Nachlauf und die Temperatur

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Hubs
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Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von Hubs »

Hallo zusammen.
Ich hab seit zwei Tagen meine 2Liter Tischdestille und bin demzufolge völliger Anfänger.
Bezüglich des Erkennung und Trennung des Nachlaufs über die Temperatur habe ich folgende Frage: Es heiß meistens, ab 90-91 Grad (manchmal heißt es auch 96 ) beginnt der Nachlauf,!
Wenn ich jetzt aber (die Hitze nicht höher als, sagen wir 86 Grad bringe... Entsteht dann kein Nachlauf? Wohl kaum.
Aber ich lasse doch auch die Brennblase nicht immer heißer und heißer werde, oder etwa doch?
Im Idealfall (so meine laienhafte Sicht) bringe ich doch die Temperatur auf etwas über 80 Grad (85/86 vielleicht) und halte sie dort, bis kein Tropfen Kondensat mehr kommt.
Auf dem Weg dahin (ab 65-78 Grad) ergibt sich natürlich automatisch der Vorlauf, aber der Nachlauf müsste doch (zumindest theoretisch) durch die konstante Temperatur unterhalb der bösen 90 Grad-Nachlauf-Grenze vermieden werden können!?
Man möge mich erhellen.
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derwo
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von derwo »

Die Nachlaufprodukte entstehen ja bereits bei der Gärung. Aber das hast du glaube ich verstanden.

Angenommen du misst die Temperatur im Kessel und lässt die Herdplatte ab zB 88°C automatisch ausschalten: Dann wird der Kesselinhalt je nach Alkoholgehalt entweder gar nicht zu kochen beginnen oder recht bald aufhören. Angenommen die Herdplatte schaltet wieder an, sobald die Temperatur unter 88°C gesunken ist, und du lässt das lange laufen, wird der Kesselinhalt recht schnell verdunsten und also auch der Nachlauf wird im Destillat landen.

Angenommen du misst die Temperatur am Übergang zum Geistrohr, wird der Kesselinhalt ebenfalls erst gar nicht zu kochen beginnen oder recht bald aufhören. Dann aber gelangt Luft ans Thermometer und die Temperatur sinkt sehr schnell. Dann schaltet die Herdplatte wieder an, der Kesselinhalt beginnt wieder zu kochen und sobald die Dampf-Luft-Mischung am Thermometer 88°C hat (also der Dampf zB 99°C und die Luft 30°C ergibt zusammen vielleicht 88°C), wird wieder ausgeschaltet. Und so weiter, bis der Kessel trocken ist und alles verdampfbare im Destillat.

Ich weiß, du hast nicht danach gefragt, aber lass dir noch sagen, man kann nicht nach Temperatur abtrennen. Der Siedepunkt hängt nicht vom Nachlauf sondern vom Alkoholgehalt ab. Man kann nur nach Geschmack abtrennen. Je höher der Alkoholgehalt im Kessel, desto höher wird die Temperatur beim Nachlaufbeginn sein, normalerweise. Der Extremfall ist eine Refluxdestille: Da hat der Vorlauf zB 78.0-78.3°C, der Mittellauf 78.3°C und der Nachlauf ebenfalls 78.3°C.
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azeotrop
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von azeotrop »

Hubs
Möglicherweise liegt dein Missverständnis noch eine Stufe tiefer.
Man kann die Kesseltemperatur nicht durch die zugeführte Heizleistung steuern.
Wenn wir den Kesselwäürmeverlust mal ignorieren passiert folgendes.
Bei kaltem Kessel und zugeführter Heizenergie steigt die Kesseltemperatur. Bei wenig Leistung langsamer, bei viel Leistung schneller.
Sie bleibt aber nie stehen.
Irgendwann kocht der Kesselinhalt.
Die Temperatur bei der er kocht hängt nur vom Alkoholgehalt ab. Wenn du den kondensierten Danpf gleich wieder in den Kessel zurück laufen lassen würdest, bliebe diese Temperatur für immer konstant. Egal ob du viel oder wenig heizt.
Viel Heizung gibt viel Dampf, wenig Heizung gibt wenig Dampf. Aber die Temperatur äündert sich nicht.
Erst wenn du den kondensierten Dampf als Destillat entnimmst, passiert was mit der Temperatrur.
Je mehr Alkohol du entnimmst, desto wasserhaltiger wird die Brühe im Kessel.
Mehr Wasser als Alkohol bedeutet aber einen höheren Siedepunkt und damit eine höhere Kesseltemperatur.
Wenn es im Kessel also siedet, entspricht die Kesseltemperatur dem Alkoholgehalt des Kesselinhalts.
Je mehr Alkohol du entnommen hast, desto dünner wird die Brühe im Kessel und desto höher wird die Temperatur.
Es gibt Tabellen und Kurven die es erlauben aus der Temperatur dirékt aúf den Alkoholgehalt des Kessels zu schliessen.
Je niedriger der Alkoholgehalt im Kessel wird, desto größer ist der Anteil der „Nachlaufstoffe“ und desto geringer der Anteil der „guten Bestandteile“ die in den Dampf gehen und als Destillat abgezogen werden.
Wenn jemand sagt: Ich brenne bis 90 Grad, dann meint er eigentlich ich brenne bis im Kessel nur noch soundsoviel Alkohol ist.

Ich hoffe ich habe nichts erklärt was du schon wusstest.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
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Seleni
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von Seleni »

Hi Hubs

ich denke du hast recht: wenn die Dampftemperatur nicht höher als 90° oder 91°C wird, hast du keinen Nachlauf. Da kannst du aber gleich auch mit etwas höherer Leistung fahren und bei 91°C abtrennen, also aufhören den Mittellauf zu sammeln.
Die Frage ist aber wie checkst du, dass die nicht höher wird? Wo liegt das Problem, bei 91°C einfach das Glas zu wechseln und Nachlauf zu sammeln?
DerOberfranke
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von DerOberfranke »

Ich habe hier gerade auch etwas mitgelesen, da ich bald mit meinem ersten Brand beginnen möchte ;)

Aus euren Antworten kann man also auch ableiten, dass ein zu langsamer Brennverlauf - aufgrund der Verdunstungseffekte unterhalb der Siedepunkte - eine stärkere Mittellauf-Nachlauf-Vermischung im Brennprodukt zur Folge hat?
Allerdings würde ich beim zu schnellen brennen zu große Temperaturunterschiede zwischen Maischetemperatur (insbesondere die am beheizten Boden) und des am Geistrohr angebrachten Termometers erzeugen und somit auch wieder ein stark vermischtes Mittellauf-Nachlauf-Gemisch zu haben? Oder kondenstiert ein hoher Anteil des Nachlaufs wieder an der Destillenwand unterhalb des Geistrohres in die Maische zurück?
Des Weiteren wäre interessant zu wissen wie ihr einen Brennvorgang als "zu langsam" oder "zu schnell" definieren würdet.
Denke da wäre eine Formel mit der Einheit °C pro Minute, bezogen auf die Maischemenge/Brennblasengröße (°C/(min*Liter)) ganz interessant.

Am schärfsten lässt sich also nur der Vorlauf abtrennen, wobei ein zu frühes Abtrennen auch interessante Aromen, insbesondere bei Obstmaischen, flöten gehen lässt?

hoffe das wurde nicht zu offtopic, aber das Thema hat bei mir gerade auch ein paar Fragen aufgeworfen.
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derwo
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von derwo »

DerOberfranke hat geschrieben: 19. Apr 2020, 12:16 Aus euren Antworten kann man also auch ableiten, dass ein zu langsamer Brennverlauf - aufgrund der Verdunstungseffekte unterhalb der Siedepunkte - eine stärkere Mittellauf-Nachlauf-Vermischung im Brennprodukt zur Folge hat? Nicht wirklich. Es bedeutet nur, daß das Thermometer in solchen Extremfällen nicht die Siede- bzw Dampftemperatur anzeigt.
Allerdings würde ich beim zu schnellen brennen zu große Temperaturunterschiede zwischen Maischetemperatur (insbesondere die am beheizten Boden) und des am Geistrohr angebrachten Termometers erzeugen und somit auch wieder ein stark vermischtes Mittellauf-Nachlauf-Gemisch zu haben? Rein physikalisch gibt es keinen Temperaturunterschied zwischen der Maische und dem Dampf direkt darüber. Höchstens misst das Thermometer unterschiedlich Oder kondenstiert ein hoher Anteil des Nachlaufs wieder an der Destillenwand unterhalb des Geistrohres in die Maische zurück? Das schon. Und da ist der eine von zwei Punkten, warum langsam Destillieren eine schärfere Trennung ermöglicht. Beim Langsambrennen hat der Deckel und das Steigrohr die selbe Kühlkraft wie beim Schnellbrennen. Also beim Langsambrennen mehr Kühlkraft pro Heizleistung. Ein größerer Anteil des Dampfes wird also zurückgeworfen.
Der zweite Punkt ist, daß Dampf umso mehr hochsiedende Stoffe mitreißt, je schneller er ist. Also mit derselben Destille werden bei hoher Leistung mehr solche Stoffe mitgerissen, welche rein aufgrund ihrer Flüchtigkeit sonst nicht mitkommen würden.

Des Weiteren wäre interessant zu wissen wie ihr einen Brennvorgang als "zu langsam" oder "zu schnell" definieren würdet.
Denke da wäre eine Formel mit der Einheit °C pro Minute, bezogen auf die Maischemenge/Brennblasengröße (°C/(min*Liter)) ganz interessant. Mir ging es hier jetzt persönlich um den Extremfall. Also was passiert, wenn man die Temperatur stur bei zB 91° hält. Die Antwort auf deine Frage kann ganz verschieden ausfallen. Ich persönlich denke, daß wir Fehler machen, wenn wir uns einbilden, wir könnten unsere Hobbydestillationen schneller durchfühen als die Profis mit Großanlagen. Also ich persönlich denke, daß, wenn der Profi mit 1000l-Destille 5 Stunden braucht, wir mit 10l auch 5 Stunden brauchen könnten.

Am schärfsten lässt sich also nur der Vorlauf abtrennen, wobei ein zu frühes Abtrennen auch interessante Aromen, insbesondere bei Obstmaischen, flöten gehen lässt? Beim Vorlauf passiert in kurzer Zeit viel mehr als beim Übergang zum Nachlauf. Man hat automatisch dadurch einen sehr starken Trennungseindruck. Die ersten 10ml volle Kante Kleber und vielleicht chemisches Fruchtaroma, dann 10ml Kleber mit weniger Frucht, dann 10ml bisschen Kleber, dann ok zum Beispiel. Selbst bei einer großen Refluxdestille gibt es keinen scharfen Schnitt zwischen Mittellauf und Nachlauf.
DerOberfranke
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von DerOberfranke »

derwo hat geschrieben: 19. Apr 2020, 15:04 Rein physikalisch gibt es keinen Temperaturunterschied zwischen der Maische und dem Dampf direkt darüber. Höchstens misst das Thermometer unterschiedlich
okey, ich dachte dass z.B. die Maische direkt am Boden deutlich heißer ist, siedet und bereits mehr Nachlauf enthält als die Maische an der obersten Position. Oder gleicht sich das wieder aus, da die aufsteigenden Dämpfe der heißeren Bodenmaische, von der kühleren Maische oberhalb wieder zurückkondensiert werden.

Das schon. Und da ist der eine von zwei Punkten, warum langsam Destillieren eine schärfere Trennung ermöglicht. Beim Langsambrennen hat der Deckel und das Steigrohr die selbe Kühlkraft wie beim Schnellbrennen. Also beim Langsambrennen mehr Kühlkraft pro Heizleistung.
okey das ist nachvollziehbar, also kann man durch zu langsames destillieren weniger kaputt machen als wenn man Vollgas gibt.

Am schärfsten lässt sich also nur der Vorlauf abtrennen, wobei ein zu frühes Abtrennen auch interessante Aromen, insbesondere bei Obstmaischen, flöten gehen lässt? Beim Vorlauf passiert in kurzer Zeit viel mehr als beim Übergang zum Nachlauf. Man hat automatisch dadurch einen sehr starken Trennungseindruck. Die ersten 10ml volle Kante Kleber und vielleicht chemisches Fruchtaroma, dann 10ml Kleber mit weniger Frucht, dann 10ml bisschen Kleber, dann ok zum Beispiel. Selbst bei einer großen Refluxdestille gibt es keinen scharfen Schnitt zwischen Mittellauf und Nachlauf.

da sieht man auch wieder dass der so böse geschimpfte Vorlauf eigentlich das geringere Übel im Brennprozess ist, bzw. das leichter beherschbarere...
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derwo
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von derwo »

Nur beim Aufheizen ist die Maische unten wärmer als oben. Sobald Dampfblasen entstehen, erhitzen diese die Maische sehr gleichmäßig.
Und der Dampf direkt über der Maische hat dann auch genau dieselbe Temperatur.

Auch beim Nachlauf ist es schlussendlich aber Geschmacksfrage. Zum Beispiel ist peruanischer Pisco sehr nachlaufhaltig. Trotzdem verkauft er sich.
te357
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von te357 »

derwo hat geschrieben: 15. Apr 2020, 14:34 Die Nachlaufprodukte entstehen ja bereits bei der Gärung. Aber das hast du glaube ich verstanden.

Angenommen du misst die Temperatur im Kessel und lässt die Herdplatte ab zB 88°C automatisch ausschalten: Dann wird der Kesselinhalt je nach Alkoholgehalt entweder gar nicht zu kochen beginnen oder recht bald aufhören. Angenommen die Herdplatte schaltet wieder an, sobald die Temperatur unter 88°C gesunken ist, und du lässt das lange laufen, wird der Kesselinhalt recht schnell verdunsten und also auch der Nachlauf wird im Destillat landen.

Angenommen du misst die Temperatur am Übergang zum Geistrohr, wird der Kesselinhalt ebenfalls erst gar nicht zu kochen beginnen oder recht bald aufhören. Dann aber gelangt Luft ans Thermometer und die Temperatur sinkt sehr schnell. Dann schaltet die Herdplatte wieder an, der Kesselinhalt beginnt wieder zu kochen und sobald die Dampf-Luft-Mischung am Thermometer 88°C hat (also der Dampf zB 99°C und die Luft 30°C ergibt zusammen vielleicht 88°C), wird wieder ausgeschaltet. Und so weiter, bis der Kessel trocken ist und alles verdampfbare im Destillat.

Ich weiß, du hast nicht danach gefragt, aber lass dir noch sagen, man kann nicht nach Temperatur abtrennen. Der Siedepunkt hängt nicht vom Nachlauf sondern vom Alkoholgehalt ab. Man kann nur nach Geschmack abtrennen. Je höher der Alkoholgehalt im Kessel, desto höher wird die Temperatur beim Nachlaufbeginn sein, normalerweise. Der Extremfall ist eine Refluxdestille: Da hat der Vorlauf zB 78.0-78.3°C, der Mittellauf 78.3°C und der Nachlauf ebenfalls 78.3°C.
Wenn die Temperatur konstant auf 88 grad verdunstet dann nicht nach und nach das Ethanol und entweicht, steigt doch die siedetemperatur. Also bei konstantem 88 grad im Kessel, dürfte doch gar kein nachlauf drinnen sein?
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derwo
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Re: Nachlauf und die Temperatur

Beitrag von derwo »

Wenn der Kesselinhalt bei zB 90°C sieden würde und du ihn aber bei konstant 88°C hältst, würde es natürlich eine starke Verdunstung geben. Der Dunst aber würde etwa dieselbe Zusammensetzung haben wie der Dampf bei 90°C, also nur 60-65vol%. Dann sinkt stetig der Alkoholgehalt im Kessel und der Siedepunkt steigt und damit sinkt der Alkoholgehalt im Dampf und steigt der Nachlaufgehalt im Dampf und die Verdunstung wird natürlich langsamer.