschäftigt, da auch in den Brennereien der Computer Einzug hielt und weit weniger Leute den Whisky machen wie früher. Allerdings läuft da kein Computerprogramm, dass alles von alleine macht, da ist immer noch ein MENSCH der die Kiste steuert und die Entscheidungen trifft. Abgesehen davon wäre das völlig unerheblich, klar nicht so romantisch, aber Ziel beim Brennen ist es nun mal ein möglichst gleichmäßiges Ergebnis zu erzielen.

U. Pollmer hat geschrieben:Die Gerste wird in riesigen Anlagen gemälzt - was sich durch Zugabe von Hormonen wie Gibberellinsäure beschleunigen lässt –
B. Schäfer hat geschrieben:Zunächst gibt es noch 5 Brennereien, die einen Teil ihres Malzes selbst herstellen, und das in sogenannten Floor Maltings, Tennenmälzerei auf Deutsch, die wirklich traditionelle Methode. Die von Ihnen im Tonbeitrag erwähnten Saladin-Boxes sind eine neuere Erfindung.
U.Pollmer hat geschrieben:dann in Trommeln getrocknet, geschwefelt und an die Destillen geliefert.
B. Schäfer hat geschrieben:Tja in den Trommeln findet in der Regel die Keimung statt, getrocknet wird auch in größeren Mälzereien in der „Malt-Kiln“. Die Gerste wird auch nicht „geschwefelt“ so wie Sie es beschreiben klingt es so als wie wenn beim Wein Schwefel hinzugegeben wird. Sie sind ja der Chemiker, meines Wissens wird Schwefel (Elementar) zum Feuer dazugegeben damit über das entstehende SO² die Nitrosaminbildung begrenzt wird, das ist im übrigen die traditionelle Methode die auch nicht überall mehr angewendet wird. Es gibt da neuere Verfahren mit indirekter Hitze.

So nun zu Ihrer Gibberilinsäure, das mag ja beim Bierbrauen sein, aber in der mir zu Verfügung stehenden Fachliteratur steht nichts von der Zugabe; kein Wunder denn beim schottischen Whisky gibt es ein Gesetz. Da steht nun mal wortwörtlich drin das eine Zugabe von Stoffen nicht erlaubt ist.

U.Pollmer hat geschrieben:Dort wird das Malz zerkleinert, gemaischt und die Hefe dazugeben - so wie beim Bierbrauen. In riesigen Fermentationsanlagen aus Stahl oder Alu wird die Maische vergoren – unter Zusatz von Schaumverhütern.
B. Schäfer hat geschrieben:Auch hier irren Sie sich, die riesigen Fermentationsanlagen, sind erstens entweder aus Edelstahl oder Holz, die sogenannten Washbacks, Alu? Nun ich kenne nicht alle schottischen Brennereien, daher kann ich Ihre Behauptung nicht widerlegen, mir sind vielleicht 50 Brennereien bekannt, da gibt es kein Aluminium, in der Literatur im übrigen ebenfalls nicht.

Schaumverhüter? So in der Art, in manchen Washbacks gibt es rotierende Messer die den Schaum mechanisch kleinhalten.

Traditionell gibt es den Einsatz von Seife beim ersten Destillationsvorgang, damit keine Feststoffe mit überkochen, heute kann man aber die Hitze kontrollieren. Aber da haben Sie vermutlich ein wenig durcheinandergebracht.

U. Pollmer hat geschrieben:Für die Besucher sind die Tanks natürlich mit Holz vertäfelt.
B. Schäfer hat geschrieben:Einfach falsch, es gibt ein paar Mashtuns, das sind die Maischebottiche, die isoliert sind und ich kenne einen, bei dem die Isolation bemalt ist, damit es etwas wie Holz aussieht.

U. Pollmer hat geschrieben:Die Hefen sind optimiert, sie arbeiten nicht nur wirtschaftlich, sondern tragen wesentlich zum Geschmack bei, so dass heute kürzere Reifungszeiten erforderlich sind.
B. Schäfer hat geschrieben:Natürlich sind die Hefen optimiert, in der Regel wird eine Hefe der Firma Mauri eingesetzt. Über den Beitrag zum Geschmack könnte man trefflich diskutieren, aber Wesentlich sicher nicht. Kürzere Reifezeiten? Nun auch hier hat sich wenig geändert, alles zwischen 48 und 96 Stunden ist üblich, auch schon „früher“ es ist auch keine „Reifezeit“ hier reift nichts es gärt.

Deutschlandfunk hat geschrieben:Bevor die Spirituosen reifen können, müssen sie erst mal gebrannt werden.
U. Pollmer hat geschrieben: Beim Malt- Whisky geschieht das in Brennblasen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 150.000 Litern.
B. Schäfer hat geschrieben:So? Die zeigen Sie mir bitte mal, mit die größten Brennblasen hat immer noch Glenfarclas mit gut 25.000 Litern für die Wash-Still. Die neuesten Brennereien wie Ailisa Bay oder Roseisle, mit einer sehr große Produktionskapazität, haben eher kleinere Brennblasen, dafür mehr.

U.Pollmer hat geschrieben:Sie bestehen aus Kupfer. Kupfer ist bis heute unverzichtbar, obwohl es in den Destillen auch in Schottland als ernstes Umweltproblem angesehen wird. Aber nur dieses Metall zersetzt als Katalysator unerwünschte Schwefelverbindungen, die das Aroma beeinträchtigen.
Deutschlandfunk hat geschrieben:Der stolze Preis für einen guten Whisky liegt ja nicht nur an der Steuer, sondern auch an der Lagerung. Je älter desto besser?
U. Pollmer hat geschrieben:Im Prinzip ja, aber diese Regel ist mit Vorsicht zu genießen. Zunächst: Bei der Lagerung werden unerwünschte Stoffe absorbiert. Das ist auch der Grund, warum die Fässer manchmal innen abgeflämmt werden.
B. Schäfer hat geschrieben:Nein je älter desto besser stimmt eben nicht im Prinzip, je älter desto mehr Holz, Aromen und Komplexität und desto weniger Charakter der Brennerei. Das kann sich der Konsument dann eben schön aussuchen. Die Fässer für schottischen Whisky werden immer getoastet und gecharred, das dient nicht nur weniger dem Rauchgeschmack, sondern gar nicht.

U. Pollmer hat geschrieben:Das dient weniger dem Rauchgeschmack, sondern der Bildung von Aktivkohle. Zudem kommt zu Reaktionen mit dem Holz, es wird z.B. etwas Vanillin herausgelöst. Schließlich werden im Fass einige Stoffe oxidiert, die ihrerseits das Aroma beeinflussen. Bleibt der Whisky zu lange im Fass, wird er - so wie auch der Wein - nicht besser.
B. Schäfer hat geschrieben:Ja und nein, aber ehrlich gesagt ist es mir zu viel Arbeit hier genaueres zu schreiben, aber ich empfehle ihnen die Veröffentlichungen von Herrn Pigott zu diesem Thema.

U. Pollmer hat geschrieben:Die Reifung hat aber noch eine Funktion: Sie sorgt für die Bildung von Stimmungsbeeinflussenden Stoffen. Es ist mitnichten nur der Alkohol, der für die gute Stimmung sorgt.
B. Schäfer hat geschrieben:Die Reifung sorgt vor allem dafür das aus dem Getreidebrand Whisky wird.

Deutschlandfunk hat geschrieben:Die Reifung erfolgt ja in Eichenfässern - daher Geschmack und Färbung.
U.Pollmer hat geschrieben:Traditionell wurden dafür ausgemusterte Fässer der spanischen Portweingewinnung und der amerikanischen Bourbonproduktion verwendet. Das Aroma stammt ja nicht vom Malz, sondern von der jeweiligen Hefe und von den Geschmacksstoffen aus den alten Fässern, von den Getränken, die da vorher drin waren. Sind die ausgelutscht, müssen sie durch neue ersetzt werden. Das Problem ist, dass es kaum noch Port- und Sherryfässer gibt. Auch die Farbe kommt ja nicht unbedingt vom Holz, sondern wird mit einem Farbstoff verstärkt, der auch Colagetränke bräunt.
B.Schäfer hat geschrieben:Auch hier sehr geehrter Herr Pollmer, ungesundes Halbwissen verbreiten Sie da. Wenn Sie schon von Tradition reden, dann hätten Sie mal besser ein wenig nachgeforscht.

Denn gerade Traditionell hat man in Schottland alle möglichen Fässer benutz, sowohl in der Größe als auch in der Art. Das zu Zeit am häufigsten benutze Fass ist das ASB, das American Standard Barrel, dies aber erst wieder seit ende der Prohibition, bzw. dem zweiten Weltkrieg, denn erst dann hatte es die US-Holzindustrie geschafft dass in den USA ein Gesetz gemacht wurde, das immer NEUE Fässer für Bourbon verlangt. Die Unmengen gingen dann nach Schottland. Ihre wohlgelobte Tradition ist neu, früher war es überhaupt nur empirisches Wissen. Forschung und „Cask-management“ gibt es vielleicht seit 30 Jahren.

Stimmt Farbstoff ist erlaubt, das gefällt mir auch nicht, erstens gibt es da eine veritable „Gegenbewegung“ und zweitens steht es bei uns auf den Flaschen drauf.

Um ihnen mal einen Eindruck von der Menge zu geben, 1 Promill bei einem Produkt wie Johnnie Walker Black Lable, das ist übrigens von einen „Insider“…..sowas zitieren Sie ja auch gerne mal.

Der Geschmack kommt auch weniger von den Flüssigkeiten die vorher drin waren, sondern mehr von der Art der Eiche…

Deutschlandfunk hat geschrieben:Und was macht man jetzt ohne die richtigen Fässer?
U. Pollmer hat geschrieben:Manche Whiskydestillen liefern den Spaniern, die ihre Fässer durch Stahltanks ersetzt haben, frei Haus neue Fässer, damit sie vielleicht doch noch etwas Alkoholisches darin reifen lassen.
B. Schäfer hat geschrieben:Auch hier wieder, Halbwissen. Ja es stimmt manche Firmen liefern die Fässer, damit die Spanier darin Sherry machen. Der wird auch schon mal danach vernichtet, bzw. zu Brandy weiterverarbeitet, weil Sherry nicht mehr so getrunken wird.

U. Pollmer hat geschrieben:Neues Fassholz wurde sogar schon mit Wein unter Hochdruck imprägniert.
B. Schäfer hat geschrieben:Nein es war kein Wein, man nannte es Paxarette, es waren auch keine neuen Fässer, sondern gebrauchte, mal versuchte diese zu „recyceln“. Das hat aber nicht funktioniert, der Whisky schmeckte nicht. Es war meines Wissens so vor 20/30 Jahren.

U. Pollmer hat geschrieben:Man kauft jegliche Art von Fässern auf, in denen irgendwas gereift wurde.
B. Schäfer hat geschrieben:Das ist Unsinn, ASB gibt es genug, es wird mit verschiedenen Fässern zum „Finishen“ experimentiert. Aber das steht auch dann immer auf der Flasche, sie tun gerade so als würden die Verbraucher da hinters Licht geführt.

U. Pollmer hat geschrieben:Andere Betriebe verwenden einfach die alten Fässer aufs Neue und füllen den Inhalt erst am Schluss für einige Zeit in die richtigen Fässer. Das Verfahren heißt "back end loading".
B. Schäfer hat geschrieben:Oh oh oh , nun vergallopieren Sie sich aber ganz gewaltig. Da sieht man dass Sie von Malt und dessen Produktion wirklich nichts verstehen.

Der Reiferprozess dauert gerade in Schottland seine Zeit, natürlich werden Fässer mehr als einmal benutzt, die Schotten unterscheiden sehr deutlich zwischen „first“ und „second“ Fill. Gesetzlich könnte man auch ganz neue Fässer verwenden, so wie die Amerikaner, aber dann würde der Whisky anders schmecken.

Ein Whisky der in „alten“ Fässern, was auch immer Sie damit meinen Reift, würde auch nach einer „einige[r] Zeit“ in „richtigen Fässern“ kein Erfolg werden.

Deutschlandfunk hat geschrieben:Wenn die alten Fässer immer wieder verwendet werden, wie kriegen die dann das typische Markenaroma hin?
U. Pollmer hat geschrieben:Fragen Sie das lieber meine Kollegen von der Aromenindustrie. Die haben bestimmt eine interessante Idee, wie sich das elegant lösen ließe
B. Schäfer hat geschrieben:Lieber Herr Pollmer, das war der Satz der mich dann völlig die Fassung verlieren lies, ihre Beschäftigung mit der Materie „Essen“ hat ihnen offensichtlich eine Food-Paranoia eingebracht.

Erstens ist es nicht erlaubt, zweitens sind die Aromen im Whisky etwas komplexerer Natur.

U. Pollmer hat geschrieben:Denn das Problem verschärft sich von Jahr zu Jahr. Die Produktion an Whisky steigt weltweit an, während das Angebot an Fässern durch die Verwendung von Stahltanks ebenso schnell sinkt. Ein Insider spottete kürzlich, die Branche würde derzeit nur noch vor alten Heringsfässern zurückschrecken. Aber vielleicht hilft die Edelspirituose dann gegen den Kater!
B. Schäfer hat geschrieben:Ich bezweifle, dass Sie einen Insider kennen, und nur zu Ihrer Information es gab schon ein deutsches Experiment, wo ein Whiskyhändler schottischen Whisky in so einem Fass nachgereift hat.
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derwo
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Wo meiner Meinung nach Bernd Schäfer ein bisschen ins Strudeln kommt, ist die Sache mit der Gibberellinsäure. Er beruft sich dann darauf, daß es ein Gesetz gibt, was "die Zugabe von Stoffen" verbietet. Sehr vage. Aber Seife als Schaumverhüter ist erlaubt? Und Melasse als Hefezuchtmedium? Sind vielleicht doch Sachen erlaubt, sofern es sagen wir mal Hilfsstoffe sind? So wie bei Rum diverse Zutaten für den Muck Pit? Oder Schädlingssvernichtungsmittel beim Anbau von Braugerste oder auch Weintrauben? Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Gibberellins%C3%A4ure ist das beim Mälzen in Deutschland jedenfalls verboten. Und da steht auch, wozu es dient: Es sagt dem Getreidekorn, daß es jetzt keimen sollte. Und wenn man es nicht dazugibt, produziert das Getreidekorn genau diesen Stoff selber, um sich zu sagen, daß es jetzt keimen sollte. Aber ist das Keimen überhaupt ein Problem? Ich habe nicht gehört, daß das zum Keimen bringen besonders schwer ist. Mit Gibberellinsäure behandelter Malz kenne ich nur als "Gibb-Malt". Und der wird wegen seiner erhöhten Amylasetätigkeit für Bourbon verwendet, wo man ja mit möglichst wenig Malz auskommen will. Oder wurde er das nur? In Zeiten von künstlich erzeugten Enzymen, braucht man das doch nicht mehr? Ich habe jedenfalls schon lange nichts aktuelles mehr davon gelesen.
https://www.greatwesternmalting.com/cho ... t-spirits/
Gibb malt, preferred by bourbon producers, contains more alpha amylase than barley malt.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf ... .tb01924.x
Hier sieht man, wie die Keimzeit dadurch verkürzt wird. Aber nichts über die Amylase.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf ... .tb01815.x
Hier auch was über die Amylase.
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azeotrop
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

derwo hat geschrieben: 17. Dez 2022, 17:26 Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Gibberellins%C3%A4ure ist das beim Mälzen in Deutschland jedenfalls verboten.
Ich habe das auf Wikipedia nachgelesen und auch das zitierte Dokument runtergeladen.
1 DieTechnologiederMalzbereitung 352734036X_c01.pdf
(1.06 MiB) 488-mal heruntergeladen
Auf Seite 61 (und auch anderen) steht
Die Verwendung von Gibberellinsäure ist in
Deutschland nicht gestattet.
Es gibt aber keinen Verweis auf ein Gesetz. Dass von Deutschland gesprochen wird macht mich stutzig. Das müsste ja eine EU Verordnung sein. Möglicherweise ist das PDF schon älter.
Ich konnte auf die Schnelle keinen Hinweis auf eine gesetzliche Regelung finden. Falls jemand mehr weiß würde mich das interessieren.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 Über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs
hat unter anderem einen Anhang
ANHANG IV — Liste der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln, die gemäß der Richtlinie 91/414/EWG bewertet wurden und für die nach Artikel 5 Absatz 1 keine Rückstandshöchstgehalte erforderlich sind
In diesen Anhang IV wurde 2014 die Gibbelerinsäure aufgenommen. Dies erfolgte durch die Verordnung 588/2014.

Es scheint also aktuell kein Verbot zu geben.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Daß es als Pflanzenschutzmittel erlaubt ist, bedeutet aber nicht unbedingt, daß man es auch als Keimhilfe nehmen darf.
Mir wäre es ausgehend von meinem jetzigen Wissensstand egal. Das einzige ist: Wenn das nur ein kleiner Teil der Malzproduzenten macht, ist das wahrscheinlich der Teil, der am meisten bereit ist, jegliche Qualität für Effizienz zu opfern.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

Es geht mir nicht darum dass es eventuell verboten sein könnte, sondern darum ob es verboten ist und mit welchem Gesetz es verboten sein soll.
Schäfer behauptet es sei verboten, es gibt aber keine Fakten die diese Behauptung stützen.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Es gibt aber noch das deutsche Reinheitsgebot für Bier. Ich habe aber auch da nichts konkretes gefunden. Aber hier steht was interessantes:
https://chemie-in-lebensmitteln.katalys ... e-im-bier/
erlaubt auch laut Reinheitsgebot: Farbstoffe bei dunklen Bieren, Malzenzymkonzentrat für bessere Filtrierbarkeit.
nicht erlaubt laut Reinheitsgebot, aber erlaubt in der EU: Wuchs- und Hemmstoffe wie Gibberellinsäure, Cellulase, Antioxidantien und Schaumstabilisatoren.

Also anders als Schäfer schreibt, eher wie Pollmer es behauptet: Bei deutschem Bier ist Gibberellinsäure nicht erlaubt. Sonst (also für nicht-deutsches Bier oder für Whisky) anscheinend schon, denn es findet sich nirgends ein Verbot.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

Hast du einen Link zum Deutschen Reinheitsgebot?
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von derwo »

Nein, seltsamerweise nicht gefunden. Nur halt irgendwas von vor Jahrhunderten. Ich weiß, ohne Gesetztestext ist der link kein Beweis.
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Re: Udo Pollmers Kritik an der Whiskyindustrie

Beitrag von azeotrop »

Die alten deutschen Gesetze mussten auf EU Druck hin teilweise aufgehoben werden.
Es gibt nur noch eine Übergangsregelung die seit 2005 einiges für das Bier regelt. Es gilt aber nur für deutsche Brauer, ausländisches Bier muss das nicht erfüllen und darf auch bei uns frei verkauft werden.
Das Vorläufiges Biergesetz
http://archiv.jura.uni-saarland.de/BGBl ... 400.1.HTML
Dort ist einiges geregelt, aber ich finde nichts zum Mälzen.
Es steht dort:
(3) Unter Malz wird alles künstlich zum Keimen gebrachte Getreide verstanden.
Weiter ist nichts geregelt.
Seit 2021 gibt es ergänzend die Verordnung zur Durchführung unionsrecht ... g - LMZDV).
In §3 ist geregelt
§ 3 Bier


Bei der Herstellung von Bier, das unter der Bezeichnung „nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut" oder unter gleichsinnigen Angaben in den Verkehr gebracht wird, dürfen als Lebensmittelzusatzstoffe nur verwendet werden:

1. bei der Herstellung von Bier abgefangenes Kohlendioxid oder

2. Kohlendioxid und Stickstoff, wenn
a) sie bis auf technisch unvermeidbare Mengen nicht in das Bier übergehen und
b) durch die Verwendung keine Erhöhung des Kohlensäuregehaltes des Bieres eintritt.
Das gilt nur für Biere bei denen mit dem nicht existierenden Reinheitsgebot geworben wird. Biere ohne diesen Hinweis dürfen ohne Einschränkung gebraut werden, so lange sie der EU Verordnung genügt.

Für Whiskey hat das Reinheitsgebot noch nie gegolten.

Ich bin der Meinung dass die EU Verordnung klargestellt hat dass Gibberellin unschädlich ist und uneingeschränkt als Zusatzstoff verwendet werden darf. Bei Bier ausserhalb des Reinheitsgebots.
Das hat die EU ja nicht einfach so gemacht, sondern auf der Basis folgender Untersuchung:
Gibberellic acid RR Nov 2014.pdf
(156.49 KiB) 146-mal heruntergeladen
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