Die klassische Selbstbau-Hobbydestille besteht aus einem Edelstahlkochtopf oder Bierfass und ein paar Kupferrohren. Also anteilig relativ wenig Kupfer, verglichen mit einer schottischen Potstill, einer amerikanischen column-still oder auch einer deutschen Holstein für Obstbrenner. Sind wir also auf dem Holzweg mit der oft gelesenen Meinung "Hauptsache der Dampf hat ein bisschen Kupferkontakt"? Überhaupt: Warum kann die Reaktion mit Kupfer nicht im Kessel oder vielleicht sogar im Kühler stattfinden? Warum angeblich nur im Dampfraum?
Hierzu gibt es eine Studie:
The Impact of Copper in Different Parts of Malt Whisky Pot Stills on New Make Spirit Composition and Aroma von B. Harrison, O. Fagnen, F. Jack und J. Brosnan, 2010, 2.1MB.
Getestet wurde dort der Einfluss von Kupfer auf Schwefelverbindungen an sechs Positionen: Kessel, Steigrohr und Kühler einer kleinen wash still (Raubrandpotstill) und dasselbe bei einer kleinen spirit still (Feinbrandpotstill).
Das Resultat:
Also genau das Gegenteil wurde bemerkt: Der Kühler beim Raubrand und der Kessel beim Feinbrand waren am effektivsten. Warum? Wissen die auch nicht. Aber an jeder Stelle hat Kupfer was gebracht. Und auch wenn DMTS (Dimethyltrisulfid) als Hauptverantwortlicher für "sulfury and meaty aromas" identifiziert ist, gibt es noch zahlreiche andere unbekannte Verbindungen, die durch das Kupfer beeinflusst wurden.The presence of copper in pot stills was confirmed as being important for the control of sulphury and meaty aromas in new make spirit, and DMTS levels showed a good correlation with these aromas. In these laboratory scale distillations, copper was found to reduce the level of this compound best when placed in the wash still condenser or spirit still pot. In order to improve control of this compound, the reasons why these areas of the stills are more efficient than others at reducing DMTS need to be elucidated. Copper in the spirit still condenser also appeared to play a role in controlling sulphury and meaty aromas, but the mechanism for this effect is, as yet, unclear. These results suggest that removing copper from any of these sections in industrial scale stills is likely to have the most significant impact on new make spirit aroma. Additionally, it was noted that whilst DMTS made a significant contribution to sulphury and meaty aromas, other, as yet unknown, compounds make an important contribution and future research efforts should focus on identifying such compounds.
Blankes oder oxidiertes Kupfer?
Einerseits zB in dieser Studie:
Andererseits zB auf der Seite von Holstein:When used for the first time, the laboratory copper stills produced a spirit with a relatively sulphury and meaty aroma. Several repeat distillations were required prior to the start of this experiment to reduce this aroma suggesting that some corrosion of the copper may have been required in order to activate it.
Also komplett gegensätzliche Meinungen. Man sollte sich vielleicht besser nicht festlegen.... die Eigenschaft des blanken Kupfers Schwefelverbindungen (entstanden z.B. durch abgestorbene Hefezellen) zu binden. Katalysatoren verstärken diese Eigenschaft der Brennerei durch ihre große Oberfläche natürlich beträchtlich. Diese blanken Kupferoberflächen müssen vom Brenner mehrmals in der Saison hergestellt werden.
Man kann jetzt natürlich viel über Details der Studie spekulieren, aber am Ende zählt ja nur der Erfolg (und der Aufwand dafür). Kupfer scheint sich überall eingesetzt zu lohnen. Sehr effektiv selbst im Raubrandkühler, also am Ende der ersten Destillation. Warum dann nicht nach der ersten Destillation, also während der Raubrand auf den Feinbrand wartet? Und vielleicht hatte die Reaktion ja gar nicht im Raubrand-Kühler stattgefunden, sondern erst auf dem Weg zum Labor? Also der leicht saure Raubrand hat Kupferoxid aus dem Kühler gelöst und mitgenommen, welches dann ein paar Tage Zeit hatte, den Schwefel zu binden? Reine Spekulation. Aber wenn man wirklich außerhalb der Destille für wirksamen Kupferkontakt sorgen könnte, müsste man sich über Nachteile von Edelstahldestillen keine Gedanken mehr machen. Es gibt also vielleicht viel zu gewinnen. ZB mit ein paar Kupferrohren im Raubrandbehälter. Oder vielleicht auch vor der ersten Destillation, also während der Gärung oder dem Maischen (Hefe kann man zwar mit Kupfer vergiften, aber eine gegen die Schwefelverbindungen wirksame Dosis ist für die Hefe noch längst kein Problem).
Was verliert man, testweise eine Hälfte des Raubrands mit Kupferrohren zu bestücken und die andere Hälfte nicht, und nach einer Woche mal zu schauen, ob es unterschiedlich riecht?
Ich hab das vor längerer Zeit gemacht (war nicht meine Idee) und wahr so positiv überrascht, daß ich mich entschlossen habe, auch noch den Rest des Raubrands vor dem Destillieren mit Kupfer zu bestücken und in Zukunft keinen einzigen Brand mehr ohne Kupferzusatz in irgendeiner Form zu machen. Also Kupferrohr, -schrubber, -draht, -pulver oder wie im Weinbau lösliche Kupferverbindungen entweder zur Maische oder in den Raubrand zu geben. Der Geruch ist viel klarer. Das, was ich immer für Hefemuff gehalten hatte, ist weg.
Hier über Kupferbehandlung von Wein:
"Zwischen Mythen und Fakten: Kupfer gegen Böckser" aus "Die Winzer-Zeitschrift", Juli 2013, 216kB
Das sind sehr niedrige Mengen, welche aber anscheinend einen großen Einfluss haben. 1mg Kupfersulfat pro liter Maische. Eine ganz kleine Messerspitze also. Maximal ist bei Wein übrigens 10mg/l erlaubt. Da wir danach ja destillieren und daher die Trennung von dem Kupfersulfat sowieso viel vollständiger ist als bei Wein, wo man höchstens im Bodensatz etwas davon loswird, braucht uns dieser Grenzwert eigentlich aber nicht zu interessieren.Böckser zählen zu den häufigsten Weinfehlern und werden sehr kontrovers diskutiert. Ihre Ursachen sind vielfältig und in der Literatur hinreichend beschrieben. Eine wesentliche und über jeden Zweifel erhabene Rolle spielt dabei die weitläufige Verwendung von Edelstahl in der modernen Kellertechnik. Sie führt zu Weinen, die annähernd frei von Kupfer sind, weil aus dem Weingarten resultierendes Kupfer durch die gärende Hefe adsorbiert und entfernt wird. Dienliche Spuren von Kupfer, welche die den Böcksern zugrunde liegenden, flüchtige Schwefelverbindungen beseitigen könnten, fehlen in modernen Weinen. Dies war nicht immer so ... Historisch gesehen waren erhöhte Kupfergehalte eher die Regel als die Ausnahme. Verantwortlich dafür waren die früher in der Kellertechnik verbreiteten Messingarmaturen, die mehr oder weniger große, aber auf jeden Fall unkontrollierte Mengen an Kupfer an den Wein abgaben. Manchmal waren sie so hoch, dass Kupfertrübungen auf der Flasche auftraten. Unter diesen Bedingungen waren Böckser seltene Ausnahmeerscheinungen ... Die den Böckser verursachenden Verbindungen reagieren ausschließlich mit dem reinen Kupferion (Cu+) völlig unabhängig davon, ob dieses in Form von Sulfat, Citrat oder eines anderen Salzes in den Wein eingebracht wird. Ausschlaggebend für den Effekt ist nur die Menge des eingebrachten Kupfers, während seine Bindungsform und makroskopische Aufbereitung keine Rolle spielen. Die überwiegende Mehrzahl der Böckser, weit über 90%, können mit einer Kupfermenge von 0,25 mg/l Cu+ beseitigt oder verhindert werden. Dies entspricht 1 mg/l bzw. 0,1 g/hl Kupfersulfat ... Wird der Wein zur Böckserbehandlung über ein Kupfersieb oder -blech laufen gelassen, erfolgt eine völlig unkontrollierte Kupferaufnahme. Es ist bezeichnend für die Emotionalität und Esoterik in der önologischen Entscheidungsfindung, dass eine passive Aufnahme von Kupfer mittels traditioneller, handwerklicher und unkalkulierbarer Methoden akzeptiert wird, während der aktive Zusatz exakt dosierbarer Kupfersalze auf starke Vorbehalte stößt.
Warum aber klappt es, daß man Kupfersulfat auflößt, also daß man eine Schwefelverbindung zugibt, um eine Schwefelverbindung loszuwerden? Das liegt daran, daß es flüchtige und nicht-flüchtige Schwefelverbindungen gibt. Das Ziel ist es, die flüchtigen in nicht-flüchtige umzuwandeln. Hier die Reaktionsgleichung, wie ein Böckser mit Kupfersulfat beseitigt wird:
H2S + CuSO4 -> CuS + H2SO4
müffelnder Schwefelwasserstoff + Kupfersulfat -> Kupfersulfid + geruchlose Schwefelsäure
Aber man kann natürlich auch eine andere Kupferverbindung verwenden. ZB Kupferoxid oder Kupfercarbonat, welche in Säuren löslich sind. Oder eines von beiden in Zitronensäure auflösen und als Lösung aufbewahren. Oder Kupfercitrat aus massivem Kupfer, Zitronensäure und Wasserstoffperoxid herstellen. Es geht ja nur um "die Menge des eingebrachten Kupfers, während seine Bindungsform und makroskopische Aufbereitung keine Rolle spielen." Die Reaktionsgleichung heißt dann:
H2S + Cu-Ionen -> CuS + wasauchimmer
Ist H2S der Hauptübeltäter?
"Der Böckser - ein abstoßender Weinfehler - Ursache, Vermeidung und Beseitigung -" von E. R. Funk
http://www.lvwo-bw.de/pb/,Lde/671158
Aha. Also ist H2S der Ausgangsstoff für weitere Problemstoffe. Die Beseitigung von H2S lohnt sich also auch indirekt....Innerhalb kurzer Zeit kann schon während der Vergärung und im Jungwein verbleibender Schwefelwasserstoff mit Alkohol zu Ethylmercaptan bzw. Thioalkoholen reagieren, eine Substanz, die an Zwiebel und verbrannten Gummi erinnert...Durch Oxidation reagieren sie weiter zu Disulfiden (Dimethylsulfid, Diethylsulfid) deren Geruch an grünen Spargel oder gekochten Mais erinnert...
Aber zumindest bei Dimethyltrisulfid scheint es zu funktionieren. Siehe die Studie. Aber egal, wenn vorher schon alles H2S zu CuS gewandelt wurde....Kupferionen sprechen auf diese Verbindungen nicht an, Schönungsmaßnahmen mit Kupferpräparaten sind wirkungslos...
Damit das H2S nicht genug Zeit hat, sich zu Disulfiden weiterzuentwickeln....Grundsätzlich gilt, je früher ein Böckser behandelt wird, desto größer ist die Chance einer erfolgreichen Beseitigung und desto weniger leidet auch die Weinqualität...
Hier noch eine andere Studie:
"Pear Distillates from Pear Juice Concentrate: Effect of Lees in the Aromatic Composition" von L. Garcia-Llobodanin, I. Achaerandio, M. Ferrando, C. Güell und F.Lopez, 2007, 108kB
Hier geht es zwar primär darum, ob man bei Birnenbrand die Feststoffe vor dem Destillieren rausnehmen soll, aber auch zu Kupfer gibts Resultate, da alle Experimente sowohl in Kupfer-Alembics als auch in Glas-Alembics gemacht wurden:
... it can be concluded that the concentrations of the compounds that are considered to have a negative effect on the quality of the distillates (methanol, ethyl acetate, furfural) decrease or do not change when they are distilled in the presence of lees and in the copper alembic ... So, it can be assumed that the distillation of pear wine with its lees in copper alembic leads to a better quality product ... the copper alembic seems to be the best equipment for performing the distillations, either with or without lees ...
Also falls es jemand für möglich hält, daß es an seinen ja hervorragenden jedes Spitzenprodukt in den Schatten stellenden Schnäpsen vielleicht doch noch etwas zu verbessern geben könnte, vielleicht liegt hier ein Schlüssel dazu.