Wie kommt der Sherry in den Malt Whisky?

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derwo
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Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Wie kommt der Sherry in den Malt Whisky?

Beitrag von derwo »

Das hatte ich mal im schnapsbrennen.at-Forum geschrieben:


Wie kommt der Sherry in den Malt Whisky?

Na ganz einfach: Die Sherryfässer werden in Spanien entleert und kommen dann noch sherrynass nach Schottland.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Schon seit mehr als 200 Jahren wird der Sherry in Spanien in Fässern aus amerikanischer Weisseiche ausgebaut. Diese sind bedeutend länger haltbar als Fässer aus europäischer Eiche. Das Solera-System wird angewandt. Das bedeutet auch, manche Fässer sind über 100 Jahre alt. Da man diese Kostbarkeiten behalten möchte, hat man den Sherry dann zum Transport schon immer in extra gebaute Transportfässer aus frischer europäischer Eiche gefüllt. Am Ziel (vor allem die Handelsnation England) wurden sie geleert und die Fässer kamen zu den Brennereien. Die damaligen Sherryfässer für die Brennereinen sind also so gut wie nagelneu gewesen und der in den Dauben enthaltene Sherry war vorher in ganz anderen Fässern ausgebaut worden.

1981 wurde das Exportieren von Sherry in Fässern verboten. Das heißt, der Sherry musste in Spanien in Flaschen abgefüllt werden und die Fässer leer nach England. Aber welche Fässer? Es gibt ja plötzlich keine Transportfässer mehr. Und die alten Solerafässer aus amerikanischer Weisseiche wollte man ja nicht verkaufen. Und die wären vom Geschmack her auch ungewohnt anders.
Aber schon vorher hatte sich wegen der großen Nachfrage der Brennereien eine Sherryfassindustrie neben der Sherryindustrie entwickelt. Die Sherryproduzenten bauen Fässer im Auftrag der Whiskybrennereien (oder die Brennereien kaufen einen Wald in Spanien und bauen diese dort selber). Und statt in diesen Sherry nach England zu exportieren, werden sie in Spanien kurze Zeit mit Sherry aromatisiert. Für wie lange? Die Angaben schwanken von ein paar Wochen bis 18 Monate. Dann wird geleert und die leeren Fässer exportiert. Der benutzte Sherry kommt gleich ins nächste Fass und ins nächste usw. Irgandwann ist er so tanninig bitter, daß man frischen nehmen muss. Aus dem alten macht man Essig oder brennt den Alkohol heraus.

Der Sherry im Whisky hat also seit 1981 wenig zu tun mit echtem Sherry. Bzw. zum großen Teil auch schon lange vorher. Und die Fässer für den Whisky sind nie die "echten" Sherryfässer gewesen.

Um die Fässer in Schottland immer wieder mit frischem Sherryaroma aufzuladen, wurde Paxarette benutzt. Das ist eingedickter (gekocht, das Wasser verdampft) und dann vergorener (wobei viel Restzucker übrigbleibt) Traubensaft. Das ist dann süsser als Dessertwein. Das wurde ins Fass gepinselt und dann mit Druck ins Holz gepresst, fertig war das frische Sherryfassaroma.
Das wurde dann aber 1989 verboten.

Interessanterweise weinen die Whiskybrennereien ja schon lange, daß sie nicht genügend Sherryfässer aus Spanien bekämen, da der Sherryabsatz weltweit eingebrochen ist. Daher habe ihr sherryfassgelagerter Whisky leider leider teurer werden müssen.
Aber die Sherryfassindustrie für Whisky ist doch schon lange absolut unabhängig vom Sherryabsatz? Selbst wenn irgendwann null Sherry verkauft werden würde, die Fässer könnten immer noch ohne große Probleme hergestellt werden.
Aber daß der Whisky teurer wird, da sie nicht mehr an Transportfässer also Synergieeffekte kommen und sie jetzt nicht mehr mit Paxarette panschen dürfen, also andauernd frische Fässer aus der Sherryregion importieren müssen, so wollen sie die Story dem Kunden halt dann doch eher nicht erzählen... dem erzählt man lieber die Mär vom raren Sherryfass.

Quellen:
http://www.fassstark.de/page-778993-59.html
https://www.whiskynotes.be/sherry-casks ... dustry.pdf
https://whiskyscience.blogspot.de/2013/ ... t.html?m=1
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James Allardice
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Re: Wie kommt der Sherry in den Malt Whisky?

Beitrag von James Allardice »

Interressant, die Story. Danke. :+1:
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azeotrop
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Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Re: Wie kommt der Sherry in den Malt Whisky?

Beitrag von azeotrop »

Ja, wieder was neues gelernt. Danke.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)