Zwetschgenbrand 2022

Obst ernten oder kaufen, verarbeiten, vergären und brennen
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azeotrop
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Mein Problem ist halt dass meine Nase und mein Gaumen etwas schwerhörig sind.
Ich merke zwar ziemlich sicher ob ein Brand an Ende gut geworden ist, oder nicht.
Es fällt mir aber schwer herauszuschmecken ob bei den gesammelten Gläschen trotz schlechtem Geschmack noch was Gutes dabei ist das dann beim Feinbrand evtl. den Sprung ins Destillat schafft.
Ich bin leider oft darauf angewiesen auf Nummer sicher zu gehen und verschenke unweigerlich die Dinge die vielleicht einen Spitzenbrand ausmachen.
Aber, Scheiss drauf, ich bin auch zufrieden wenn es mir am Ende schmeckt. Ich bin auch nicht neidisch wenn es jemand besser kann als ich.
Ich habe aber manches schon getrunken das schlechter war als meines.
So geht es wahrscheinlich vielen von euch.
Es grüßt Azeotrop
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azeotrop
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Der zweite Brand von drei Bränden ist nun durch.
Gestartet mit 10,2 L und 27,9 % habe ich versucht solange zu brennen bis im aktuellen Destillat nur noch 10% Alkohol sind.
Das ist gar nicht so einfach, da weder Thermometer noch eine Spindel in einer Vorlage wirklich helfen.
Ich habe deshalb den Destillationssimulator1 verwendet um die Situation zu planen.
Der Rechner sagt dass die 10% aktuelles Destillat erreicht werden wenn 4,91 L Destillat angesammelt sind. Das Destillat soll dann 57,1% haben.
Bildschirmfoto 2022-11-01 um 15.43.40.jpg
Ich habe dann schon bei 4,8 Liter abgebrochen, da die Temperaturwerte schon lange erreicht waren.
Das gesammelte Destillat hatte dann aber nur 51,6%
Vermutlich stimmen die geschätzten 1,1 theoretischen Böden nicht genau. Das hat einen großen Einfluss.

Vor dem Brand waren 10,2L * 27,9% = 2,85 L reines Ethanol im Kessel.
Ich habe 4,8L * 51,6% = 2,48 L Ethanol geerntet.
Im Kessel verblieben also 0,32 L Ethanol im Kessel. Laut Rechner hätten es nur noch 0,041 L sein sollen.
Ich hätte also noch weiter destillieren sollen. Dann wäre das Destillat noch deutlich schwächer geworden, aber der Alkohol wäre im Destillat gewesen statt in der Schlempe.

Ich hoffe sehr dass ich nichts wertvolles im Kessel gelassen habe.

Der Feinbrand wird in einer CM mit 50cm SPP gefüllter Kolonne gemacht. Ich erreiche damit sicher 3 thB, beim langsamen Destillieren eher 5thB. Ich werde die Destille mit viel Kühlwasser im Refluxkühler starten und ohne Destillatentnahme (100% Reflux) aufheizen und stabilisieren lassen. Dann sehr langsam mit viel Reflux destillieren um den Vorlauf anzureichern. Ich werde 5 Gläschen zu je 20ml auffangen, denke aber dass nur 2 Gläschen Vorlauf sein werden.
Der Rest der Destillation werde ich komplett ohne Reflux machen (Refluxkühler ohne Kühlwasserdurchfluss).

Nun brauche ich euren Rat.
Welche Menge Mittellauf kann ich einfach in einem Gefäss sammeln, bevor ich beginne in Gläschen zu je 100mL (oder 200ml) zu sammeln.
Oder anders gefragt, welche Menge reines Ethanol kann ich entnehmen, bevor ich mit den Gläschen beginnen soll.
Ab wann kann ich mit den Gläschen wieder aufhören und direkt in den Nachlaufkanister laufen lassen.
Fange ich zu früh an mit den Gläschen, brauche ich sehr viele Gläschen.
Fange ich zu spät an, habe ich Nachlauf im Mittellauf.
Ich weiß leider noch nicht wieviele thB meine Destille ohne Reflux hat, dadurch hilft der Rechner nicht wirklich.
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derwo
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von derwo »

Wenn ich Destillationen mit einem Destillationssimulator 1 durchspiele, komme ich mit 1.03-1.05 th. Böden immer ganz gut hin.
Hast du auch den Potstillsimulator probiert? Da müsstest du ja eigentlich keine th. Böden eingeben, sondern diese werden berechnet.

Beim Mittelbrand kannst du doch mit zB dem Destillationsrechner und deinem gemessenen Luftdruck gut bestimmen, welche Dampftemperatur zB 10vol% bedeutet? Ich sehe nicht, wo das Problem ist, also warum "da weder Thermometer noch Spindel ... helfen"? Du könntest dir auch eine Tabelle machen mit dem Rechner Destillationstabelle. Dann weißt du immer genau, wo du gerade bist.

Feinbrand:
Man kann ja eingeben "bis 50% des Alks dest. ist". Dann bekommt man einen guten Wert, ab dem man Nachlaufgläschen verwenden kann. Und wenn du dann noch "bis 75%..." eingibst, weißt du, wie lange du Gläschen sammeln solltest. Und auch, wie viele Gläschen das werden, je nachdem, ob du 100 oder 200ml nimmst. Das funktioniert natürlich nur, wenn man den Alkoholgehalt und die Menge vorher sorgfältig und mit gutem Messgerät gemessen hat. azeotrop hat gute Messgeräte, deswegen empfehle ich ihm das.
Nun stellt sich noch die Frage der th. Böden. 1.1 th. Böden wirst du mit isolierter Kolonne und Heizleistung über 1kW nicht erreichen. Der Punkt ist nun: Beim Feinbrand macht 1.05 oder 1.1 th. Böden nicht mehr so viel aus wie beim Rau- oder Mittelbrand. Rechne es mal durch, wie viel lt du sammeln musst bis 50% durch ist. Mit 4.8lt 51.6vol% berechne ich bei 1 th. Boden 1.54lt und bei 1.1 th. Böden 1.52lt.

Da du die Gläschen ja zumindest teilweise verdünnen musst, würde ich sie nur halb befüllen.
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azeotrop
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Ich habe in der Vergangenheit viele Messreihen gemacht bei denen ich während der Destillation kleine Proben Destillat für eine Messung mit dem Pyknometer genommen und die zu dem Zeitpunkt angezeigte Dampftemperatur notiert.
Die gemessenen %% im Destillat haben oft nicht zu der gemessenen Temperatur gepasst. Besonders gegen Ende der Destillation bei niedrigen %% ist das ganz extrem geworden.
Ich konnte die Ursache für die Diskrepanzen trotz vieler Tests noch nicht herausfinden und verwende deshalb die Dampftemperatur nur für grobe Orientierung aber nicht für Abtrennpunkte.
Die Messung mit Spindel in der Vorlage liefert wegen der großen Poolbildung und den Strömungseinflüssen auch nur eine Schätzung, aber keine brauchbaren Werte.
Die ständige Probenentnahme für Pyknometermessung ist genau, ist mir zu aufwendig. Ich habe das oft genug gemacht um noch Freude dran zu haben.

Meine Potstill mit eingebautem Rührwerk hat sicher mehr als 1,05 thB. Die 1,1 thB sind aber nur eine durchdachte Schätzung, aber nicht exakt bewiesen.
Ich habe zudem beobachtet dass sich die thB im Laufe der Destillation ändern. Da ist noch vieles ungeklärt.

Den Potstillsimulator habe ich völlig ignoriert bei diesem Brand. Guter Tip. Ich werde damit spielen.

Mit deinem Tipp "bis 50% des Alks sicher Mittelbrand, danach bis 75% des Alks in Gläschen sammeln, danach sicher Nachlauf" kann ich was anfangen. In diese Richtung hatte ich auch schon gedacht. Du hast recht dass beim dritten Brand die Fehler durch eine falsche Schätzung der thB geringer werden. Das tröstet.
Ich werde berichten.
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derwo
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von derwo »

Ob es an sich ändernden th. Böden oder an den Ungenauigkeiten der Siedediagrammdaten liegt, das kann man nicht wissen. Aber wenn ich mir meine Messungen anschaue...
viewtopic.php?p=13952#p13952
...so sind die Siedediagrammdaten jedenfalls nicht perfekt. Gerade in diesem Bereich. Ich habe im niedrigen Alkoholbereich deutlich zu niedrige Dampftemperaturen gemessen. Bzw Temperaturen im Bereich 99°C bedeuten eine niedrigere Alkoholstärke als berechnet. Je näher an den 100°C, desto besser passen sie aber wieder.
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azeotrop
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Ich schreibe nochmal die Daten des Rauhbrands und des Mittelbrands zusammen. Ein paar Daten wurden leicht korrigiert weil ich mich beim Ausrechnen der Kesselfüllung vertan hatte.

Rauhbrand, geplant bis null:
Aus 42,83L mit 6,7% gewann ich 10,2 L mit 27,9% - das waren 99,16% des Kessel Alkohols im Destillat.
Mittelbrand, geplant bis ca. 10% im aktuellen Destillat:
Aus 10,2L mit 27,9 % gewann ich 4,8 L mit 51,5% -das waren 87,03% des Kessel Alkohols im Destillat

Ich habe mit allen Rechnern und mit verschiedenen Annahmen für die thB gespielt. Es ist nicht möglich diese Ergebnisse im den Rechnern nachzustellen. Die Rechner sagen höhere %% im Destillat voraus.

Eine denkbare Ursache könnte eine Undichtigkeit in meiner Destille sein und der damit verbundene Verlust von Alkohol in die Umgebung.
Beim Mittelbrand würde es reichen wenn ich davon ausgehe dass ca. 350ml reiner Alkohol während der 2 Stunden dauernden Destillation verloren gegangen sind. Das ist durchaus denkbar.
Meine Helmdichtung ist schon sehr flachgequetscht und durch das Rührwerk kann auch einkleiner Teil abgedampft sein.

Der Feinbrand wird ja ohne Rührwerk gemacht werden, und ich werde vorher noch eine neue Helmdichtung anfertigen.
Wenn dann die Werte mit den Rechnern besser übereinstimmen, wäre die Vermutung mit der Undichtigkeit bestätigt.
Ich werde berichten.
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Der Feinbrand ist nun auch erledigt. Im Kessel waren 4,8L mit 51,6% entsprechend 2476,8 ml reines Ethanol.

Meine Ernte bestand aus:
Vorlauf 60 ml >> 2,3% des ges. Ethanols
sicherer Mittellauf 2120 ml >> 69,7% des ges. Ethanols
unklare Nachlaufkandidaten in 3 Gläschen 332ml >> 10% des ges. Ethanols
sicherer Nachlauf 936 ml >> 16,8% des ges. Ethanols
Rest im Kessel 1350 ml >> 0,4% des ges. Ethanols
In Summe sind das 99,7%. Es fehlen also 0,8 % des Ethanols, das sind 20 ml Ethanol.
Das liegt vermutlich an Messfehlern.

Die unklaren Nachlaufkandidaten riechen nicht eindeutig nach Nachlauf, sind aber auch nicht besonders fruchtig.
Da meine Nase nichts taugt, tendiere ich dazu mich mit den 69% des sicheren Mittellaufs zufrieden zu geben.
Würde ich sie dazu kippen hätte ich 78,5% des reinen Ethanols im Mittellauf. Das halte ich für unrealistisch.
Ich fürchte dass ich mit den 69% schon etwas unkritisch abgetrennt habe. Aber daran kann ich nichts mehr ändern.
Ich hebe die drei Fläschchen mal separat auf, bis ich eure Meinung höre.

Diesmal war die Destille jedenfalls dicht, da kein Ethanol verloren gegangen ist, die Summe stimmt im Rahmen der Messgenauigkeiten.
Zuletzt geändert von azeotrop am 4. Nov 2022, 12:34, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von derwo »

Wenn du die Nachlaufkandidaten mit dem bisherigen Mittellauf vergleichst, wirst du sie wahrscheinlich nicht mehr dabeihaben wollen. Nicht weil sie schlecht sind, sondern weil sie nicht gut genug sind.
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Ja, ich werde die unsicheren Kandidaten zum Nachlauf geben.

Fazit:
Denken tut nicht weh.
Ich hätte vor den Rauhbränden nachdenken sollen, dann hätte ich gesehen dass ich mit 3 Rauhbränden auskommen kann, statt mit 4 Kesseln.

Den Mittelbrand hätte ich runterbrennen sollen bis null, statt zu versuchen bei 10% im Destillat aufzuhören. Es blieben 370ml reines Ethanol im Kessel. Hätte ich weiter gebrannt, wäre neben grausamen Nachlauftönen auch wertvolle Aromen ins Destillat gewandert. Beim Feinbrand wären die ja leichter zu trennen gewesen.

Beim Feinbrand hatte ich nur 4,8Liter in dem 20 Liter Topf. Nach dem Brand waren noch 1,35L im Kessel, das sind 1,9 cm.
Das ist schon knapp.
Hätte ich den Mittelbrand bis auf Null gebrannt, wäre der Kessel beim Feinbrand höher gefüllt gewesen und es wäre mehr Rest geblieben.

Insgesamt habe ich 60,15% des Ethanols aus der Maische in den Mittellauf gebracht.
Nun muss ich noch den Mittellauf verdünnen und hoffe dass es schmecken wird.
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 4. Nov 2022, 12:50Den Mittelbrand hätte ich runterbrennen sollen bis null, statt zu versuchen bei 10% im Destillat aufzuhören. Es blieben 370ml reines Ethanol im Kessel. Hätte ich weiter gebrannt, wäre neben grausamen Nachlauftönen auch wertvolle Aromen ins Destillat gewandert. Beim Feinbrand wären die ja leichter zu trennen gewesen.
Ich brenne Mittelbrände jedenfalls nicht so weit runter wie Raubrände. Ich denke, bis 10% ist besser als bis 0%.
Blieben wirklich 370ml Ethanol im Kessel? Bei 10vol% im Dampf hast du etwa 1vol% im Kessel. Damit dieses eine vol% 370ml Ethanol sind, musst du 37lt Schlempe gehabt haben. Hast du aber nicht, gell?
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Re: Zwetschgenbrand 2022

Beitrag von azeotrop »

Meine ganzen Überlegungen zum Mittelbrand sind leider wertlos.
Ich sagte ja ich hätte versucht bis 10% im Destillat zu brennen. Das ist offensichtlich nicht gelungen.
Leider habe ich nicht gemessen wieviel Flüssigkeit im Kessel blieb und wieviel Alkohol noch drin war.

Wenn ich rechne was vom 10,2L mit 27,9% übrigbleibt wenn ich 4,8L mit 51,6% entnehme, komme ich auf 5,5L mit 7%. Das wären 385 ml reines Ethanol im Kessel.
Mit 7% im Kessel wären aber noch sehr hohe % im Dampf. Es stimmt also vorne und hinten nicht.
Ich habe aber die Vermutung dass eine Undichtigkeit vorhanden war.
Es muss also eine Menge Ethanol/Wasser über eine Undichtigkeit verschwunden sein.

Bei einem der nächsten Mittelbrände (Quitte) werde ich zumindest den ersten Kessel wieder bis 10% brennen und die Werte dokumentieren.
Das dauert aber noch einige Zeit.
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