Die typischen Fehlinformationen aus dem Internet

Infos für Anfänger und typische Anfängerfragen. Anfänger müssen aber nicht zwingend hier ihre Themen starten.
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derwo
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Die typischen Fehlinformationen aus dem Internet

Beitrag von derwo »

Neulich hat hier jemand folgenden link gepostet: http://www.kp-boettcher.de/cms/Der%20kl ... tille.html
Eine Bau- und Brennanleitung.
Da hier die typischen Fehler gemacht werden, wie in vielen anderen Anleitungen aus dem Internet auch, dachte ich, ist es mal gut, es zu zerpflücken und in den Anfängerbereich zu stellen.

Die Fehler in der Reihenfolge, wie sie auf der Internetseite stehen:
Eingangs muß ich darauf hinweisen, daß das Betreiben einer Destille zur Brantweinherstellung, innerhalb des Wirtschaftsgebietes der BRD, grundsätzlich meldepflichtig ist, wenn das Brennvolumen größer ist als 0,5 Liter.
Auch 0.5l-Destillen sind in Deutschland eigentlich meldepflichtig. Es gab dazu aber einen Satz im alten abgeschafften Branntweinmonopolgesetz, den man missverstehen kann. Die dort stehende Meldefreiheit der 0.5l-Destillen bezog sich nämlich nur auf Analysedestillen angemeldeter Brennereien. Also es war nur angemeldeten Brennereien erlaubt, solche Destillen zu besitzen und meldefrei zu verwenden. Allerdings hat der Zoll (also die Exekutive) diese Kleindestillen auch bei Privatpersonen nicht verfolgt. Im neuen nun gültigen Alkoholsteuergesetz ist davon aber sowieso nicht mehr die Rede.
Und der in der Anleitung gezeigte Schnellkochtopf hat natürlich eh weit über 0.5l. Und entscheidend ist das Volumen der Brennblase, nicht das der Füllmenge.

Zudem sollte bedacht werden, daß die Branntweinproduktion entsprechendes Fachwissen voraussetzt, denn ansonsten ist das Erzeugnis nicht nur ungenießbar, sondern kann gravierende Gesundheitsschäden zur Folge haben.
Es ist fast unmöglich, unabsichtlich gesundheitsgefährdenden Schnaps zu produzieren. Also außer den Gesundheitsschäden durch den Alkohol selbstverständlich. Die Vergiftungen, die es gegeben hat, kamen von krimineller Panscherei, also zB durchs Beimischen von billigem Methanol in schon fertigen Schnaps.

Der Schnellkochtopf als Brennblase eignet sich besonders gut weil er luftdicht verschlossen werden kann. Das ist sehr wichtig, weil das Kondensat unkontrolliert entweichen könnte. Dieses ist je nach Alkoholkonzentration hoch entzündlich.
Ein Schnellkochtopf ist nur unter Druck dicht. Eine Destille ist aber drucklos. Die Dichtung ist zudem nicht alkoholdampfbeständig. Brennbar bzw explosiv ist vor allem der Dampf, das Kondensat stellt nur eine Gefahr dar, wenn die Destille mit Gas betrieben wird, und das Destillat irgendwie zur Flamme gelangt.

Das Kondensatrohr hat ein Durchmesser von 15 mm
Also 13mm Innendurchmesser. Das ist fahrlässig, sobald man es mit matschigen Maischen zu tun hat. Maischen schäumen gerne über, da muss man Erfahrung haben, um es vorhersagen zu können. Eine dann folgende Verstopfung führt dazu, daß die Destille durch den Druck an der schwächsten Stelle aufgeht, meist die Deckeldichtung. Der Deckel des Schnellkochtopfs dagegen würde durch den Überdruck aber wirklich dicht werden. Das bedeutet, eine Lötstelle würde plötzlich zerreißen oder der Topf platzen. Durch Überdruck überhitzter heißer Alkohol, der plötzlich frei wird, das ist der absolute worst case. Und der Anfänger wundert sich zuerst wahrscheinlich, daß kein Destillat mehr kommt und dreht die Beheizung dann zusätzlich hoch. Und Verstopfungen sind selbsttreibend: Enger Durchmesser -> höherer Druck -> stärkeres Schäumen -> stärkere Verstopfung -> höherer Druck -> stärkeres Schäumen usw.


Die dann gezeigten Messingverschraubungen enthalten Blei. Und die Dichtungen sind nicht alkoholdampfgeeignet.

Nach Beendigung der Lötarbeiten unbedingt alle Leitungen mit reichlich Wasser spülen. Das Flußmittel in der Lötpaste ist wasserlöslich und so werden die Rückstände am besten aus den Leitungen beseitigt.
Daß das Flußmittel durch normales Ausspülen soweit beseitigt wird, daß es dann im Betrieb einer Trinkwasserleitung zu keiner Gesundheitsgefährdung kommt, ist für uns irrelevant. Es gibt jedenfalls auf homedistiller Berichte von Durchfallerkrankungen durch nach dem Löten nicht mit Essig- und Alkoholdampf gereinigte Destillen. Die Reste an Flußmittel und Zunder werden beim ersten Brand mit Alkohol komplett gelöst und also in den ersten Brand gespült, beim Betrieb einer Wasserleitung aber verteilt sich die Belastung auf eine lange Zeit bzw große Menge.

Das Geistrohr ist, meiner Meinung nach, die wichtigste Baugruppe in der Brennanlage. Hier entscheidet sich was unten am Kondensatrohr herraus tropft.
Im Geistrohr steigt der Geist des Weines auf...
Der Autor verwechselt den Begriff "Geistrohr" mit dem Begriff "Steigrohr". Das ansteigende Rohr ist das Steigrohr, das absteigende danach vor dem Kühler ist das Geistrohr.

die Temperatur des Geistes muß hier peinlich genau überwacht werden
Man kann auch gut ohne Thermometer brennen. Besser gar keines als so eines, wie in der Anleitung gezeigte. Die Ungenauigkeiten dieser Thermometer führen bei Anfängern zu Entscheidungsfehlern, die weit über das hinausgehen, was man ohne Thermometer mit dem Geschmacks- und Geruchssinn entscheiden würde.

Der Wein bzw. die Maische enthält viele Alkohole mit unterschiedlichen Siedetemperaturen. Im Geistrohr entsteht beim Brennen ein Temperaturgefälle. Je größer das Geistrohr desto weiter auseinander gezogen sind die Temperaturabstufungen und desto leichter ist es eine bestimmte Temperatur bei zuhalten.
Die Siedepunkte der Reinstoffe haben keinerlei Aussagekraft darüber, ob ein Stoff in geringer Konzentration bei verscheidenen Alkoholstärken mehr oder weniger flüchtig ist. Das Temperaturgefälle im Steigrohr ist zudem nach dem Aufheizen minimal. Ein Gefälle bekommt man nur, wenn man das Steigrohr mit sogenannter Packung oder Böden befüllt (und das Steigrohr dementsprechend breit macht. Dann nennt man es Kolonne) und den Dampf oberhalb des Steigrohrs aktiv kühlt. Mit einer Destille ohne aktive Kühlung kann man keine Temperatur halten. Der Alkoholgehalt im Kessel sinkt stetig, also steigt stetig die Dampftemperatur auch am oberen Ende des Steigrohrs.

Um das Thermometer luftdicht im System zu integrieren, habe ich einen ollen Sektkorken zurecht geschnitzt.
Erwähnt sollte sein, daß man einen Korken aus Naturkork nehmen sollte, keinen aus zusammengeklebten Korkbröseln oder einen ganz aus Kunststoff.

Das Methanol ist Hauptbestandteil des Vorlaufes und ist für den Verzehr nicht geeignet.
Methanol konzentriert sich nicht im Vorlauf. Und es ist kein Hauptbestandteil von irgendwas. Es verteilt sich bei normalen Brennprotokollen über den gesamten Brand, tendenziell eher im Nachlauf als im Vor- oder Mittellauf.

Der Anteil des Methanols hängt im Wesentlichen von der Qualität des Weines bzw. der Maische ab. Beim Wein- oder Maischeansatz sollte Sauberkeit eine große Rolle spielen. Es dürfen nur reife (nicht faulende) und gewaschene Früchte verwendet werden. Alle Gerätschaften die verwendet werden, müssen vorher peinlich genau gereinigt werden. Das gilt besonders für den Weinbalon oder den Maischebehälter. Während der Gärung darf keine Außenluft in den Behälter gelangen, Gärspund verwenden.
Die Methanolmenge hängt nicht von der Qualität sondern von dem Pektingehalt der Ausgangsstoffe ab. Also zB Apfelmaische enthält mehr Methanol als Weintraubenmaische. Auch die Hygiene oder die Luftzufuhr spielt keine Rolle. Wohl kann man mit schlechtem Ausgangsmaterial, mangelnder Sauberkeit und Luftzufuhr der Maische schaden. Aber mit Methanol hat das nichts zu tun.

Alles was bis zum Erreichen der optimalen Brenntemperatur von 78 bis 81 °C aus dem Kondensatrohr heraus getropft kommt, muß unbedingt weg geschüttet oder in ein extra gekennzeichneten Behälter (Schraubglas) gesammelt werden.
Alle Stoffe die ihre Siedetemperatur oberhalb der 81 °C haben, kondensieren schon an der Geistrohrwand und laufen zurück in die Brennblase.
Die Dampftemperatur beim Vorlauf hängt vor allem von den vol% in der Maische ab. Auch der Übergang zum Nachlauf hängt nicht von einer Temperatur ab. Die im nachfolgenden Bild dargestellten Substanzen sind teilweise nicht deswegen ausgewählt, weil sie wichtig sind, sondern weil sie ins Bild des Autors passen. Es fehlen Acetaldehyd, Ethylacetat und Essigsäure. Dafür hätte man einige höhere Alkohole weglassen können. Außerdem sind die Siedepunkte teilweise so verfälscht, damit sie der Theorie des Autors (oder von dem, wo er das her hat) entsprechen (3-Methyl-1-Butanol zB hat einen Siedepunkt von 131°C, nicht 99.5°C). Außerdem findet wie schon geschrieben in einem ungefüllten Steigrohr so eine Abstufung nicht statt.

Dieses Sieb sorgt dafür, daß die Stoffe mit hoher Siedetemperatur, schon zum Großteil, in der Brennblase auskondensieren und erst gar nicht das Geistrohr erreichen. Dadurch wird eine höhere Konzentration des Alkohols möglich.
Das hat nur ganz am Anfang der Destillation einen Effekt. Ist der Sieb mal aufgeheizt, hat er keine Wirkung mehr.
Und die folgenden Anweisungen sind daher unnötig:
Das Sieb darf während des Brennvorganges nicht in Kontakt mit den Wein bzw. der Maische kommen. Nach dem der Wein oder die Maische eingefüllt ist wird das Sieb so eingesetzt, daß der Abstand zur Flüssigkeitsoberfläche mindestens drei Zentimeter beträgt, aber nicht weniger.
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Beim Rohbrand wird noch keine Trennung vorgenommen, dieser ist daher ungenießbar.
Ein Raubrand ist normalerweise nicht ungenießbar. Er ist normalerweise immerhin genießbarer als die Maische bzw der Wein.

Das gesamte Destillat von Anfang bis ca. 98 °C wird gesammelt. Der Rohbrand kann mit höher Wärmezufuhr durchgeführt werden. Das Aromasieb wird nicht gebraucht.
Es sollte solange destilliert werden bis der Alkoholgehalt, am Auslauf, nur noch 10 bis 8 % beträgt, um so viel wie möglich aus der Maische bzw. Wein heraus zu bekommen. Noch niedrigere Konzentrationen scheinen mir unwirtschaftlich. Der Zeit- und Energieaufwand sind zu hoch, für die geringe Ausbeute.
Bei 98°C hat man aber zumindest bei Normaldruck noch 25-30vol% am Auslauf. Was nun, 98°C oder 10 - 8 %? Und ob es ökonomisch ist, bei 8-10vol% aktuellem Alkoholgehalt den Raubrand zu beenden, spielt doch für uns keine Rolle, oder? Wer hat denn bitte ein ökonomisches Interesse mit einer Minidestille? Für uns sollte der Geschmack des Endprodukts entscheidend sein. Und manche hochpreisige professionelle Brennereien brennen jedenfalls auch bis so gut wie 0% runter.
Die dann genannten Pauschalwerte beim Feinbrand vol% bei Vorlaufende oder Nachlaufbeginn sind höchst zweifelhaft. Am Ende hat selbst der Anfänger mehr Erfolg, wenn er sich am Geschmack orientiert als an seinem Bimetall-Grillthermometer oder Billigalkoholmeter oder Billigrefraktometer. Und wie lange der Nachlauf gesammelt wird, ist ebenfalls eine kreative Entscheidung, die nicht in einem Satz pauschal beantwortet werden kann.

Ich weise nochmalig darauf hin, daß der Vorlauf zum Großteil aus Methanol besteht und giftig ist.
Und ich weise nochmal darauf hin, daß Methanol nicht im Vorlauf ist und für die Schnapsbrennerei meistens kein Thema ist.

Hier sollte man aber nur Weine aus deutscher Produktion verwenden. Diese Weine werden unter sehr hohen Qualitätsstandards hergestellt und enthalten, wenn überhaupt, nur geringe Mengen Methanol. Das trifft auch für sehr günstige Tafelweine aus dem Supermarkt zu.
Genau, aus dem Ausland gibt es keine Weine, die nach solchen Qualitätsstandards hergestellt werden, daß man sie bedenkenlos durch eine Schnellkochtopfdestille jagen kann. Weine aus Italien, Frankreich? Pfft. Vielleicht wäre aber hier der richtige Platz für einen Hinweis auf die Problematik der Schwefelung von Weinen gewesen. Anders als die ausländische Herkunft hat die Schwefelung nämlich wirklich einen großen negativen Effekt auf das Destillat.



So, hoffentlich habe ich nichts übersehen. Die Seite deckt die meisten typischen Fehler ab.

Ich stelle mir das Fortleben dieses Themas so vor, daß auch andere Quellen irgendwann hier noch zerpflückt werden können. Es sollte aber in den Anfängerbereich passen. Zum Beispiel über das Getreidemaischen gibt es viel Blödsinn im Internet, aber das gehört eben nicht in den Anfängerbereich.
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azeotrop
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Re: Die typischen Fehlinformationen aus dem Internet

Beitrag von azeotrop »

Danke dass du dir die Arbeit gemacht hast. Es geht ja dir nicht darum diese Internetseiten in den Dreck zu ziehen.
Es geht um die Unterstützung von Anfängern. Ich hoffe sehr auf Nachfragen von Usern im Forum und wünsche dem Thema ein langes Leben.
:+1:
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(Nixon & McCaw)