Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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derwo
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Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von derwo »

Vorlauf ist das, was man vor dem Mittellauf abtrennt. Und Nachlauf ist das, was man nach dem Mittellauf sammelt.

Meistens wird die Destillation von Bränden ja so erklärt, daß zuerst die Verbindungen mit niedrigerem und dann die mit höherem Siedepunkt verdampfen. Und die mit niedrigerem Siedepunkt als Ethanol sind der Vorlauf.
Dies trifft aber nur zu, wenn man mit einer Kolonne das Destillat hoch aufkonzentriert (auf über 95vol% Alkohol). Wenn man dagegen mit einer Potstill brennt, sind zwei wichtige Punkte komplett anders:

1. Die Trennung: Wie bei einem Aquarell nass in nass die Farben verlaufen, so vermischen sich bei einem Potstillbrand die Fraktionen. Auch der allererste Tropfen wird größtenteils aus Ethanol und Wasser bestehen.

2. Die Reihenfolge der Substanzen: Der Siedepunkt einer Substanz sagt nichts darüber aus, wann und in welcher Menge diese Substanz verdampft, wenn sie verdünnt vorliegt. Da eine Potstill nicht hoch aufkonzentrieren kann, sind diese Siedepunkte ziemlich irrelevant.
So finden sich im Vorlauf nicht nur Substanzen mit niedrigem Siedepunkt (zB Acetaldehyd, 20°C, stechend apfelfruchtig), sondern auch welche mit ähnlichem Siedepunkt (zB Ethylacetat, 77°C, Uhu-Geruch) wie Ethanol (78°C) und auch sehr viele mit deutlich höherem Siedepunkt sogar als Wasser (zB div. Fuselalkohole und Fruchtester). Dagegen sammelt sich zB Methanol nicht im Vorlauf, obwohl dessen Siedepunkt mit 65°C deutlich unter dem von Ethanol liegt. Folgende Grafik macht es deutlich:
Figure 8. Relative volatility of congeners and ethanol.PNG
Figure 8. Relative volatility of congeners and ethanol.PNG (44.15 KiB) 13173 mal betrachtet
Quelle: "From pot stills to continuous stills: flavor modification by distillation" von Robert Piggot. Veröffentlicht in The Alcohol Textbook, Kapitel 17.

Wenn also 10vol% Alkohol im Kessel sind (linkes Ende der Grafik), sammeln sich alle hier genannten "Congener" bis auf Methanol eher im Vorlauf, da ihre "Volatility" höher ist als die von Ethanol. Wenn man dagegen hoch rektifiziert (rechtes Ende der Grafik), sind die niedrigsiedenden Stoffe im Vorlauf und die hochsiedenden Stoffe im Nachlauf (wie es ja auch wegen der Siedepunkte logisch erscheint).

Dies steht im Gegensatz zu fast allen Informationen, welche man sonst im Internet oder auch in Büchern findet. Außer in wissenschaftlichen Schriften. So gut wie überall steht, daß Methanol im Vorlauf ist und die Fuselalkohole im Nachlauf. Wegen ihrer Siedepunkte.

In der Praxis bewahrheitet sich diese Grafik allerdings sehr schnell:
ZB Wenn man weiß, wie Fuselalkohole riechen (chemisch nach Lösungsmiteln). Sowohl daß sie bei einem Potstillbrand eher am Anfang kommen, als auch daß sie bei einer Rektifikation konzentriert am Ende der Destillation (also im Nachlauf, wenn man ihn nicht vorher beendet) kommen, ist klar erriechbar.
Oder zB wie gut sich der UHU-Geruch (Ethylacetat) trotz seines fast gleichen Siedepunktes wie Ethanol selbst mit einer Potstill abtrennen lässt.
Daß Methanol eher wenig im Vorlauf ist, eher im Nachlauf, bzw überall und auch viel im Kessel zurückbleibt, lässt sich sensorisch leider nicht belegen, da Methanol einen ähnlich unaufdringlichen Geruch wie Ethanol hat.

Diese Grafik ist aber nicht die einzige wissenschaftliche Quelle, die dieses überraschende Verhalten belegt. Ich werde auch noch ein paar andere Quellen nachlegen.

Und natürlich weiß auch die Alkoholindustrie für zB Treibstoffe, daß sie das Methanol nicht einfach so konzentriert in den Vorlauf bekommt: In ihren Kolonnen können zwar...

-die "echten Vorlaufstoffe", also vor allem Ethylacetat und Acetaldehyd, in der Kolonne oben gut konzentriert gesammelt werden. Deren Flüchtigkeit ist ja laut Grafik bei jedem Alkoholgehalt sehr hoch.

-die höheren Alkohole an bestimmten Punkten der Kolonne halbwegs angereichert abgezogen werden. Laut Grafik ist die Flüchtigkeit bei niedrigen % erhöht. Die höheren Alkohole wandern also die Kolonne hoch. Ab einer gewissen Alkoholstärke (der Alkoholgehalt in der Kolonne steigt ja mit der Höhe) ist aber die Flüchtigkeit niedriger als die von Ethanol. Also bleiben die höheren Alkohole an einem bestimmten Punkt im unteren Drittel der Kolonne stehen und können dort durch Ventile abgezogen werden.

...aber Methanol wandert nur zu einem kleinen Teil die Kolonne hoch (rel. niedrige Flüchtigkeit bei niedrigen %). Der Teil, der hochwandert, hat aber recht gute Chancen, bis nach ganz oben zu gelangen. Wegen der höheren Flüchtigkeit bei hohen %. Wenn am Ende eine Methanolreduzierung nötig ist (wenn der Ausgangsstoff sehr methanolhaltig war), wird am Ende das ansonsten fertige Destillat durch eine zusätzliche Kolonne ("Demethylizer") geleitet, wo es mit über 95% unverdünnt nochmal destilliert wird. Denn nur unverdünnt und mit viel Rektifikation gibt es eine gute Methanolaufkonzentrierung am oberen Ende der Kolonne.

Leider sind auch viele gute Aromastoffe sehr flüchtig und sammeln sich daher am Anfang der Destillation. Es ist daher komplex. Und wir können -zumindest mit einer Potstill- auch nur wenig beeinflussen. Sie hat quasi zwar ein Gaspedal, aber kein Lenkrad. Es kommt wie's kommt.
Daher muss meiner Meinung nach grundsätzlich nach Geruch und Geschmack abgetrennt werden. Alle anderen Methoden (zB nach Dampftemperatur oder pauschal nach Menge) können einem höchstens Bereiche freiräumen, welche man nicht sensorisch überprüfen muss. Also zB "das erste Stamperl kommt auf jeden Fall mal weg" oder "bis 89°C ist sicher noch Mittellauf und nach 95°C sicher bereits Nachlauf".

Apropos Nachlauf. Wenn denn lauter Stoffe, welche eigentlich einen hohen Siedepunkt haben, nun überraschenderweise im Vorlauf sind, was ist denn dann eigentlich im Nachlauf außer Wasser und ein bisschen Alkohol? Was ist verantwortlich für den schlechten Geruch und Geschmack? Die für manche vielleicht überaschende Antwort: Vor allem Säuren. Viele der Säuren, welche die Hefe (und Bakterien) produziert, sind nur schwach flüchtig und gehen erst bei der im Nachlauf hohen Temperatur bzw niedrigem Alkohlgehalt ins Destillat über. Das ist mit einem pH-Messgerät messbar und auch ganz klar schmeckbar. Nachlauf schmeckt sauer. Die zahlenmäßig wichtigste Säure ist normalerweise Essigsäure. Meiner Meinung nach nur schwer erkennbar, da im Nachlauf noch viele andere geschmacksstarke Stoffe sind. Sie werden meist zusammenfassend Fuselöle genannt, ein sehr schwammiger Begriff. Man beachte hier den Unterschied zwischen Fuselöl und Fuselalkohol. Theoretisch ist zwar Fuselalkohol ein Teil des Fuselöls, praktisch trifft das aber höchstens für die Herstellung von Neutralalkohol/Vodka bzw Brennstoffen zu.
Da die Säuren eher schmeckbar als riechbar sind, sollte man den Nachlauf nicht mit der Nase abtrennen, sondern nach Geschmack.
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derwo
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von derwo »

Hier die angekündigten Quellen:

"Effects of distillation cut on the distribution of higher alcohols and esters in brandy produced from three plum varieties" von Spaho, D&uumlrr, Grba, Velagic-Habul und Blesic, 836kB.
In der Table 2 kann man genau sehen, welche Stoffe wie viel im Vorlauf (I), Mittellauf (II) und Nachlauf (III) sind, auch in Abhängigkeit, ob man beim zweiten Brand den Mittellauf bei 40, 45 oder 50% beendet.
Man sieht,
1. daß alle in halbwegs großer Zahl vorhandenen höhere Alkohole vor allem im Vorlauf und Mittellauf zu finden sind. Im Vorlauf meist etwas mehr als im Mittellauf. Im Nachlauf nur sehr wenig.
2. daß der zahlenmäßig wichtigste Ester Ethylacetat sehr stark im Vorlauf konzentriert ist, andere Ester aber zum Teil sogar eher im Nachlauf kommen.

"Pear Distillates from Pear Juice Concentrate: Effect of Lees in the Aromatic Composition" von Garcia-Llobodanin, Achaerandio, Ferrando, Güell und Lopez, 108kB
Laut dem Titel geht es also hauptsächlich um den Einfluß der Fruchtschalen auf den Methanolgehalt. Aber auch noch viele andere Dinge kann man der pdf entnehmen, vor allem aus den Graphen auf Seite 4:
1.Graph: Wie erwartet sinkt der Alkoholgehalt während der Destillation. Aber der Methanolgehalt bleibt konstant bzw steigt leicht an.
2.Graph: Sowohl Ester als auch höhere Alkohole kommen am Anfang der Destillation.
3.Graph: Acetaldehyd ist ein typischer Vorlaufstoff, Furfural ein Nachlaufstoff mit aber auch recht hoher Konzentraton im Mittellauf.

"A New Approach to the Identification of Flavour Compounds in Rum" von Allan, 4.3MB
Die kleine Tabelle zeigt, wo sich die Stoffe in einer kontinuierlichen Kolonne gehäuft ansammeln. Die Kolonne hat 34 Platten. 1 ist die oberste, 34 die unterste. Ethylacetat (also Ester) ist ganz oben, die Fuselalkohole sind irgendwo zwischen der Mitte und unterem Drittel. Bei einer so hohen Kolonne wie dieser verhalten sich die Stoffe also ihren Siedepunkten gemäß.

"Volatilization kinetics of secondary compounds from sugarcane spirits during double distillation in rectifying still" von Alcarde, de Souza und de Souza Belluco, 223kB
Auch hier geht es um eine Kolonne. Aber eine diskontinuierliche. Also das, was auch wir zum Teil verwenden. Und sie läuft mit relativ niedrigem Reflux.
Auf S.3 die Tabelle zeigt, in welchen Fraktionen Ethanol, flüchtige Säuren, Aldehyde, Ester, Methanol und höhere Alkohole bei einem Raubrand in welcher Menge auftauchen. S.5 bei einem Feinbrand. Wohlgemekt bei einer Rektifikationsdestille. Und wichtig zu sagen ist, daß in diesem Fall alle Werte (außer die von Ethanol) in Abhängigkeit zum Alkoholgehalt gestellt sind, als mg pro 100ml reinem Alkohol. Da der Alkoholgehalt aber ja stetig abnimmt, sind die realen Werte also eigentlich höher, je tiefer man die Tabellen nach unten geht.
- ZB beim Raubrand die volatile acidity (flüchtige Säuren) sind in der ersten Fraktion 8.92mg. Die 75.39% Akohol berücksichtigend sind es also reelle 8.92 : 0.7539 = 11.8mg. Der letzte Wert 193.8mg bei 4.75% bedeutet also reell 193.8 : 0.0475 = 4080mg. Die flüchtigen Säuren liegen also am Anfang der Destillation bei 8.92mg, am Ende bei 4080mg. Deshalb ist Nachlauf sauer.
- Die Aldehyde und Ester sind nur am Anfang stark und schon bald nicht mehr nachweisbar.
- Methanol schaut so aus, als wäre es im Vorlauf halbwegs konzentriert. Das liegt einerseits am Rektifikationseffekt, andererseits wenn man nachrechnet, schaut es etwas anders aus: Beim Feinbrand 52.32mg bei 84.19% = reell 62.1mg, in der 24. Fraktion (ich wähle sie, weil sie ein möglicher Abtrennpunkt für den Nachlauf ist) immerhin noch 5.74 : 0.5139 = immerhin noch 11.2mg. Und im späteren Nachlaufbereich steigt der Methanolgehalt auch wieder stark an.
- die höheren Alkohole sind beim Raubrand relativ stark in den ersten Fraktionen, beim Feinbrand (also bei höherem Alkoholgehalt) sind sie überall, nur im späten Nachlauf dann kaum noch.
hefezelle
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von hefezelle »

Das Flüchtigkeits-Diagramm und das pdf über sugarcane haben mich veranlasst, meine Raubrände aus der Potstill in drei Fraktionen zu sammeln, wenn ich Neutralalk produzieren will. Das mach ich so oft, bis ich von jedem Drittel genug hab, um es separat weiterzuverarbeiten. Im ersten Drittel ist dann der Großteil der Fuselalkohole, aber in so hoher Ethanol-Konzentration, dass sie weniger flüchtig werden und sich gut abtrennen lassen. Es ist doch eigentlich ziemlich dumm, dass wir typischerweise das Destillat aus dem Raubrand zusammenschütten, wodurch die Ethanol-Konzentration in dem Bereich landet, wo die ungewünschten Substanzen sich am schlechtesten Abtrennen lassen!
Man muß die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.
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derwo
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von derwo »

Du schreibst über Neutralalkohol aus Zuckerwasser?

Sagen wir du hast dann folgende drei Fraktionen:
1. 60vol% mit dem Vorlauf, den Estern und Aldehyden und vielen höheren Alkoholen.
2. 40vol% mit schon beginnenden Säuren und Fuselölen.
3. 20vol% sehr stark durch Säuren und Fuselöle beeinträchtigt.

Und was dann bei den Feinbränden?

2 und 3 bekommst du sauber. Wie viel davon, hängt von der Rektifizierung ab. So lange die % hoch sind, bleiben die Säuren und die Fuselöle unten. Du könntest zudem vor dem Feinbrand die Säuren neutralisieren und die Fuselöle mit Aktivkohle reduzieren.

Aber mit Nr.1? Du trennst natürlich dann erstmal die Aldehyde und Ester als Vorlauf ab. Und dann sinkt aber der Alkoholgehalt und die Fuselalkohole gehen nach oben. Außer du rektifizierst und hältst damit die % hoch.
Aber wenn du eh rektifizierst, warum dann die Aufteilung in drei Fraktionen?

Prinzipiell ist es schon geschickt, das Destillat aufzuteilen. Dann kann man jeden Teil "nach seinen Bedürfnissen" feinbrennen. Aber ob das hier konkret merkbar was bringt? Und wenn man nur einen Kessel hat, bedeutet das nicht vier Raubrände für einen Feinbrand, sondern zwölf Raubrände für drei Feinbrände. Das kann im konkreten Fall einfach zu viel sein.

Meiner Meinung nach die Konsequenz aus diesen Daten für Neutralalkohol wäre:
1. Fuselalkohole möglichst wenig entstehen lassen. Also die Hefe gut mit mineralischem Stickstoff versorgen.
2. Auch bei den Raubränden Vorlauf abtrennen.
3. Schwieriger zu verwirklichen: Im unteren Drittel der Feinbrandkolonne ein "bleed off" einzubauen, wo permanent recht gut aufkonzentrierte höhere Alkohole abgezogen werden können.
hefezelle
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von hefezelle »

Ja genau, ich rede von Neutral-Alk aus Zuckermaische. Aber das Konzept wird wohl für jede Maische funktionieren, die kein tolles Aroma hat und wo man Neutral-Alk draus machen will.

Ich würd alle drei Fraktionen beim Feinbrand refluxen, aber die Fraktion 1 halt nicht verdünnen. Dann kann man aus der schon mal die Hälfte vom Alk rausbrennen, bevor die Fuselakohole überhaupt die Kolonne hochkriechen. Vor allem schmiert man sich mit der Aufteilung die Fuselalkohole nicht ins mittlere Drittel, aus dem man wolh einfacher recht viel Neutralen ziehen kann so.

Selbst mit "bleed off" an der Destille würd ich den Raubrand aufteilen in Drittel, dort wo es möglich ist. Das Bissl Lagerplatz das man aufwenden muss, könnte sich schon rentieren, wenn man dann den Feinbrand effizienter durchführen kann. Aber noch hab ich keinen Vergleich wie gut die Methode ist!
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derwo
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von derwo »

Hier eine Ergänzung zu Aceton:

Man liest manchmal, im Vorlauf wäre Aceton. Da ich aber in wissenschaftlichen Schriften nie irgendwelche Hinweise darauf gefunden hatte, dachte ich immer, es wäre halt eines dieser immer weitergetragenen Falschinformationen wie das Methanol im Vorlauf und die Fuselalkohole im Nachlauf. Und Aceton hat ja auch wirklich einen zum Vorlauf passenden Geruch.
Nun aber ist mir doch neulich eine pdf untergekommen, wo Aceton erwähnt wird:
Distilled alcoholic beverage production using reactive distillation techniques von J.D.Rochte, 2018, 5.9MB.
Eigentlich geht es in der pdf um was anderes, aber auf den Seiten 18, 19, 21, 34, 38, 39, 45 und 54 gibt es tatsächlich auch Messungen von Aceton im Vorlauf.
Auf S.45 ist am meisten zu sehen: Man sieht, daß sich Aceton im Vorlauf konzentriert, aber die Menge vielleicht 1/50 der von Ethylacetat entspricht.
Und bei Aceton liegt laut Internet die Wahrnehmungsgrenze bei 20-400ppm, je nach Empfindlichkeit der Nase, und die von Ethylacetat liegt bei 6.4-50ppm. Also etwa sieben mal niedriger. Das bedeutet, der Geruch von Aceton im Vorlauf ist grob geschätzt 7 x 50 = 350 mal kleiner als der von Ethylacetat.

Daher finde ich, kann man das Thema Aceton im Vorlauf ruhig vernachlässigen.
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derwo
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von derwo »

hefezelle hat geschrieben: 6. Dez 2018, 12:16 Das Flüchtigkeits-Diagramm und das pdf über sugarcane haben mich veranlasst, meine Raubrände aus der Potstill in drei Fraktionen zu sammeln, wenn ich Neutralalk produzieren will. Das mach ich so oft, bis ich von jedem Drittel genug hab, um es separat weiterzuverarbeiten. Im ersten Drittel ist dann der Großteil der Fuselalkohole, aber in so hoher Ethanol-Konzentration, dass sie weniger flüchtig werden und sich gut abtrennen lassen. Es ist doch eigentlich ziemlich dumm, dass wir typischerweise das Destillat aus dem Raubrand zusammenschütten, wodurch die Ethanol-Konzentration in dem Bereich landet, wo die ungewünschten Substanzen sich am schlechtesten Abtrennen lassen!
Anscheinend machen so was ähnliches manche in Osteuropa:
https://homedistiller.org/forum/viewtop ... bc6a634007

Also er splittet den Raubrand in zwei Teile und verarbeitet sie dann seperat weiter. Den ersten Teil verdünnt er vor dem zweiten Brand. Weil:
The idea. The fusels sit deep in your pot as long as you have the strength of your wines like 70-80% AbV (ehm, the Irish third run, no?). But they fly easily first if you strip some 5-10% AbV things.
Und so weiter und so fort. Ist interessant zu lesen.

Am Ende erwähnt er noch die Nachteile:
Summary. A lot of labor, too much small runs... A good idea to get more bready fatty acids (jump deeper into the tails to get some cloudy "polugar ethnix")... not good for highly volatile fruit&florals, though (and that's the Russian bread wines' most difference from any Scotch newmake). Constant compromise, endless sacrifice. Just as the true hobbyists like?
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aragones
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Re: Vorlauf - Mittellauf - Nachlauf

Beitrag von aragones »

während ich mir das alles so durchlese frage ich mich wieviel davon all die (Profi bzw registrierten) Kleinbrenner da draußen wissen und anwenden.
Ist ja schon sehr akademisch das Ganze ... aber zugegeben nicht uninteressant mal davon gelesen bzw gehört zu haben.

Ist wie mit allem je mehr Mann eintaucht und denkst davon zu Verstehen umso mehr wundert Mann sich das überhaupt was hinten rauskommt..

so gehts mir mitlerweile mit dem Schnaps wie mit dem Autos ..

Gru? an die Chemiefüchse unter uns
Habe die Ehre Herr Geheimbrannt!