Gin-Rezept von Feingeist

Spirituosen hergestellt durch Destillation von Alkohol und unvergorenen Früchten oder Gewürzen
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derwo
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Gin-Rezept von Feingeist

Beitrag von derwo »

Da wir hier leider wenig Gin-Rezepte haben und ich selber auch keines habe, veröffentliche ich hier das von Feingeist, der es 2017 auf schnapsbrennen.at veröffentlicht hat:
Dry-Gin
Er ist meines Wissens leider dort nicht erreichbar und auch hier nicht angemeldet.
Das Rezept ist sehr detailliert und er hat dazu auch noch einige Fragen beantwortet. Ich glaube, es ist der beste Lesestoff auf Deutsch bezüglich selber Gin herstellen.

Hier mit copy & paste die meiner Meinung nach wichtigen Sachen:
Vor Kurzem wurde nach einem Gin-Rezept gefragt. Obwohl bereits ein Rezept gepostet wurde, hier mein Rezept, das sich vielfach bewährt hat:

Dry Gin
Variante zum Brennen mit Aromakorb und Potstill

Zutaten:
jeweils pro Liter 60 Vol% Neutralalkohol

zum Mazerieren
12 g Wacholderbeeren
6 g Koriandersaat

In den Aromakorb:
0,6 g Zitronenschale, frisch
0,3 g Zimtstange, grob zerkleinert
0,6 g Angelikawurzel, getrocknet und geschnitten
0,5 g Pomeranzenschale, getrocknet und geschnitten
0,5 g Ingwer, frisch
1 g Süßholz, getrocknet und geschnitten
0,5 g Iriswurzel ("Veilchenwurzel"), getrocknet und geschnitten
0,5 g Kalmuswurzel, getrocknet und geschnitten
0,5 g Kardamom, getrocknet, ganze Samenkapseln, grob zerkleinert

Ablauf:
Wacholderbeeren leicht andrücken, nicht mörsern, damit die Kernchen intakt bleiben.
Wacholderbeeren und Koriandersaat im 60 Vol% Neutralalkohol 12-24 h mazerieren.
Das Mazerat vor dem Brennen mit Wasser auf ca. 15 Vol% herabsetzen (ergibt ca. 4 l), Wacholder und Koriander können beim Brennen in der Flüssigkeit bleiben
Die restlichen Gewürze vor dem Brennen in den Aromakorb geben. Anstatt Aromakorb geht notfalls auch ein Hopfensäckchen oder Maxi-Tee-Ei aus Drahtgeflecht, die im Dampfraum hängen.
Maische rasch aufheizen.
Nach Erreichen von ca 76°C Geistrohrtemperatur Heizleistung stark reduzieren
Obwohl Neutralalkohol kaum noch Acetaldehyd, Ethylacetat usw. enthalten sollte, etwas Vorlauf abtrennen, denn er enthält muffige Aromen und viel Öl aus dem Wacholder, das beim Verdünnen auf Trinkstärke den Gin trüben würde und etwas penetrant schmeckt.
Mittellauf von ca 80-90 °C Geistrohrtemperatur bei geringer Heizleistung.
Abtrennung zum Nachlauf nach Aroma; erdige Noten sind noch erwünscht, erst endgültig aufhören, wenn Kochgeschmack erscheint.
Während des Mittellaufs kommen bei steigender Dampf- und Kesseltemperatur zuerst fruchtige, zitronige ("helle") Noten (Zitrone/Ingwer/Orange/Koriander), in der Mitte der Wacholder, später die würzigen ("warmen") Aromen (Kalmus/Angelika/Iris). Nachlauf nicht zu früh abtrennen, sonst fehlt dem Gin der Körper, ohne den die anderen, zarteren Aromen nicht zur Geltung kommen. Am besten ab ca. 88 °C Geistrohrtemperatur Fraktionen sammeln und dem Mittellauf später zur Abrundung wieder zugeben.
Unbedingt einige Tage warten, bevor man ans Abrunden des Mittellaufs mit den gesammelten Fraktionen geht, direkt nach dem Brennen schmeckt man einige Aromen praktisch überhaupt noch nicht. Beim Abschmecken das Probeschlückchen unbedingt mit frischem Wasser verdünnen. Da die "späten" Fraktionen stark dominant sind und dann alles muffig-modrig schmecken kann, ganz langsam herantasten; die Qualität des Endproduktes steht und fällt mit den Aromen kurz vor Mittellaufende.

Herabsetzen auf Trinkstärke von ca. 42-44 Vol% mit möglichst weichem Wasser.
4-6 Wochen ruhen lassen, dann abfüllen.

Zusammenfassung:
Die Gewürzzusammenstellung zielt auf einen leichten, blumigen und kräftig-zitronigen Gin, prima zum Mixen (Martini!) oder nur mit Wasser verdünnt, hat aber genug Substanz, dass er beim Verdünnen mit Tonicwasser nicht untergeht.

Varianten:
Zarter:
Wacholder und Koriander vor dem Destillieren herausnehmen, dafür Menge etwas erhöhen und 24h mazerieren; dies reduziert den Anfall an Wacholderöl und den Kochgeschmack im Nachlauf.

Würziger: Zugabe von Pfeffer (rot, grün oder Cubeben) und/oder Paradieskörnern, dann Ingwer weglassen.

Mehr Körper kann man bekommen durch mehr von Angelikawurzel und Süßholz, oder zusätzlich z.B. Muskatblüte oder Bittermandel. Vorsicht, diese Gewürze schlagen manchmal unkontrollierbar durch. Bei zu viel Muskatblüte z.B. riecht der Gin nach Fleischwurst...

Einen blumigen Touch kann man geben z.B. durch mehr von Iriswurzel oder Kardamom, oder zusätzlich Lavendelblüten (nur Gewürzlavendel verwenden, keinesfalls Lavandin), Rosenblätter/Rosenwasser etc.

Bei Wacholderbeeren, Koriander und Angelikawurzel gibt es unglaubliche Qualitätsunterschiede, nur 1a und frische Qualität nehmen! Gewürze, die schon ein paar Jahre im Gewürzschrank schlummern, lohnen die Mühe nicht. Wacholderbeeren müssen groß, noch weich/zerdrückbar sein und leicht süßlich schmecken. Gute Angelikawurzel muss aromatisch und ein wenig nach "Klosterlikör" (Benedictine/Chartreuse...) riechen, keinesfalls erdig oder muffig, es gibt Qualitäten, meist feingehäckselt (aus China), die erinnern nicht mal an den richtigen Geruch, auch Angelikasamen geht nicht! Beim Koriander finde ich die leicht längsovalen, großen Samenkörner am besten, die ganz runden, kleineren sind weniger aromatisch.

Die angegebenen Geistrohrtemperaturen sind nur eine grobe Orientierung, je nach Heizleistung und Destille ergeben sich Abweichungen. Gut geht ein ca. 60 cm hohes Steigrohr ohne Packung, durch den dadurch entstehenden Mini-Reflux fällt die Nachlaufabtrennung leichter.

Eine Orientierung für Mengenverhältnisse (aus homedistiller.org):
x = Wacholder
x / 2 = Koriander
x / 10 = Angelikawurzel, Zimt, Süßholz, Bittermandeln, Paradieskörner, Pfeffer
x / 100 = Orangenschalen, Zitronenschalen, Ingwer, Iriswurzel, Kardamom, Muskat, Kalmus
Den Hype um Gins mit abgefahrenen Zutaten und Zutatenlisten, die sich lesen wie ein Roman, will ich allerdings nicht mitmachen. Ich bin der Meinung, dass eine Zutatenliste von 10-12 Botanicals völlig ausreicht und gute Zutaten und Know-How qualitätsbestimmend sind. Wenn schon Hype: spannend finde ich eher die Eigenproduktion von Tonic-Water, da fehlt mir noch das ultimative Rezept; ist hier allerdings auch nicht das richtige Forum...
Was die Zutaten betrifft- Namen der Bezugsquellen kann ich ja nicht direkt nennen, aber Du fährst gut, wenn Du im Web bei Shops bestellst, die eigentlich für Gastronomieprofis gedacht sind. Meist liefern die auch an Privat, wenn man das "Privatbesteller" nicht an die große Glocke hängt, auch wenn's in den allg. Geschäftsbedingungen anders steht. Ein gutes Indiz ist, wenn der Anbieter nur Großverbraucherabpackungen führt, z.B. bei Wacholder die kleinste Packung 1/2 kg fasst.
Wacholderbeeren: Gastro-Bedarfs-Shop, lokaler Großmarkt, da kann man gut durch die Packung hindurch probieren, ob die Beeren schön gleichmäßig und weich sind. Oder wie großen Ginproduzenten direkt in der Toskana holen ;-)
Koriandersamen: Asia-Lebensmittel-Shop im Web
Für Angelikawurzel, Pomeranzenschale, Süßholz, Kalmus usw. empfehle ich einen WebShop für Tee-Mischungen, mein Lieblingsversender ist eigentlich eine Apotheke; recht teuer aber gut und mit 200-300 g von diesen Sachen kommt man ja auch weit.
Ingwer (kleine, frische, dünnschalige Knollen) und Kardamom: im Asiashop um die Ecke. Auslandsasiaten würden den Supermarkt/Discounter-Schrott nicht ohne Not zum Kochen nehmen
In der Tat ist das Endergebnis mild und fein differenziert, es orientiert sich am "british taste". Diese Gins eignen sich besonders zum Mixen, Ziel ist, dass die Mixkomponenten wie Tonic oder Wermut nicht untergehen. Genevers oder deutsche Wacholder sind oft kräftiger. Wenn Du einen ausgezeichneten Überblick über Gin, seine Geschichte und viele Rezepturen bekommen willst, kann ich die Seite: http://homedistiller.org/flavor/gin ans Herz legen
Beim vorgestellten Rezept sind ja zwei Extraktionen kombiniert, Mazeration (Wacholder+Koriander) und Geisten (Rest der Botanicals). Beim Brennen des Mazerats könnte man auf 30-40 Vol% heraufgehen, beim Geisten ist das eher nicht so gut.
- Mazerat: höhere Prozente im Kessel bewirken wahrscheinlich stärkere Extraktion von Ölen, ist eher unerwünscht, da man sie im Übergang von Vorlauf zu Mittellauf findet und sie den Gin beim Verdünnen trüben, auch schmecken sie nicht gut. Ausserdem verlängert sich die Kochzeit, was den unangenehmen Kochgeschmack am Ende des Brennens verstärkt.
- Geisten: höhere Prozente verstärken die Extraktion durch den Dampf, besonders die muffigen Anteile in den verschiedenen Wurzeln, den zitronigen Noten macht das nichts.
Mazerieren/Geisten: das sind eigene Erfahrungswerte aus etlichen Jahren und vielen Versuchen. Angefangen habe ich vor 30 Jahren mit der Herstellung von Mazeraten für Kräuterliköre, auch da ist die nötige Mazerationszeit je nach Zutat extrem unterschiedlich, von Wochen bis Stunden. Im Grunde ist der Vorgang im Geistkorb natürlich derselbe, der Alkohol/Wasserdampf strömt ja nicht nur durch die Botanicals, sondern kondensiert dort und tropft zurück, im Sinne einer Perkolation. Allerdings sind die Kontaktzeiten und Alkoholkonzentrationen sehr unterschiedlich in Kessel und Geistkorb, auch die Temperaturen unterscheiden sich etwas, daher ist das Extraktionsverhalten verschieden.
Die Koriandersamen brauchst Du nicht zu zerkleinern, die werden im Ganzen ausreichend ausgelaugt.
für mehr Wacholdergeschmack, so in Richtung Genever, gäbe es verschiedene Wege (ich empfehle, Wacholder"beeren" grundsätzlich leicht anzudrücken, ohne die Kerne zu quetschen):
so genau ist die abzutrennende Vorlaufmenge nicht vorherzusagen. Es kommt auf die Wacholderbeeren an und ob sie stark gequetscht sind, dann gibt es mehr Öl im Destillat. Auch die Geschwindigkeit der Destillation und der Refluxanteil spielt eine Rolle. Bei meiner Destille und einem Kesselinhalt von 40-50 Litern sind es so 50-100 ml, bis der Geschmack stimmt und die Probe beim Verdünnen kaum mehr trüb wird. Und Du hast recht, Vorlauf im Sinne von Acetaldehyd, Ethylacetat usw gibt es praktisch nicht mehr, je nach Qualität des Neutralen.
Kreuzkümmel hab ich noch nicht versucht. Wenn Du den Mandeltouch magst, kannst Du es mal mit Bittermandel (Vorsicht, das haut leicht durch) oder, besser, mit gerösteten Mandelschalen versuchen (kann man fertig geröstet kaufen), das gibt einen sehr runden Geschmack. Statt des Zitronengraspulvers würde ich frisches Lemongras nehmen, der Geschmack ist unvergleichlich besser, es lässt sich gut im Tiefkühler aufbewahren. Damit kann man auch gleich sein eigenes Tonic water ansetzen ;) Rezepte gibts im www, leider die meisten ziemlich grauslig. Für zitronige Noten kann man auch Kaffirlimonenblätter nehmen, das schmeckt aber recht speziell und, wenn man zu viel nimmt, gehts in Richtung Badezusatz; bei Limettenschale ist das ähnlich.
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Alk52
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Re: Gin-Rezept von Feingeist

Beitrag von Alk52 »

Danke wo,
dass Du diese Sammlung hier zusammengetragen hast. Dem ist kaum etwas hinzu zu fügen.

Ich habe nach dem Rezept schon mehrfach destilliert.
Wenn das ein oder andere Botanical gerade mal nicht verfügbar ist, dann einfach genau Buch führen und mit dem älteren Produkt vergleichen. Im Lauf der Zeit findet man dann die Kompnenten, die einem besonders schmecken.
Vielleicht ist es für den ein oder anderen hilfreich, wenn man kleine Mengen der Botanicals mit 60% mazeriert und in Gläschen - für Geruchsvergleiche - aufhebt.
Nichts ist ohne Grund.