Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
geHeimBrenner
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Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von geHeimBrenner »

Mahlzeit allerseits!

Ich habe meine Anlage vor Kurzem um zwei Glockenböden ergänzt. Nun stellt sich mir alelrdings die Frage, ob es hierfür eine optimale Heizleistung gibt bzw. ab wann die Böden ineffizient werden, weil der Dampfdruck zu hoch wird.
Grundsätzlich erkennt man ja je nach erzeugter Dampfmenge mal mehr, mal weniger starke Blasenbildung.
Bei geringer Heizleistung entsteht weniger Dampf pro Zeiteinheit, dieser kann im Flüssigkeitsspiegel am Boden eher nochmal kondensieren. Allerdings ist dann auch am Produktkühler sehr wenig Aktivität feststellbar.
Bei voller Heizleistung (in meinem Fall 1.800W) sieht die Flüssigkeit im Schauglas aus wie das Wasser in einem Wasserkocher, kurz vor dem Abschalten.
Am Produktkühler kommt entsprechend mehr an, ich vermute allerdings aufgrund der Temperaturen im Steigrohr, dass der Boden nun mehr oder weniger wirkungslos ist.

Gibt es also irgendwelche Richtwerte, wie stark es "blubbern" soll bzw. ab welchem Punkt ein Glockenboden quasi wirkungslos wird?
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derwo
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von derwo »

Ist das eine Potstill, die du ergänzt hast, oder eine Reflux?
Hast du einen Refluxkühler?
Hast du links oder Fotos von den Böden und von der Destille?
geHeimBrenner
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von geHeimBrenner »

derwo hat geschrieben: 14. Mai 2022, 23:57 Ist das eine Potstill, die du ergänzt hast, oder eine Reflux?
Hast du einen Refluxkühler?
Hast du links oder Fotos von den Böden und von der Destille?
Ich habe mir einen von Alk inspirierten Edelstahl-Baukasten zugelegt.
Der Kessel ist ein Standard 25-Liter Edelstahl-Topf mit Sandwich-Boden, betrieben wird das Ganze auf einem Haushalts-Kochfeld.
Den Deckel habe ich mittig ausgeschnitten und eine 2" Schottverschraubung angebracht:
IMG_7366.JPG
An Rohr-Zubehör habe ich mir bei Ali (als das noch einfacher möglich war) und beim Drachen ein paar Komponenten besorgt, um die Anlage dann
relativ universell einsetzen zu können.
Folgende Komponenten sind vorhanden:
- Leer-Rohr 20cm
- Rohrbogen 45°
- Rohrbogen 90° inkl. Thermometer-Port
- Kondensator 20cm 8 Rohre
- Kondensator 30cm 7 Rohre
- diverse Fittings, Clamps, Dichtungen, Schläuche
- 2x Glockenboden "Baby Crystal Dragon" in der 2"-Ausführung, also mit einer zentral poisitionierten Cap

IDee dahinter war eben, mit den Komponenten diverse Anwendungsfälle abdecken zu können, also reine Potstill-Brände, eventuell auch Whisky mit aufsteigendem Lye Arm, Obstbrände mit Böden und Dephlegmator, vollständigen Reflux-Betrieb, ...

Im ersten Versuch habe ich nun einen Boden mehr oder weniger als Potstill betrieben, also den Glockenboden direkt an den Deckel geklemmt, darüber den 90° Rohrbogen gefolgt von der 45° Abzweigung und direkt danach den Produktkühler.
Und da ist mir eben aufgefallen, dass bei stärkerer Heizleistung und stärkerer Blasenbildung die Temperatur auch entsprechend schnell steigt - so schnell, wie ich es an sich auch ohne Boden gewohnt war, der Boden also somit in meinen Augen dann kaum Wirkung erzeugt hatte.
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derwo
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von derwo »

Im ersten Versuch habe ich nun einen Boden mehr oder weniger als Potstill betrieben, also den Glockenboden direkt an den Deckel geklemmt, darüber den 90° Rohrbogen gefolgt von der 45° Abzweigung und direkt danach den Produktkühler.
Und da ist mir eben aufgefallen, dass bei stärkerer Heizleistung und stärkerer Blasenbildung die Temperatur auch entsprechend schnell steigt - so schnell, wie ich es an sich auch ohne Boden gewohnt war, der Boden also somit in meinen Augen dann kaum Wirkung erzeugt hatte.
Also ohne Refluxkühler? Ohne Reflux gibt es keine Wirkung von Böden. Du hast ohne Refluxkühler nur passiven Reflux durch die kalte Umgebung. Bei niedriger Heizleistung macht das prozentuell zur von der Herdplatte erzeugten Wörme was aus, da bemerkt man dann eine Erhöhung der Alkoholstärke, bei hoher Leistung ist der passive Reflux vernachlässigbar.
Öffne mal den Kolonnensimulator: Rechner/Kolonnensimulator.html
Stelle dort 3 Böden ein und 100% Produkt: Aus 10vol% bekommst du 54.9vol%, also genau wie mit einer normalen Potstill. Nun reduziere die Produktemenge auf 50% und schon sind es 82.7vol%. 50% Reflux schafft man realistisch aber nur mit aktiver Kühlung.

Glockenböden mit nur 2" sind ungewöhnlich. Hobbybrenner nehmen entweder 2 oder 3" Packungskolonnen oder Bödenkolonnen mit mindestens 4". Und 4" hat den 4-fachen Querschnitt wie 2". 2" verträgt daher theoretisch nur 1/4 der Leistung. Die Hersteller werden aber wahrscheinlich die Löcher vergleichsweise groß gemacht haben, damit es auch für höhere Leistungen geht. Auf Kosten der Trennleistung befürchte ich. Trotzdem wird die Maximalleistung unter der einer Packungskolonne liegen. Vielleicht 1.5kW?

Du schreibst, daß es wie im Wasserkocher ausschaut. Das bedeutet, zwischen den Böden war viel Flüssigkeit? Ohne Refluxkühler müssten sie eigentlich fast leer sein. Oder war das ein Versuch mit Refluxkühler?
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Alk52
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von Alk52 »

Solange Du die Böden ohne Refluxkühler nutzt, hast Du eine Potstill und die Unterschiede bei 1 oder 2 zusätzlichen Böden sind kaum zu merken. Mit Refluxkühler ist bei den Böden im Sichtrohr eine Flutung, durch zu hohe Heizleistung, leicht zu erkennen, der Flüssigkeitspegel in der Glocke steigt extrem hoch, ggf. bis in den Refluxkühler.
Solange die Flüssigkeit in beiden Glocken etwas gleich hoch ist, läuft die Anlage.
Nichts ist ohne Grund.
geHeimBrenner
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von geHeimBrenner »

derwo hat geschrieben: 15. Mai 2022, 10:51 Du schreibst, daß es wie im Wasserkocher ausschaut. Das bedeutet, zwischen den Böden war viel Flüssigkeit? Ohne Refluxkühler müssten sie eigentlich fast leer sein. Oder war das ein Versuch mit Refluxkühler?
Ja, es war eine ausreichend große Flüssigkeitsschicht vorhanden, dass die Auslässe der Bubble Caps unter dem Flüssigkeitsspiegel lagen.
Ich habe die Destille unisoliert betrieben, wahrscheinlich ist da mehr passiver Reflux gegeben als bei isolierten Anlagen. Bei niedriger Heizleistung (Stufe 2-3 von 9) funktionieren die Böden auch meiner Meinung nach ohne Reflux-Kühler zumindest ansatzweise. Dann dauert der Durchgang eben länger.
Deshalb stellte sich für mich ja auch die Frage, ob es hier einen "Sweetspot" gibt, wo die Böden noch funktionieren, die Heizleistung aber größtmöglich ist um die Zeit nicht extrem zu verlängern.

Mit Reflux-Kühler ist es klar, dass da mehr Alkoholstärke herauskommt. Wobei der Boden an sich dann ja auch nicht mehr wirklich relevant ist, da die Alkoholstärke ja dann eher über den Reflux-Anteil bzw. den den Kühler passierenden Anteil bestimmt wird. Da kann man statt mit "echten" Böden ja auch mit Packungs-Kolonne arbeiten.
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass man die Glockenböden eben auch ohne Reflux-Kühler betreiben kann bzw. dass sie auch in dieser Konfiguration bei entsprechend geringer Heizleistung genug Wirkung zeigen.
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derwo
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von derwo »

Wenn die Kolonne zum größten Teil nur mit Dampf gefüllt ist, also nur diese "ausreichend große Flüssigkeitsschicht vorhanden" ist, sind die Böden noch längst nicht überfordert. Das wär aber auch überraschend, wenn es kaum Reflux gibt. Wenn du nun die Leistung erhöhst, wird sich daran nicht viel ändern, da du ja die passive Kühlung nicht ebenfalls erhöhst dadurch. Je mehr Leistung du verwendest, desto weniger Effekt haben die Platten, da die % Reflux immer mehr gegen 0 gehen. 0 Reflux bedeutet 0 Wirkung, egal ob Packung oder Böden.

Der "sweet spot" ist da, wo du so viel Rektifikation erreichst, wie du haben möchtest. Es hängt also davon ab, was du im Kessel hast, und was du herausbekommen möchtest. Das gilt aber ebenso für Packungskolonnen mit Refluxkühler.
Technisch gesehen gibt es glaube ich keinen sweet spot. Also ohne Refluxkühler: Je weniger Leistung desto höhere Rektifikation. Also eine mehr oder weniger gerade Linie. Kann sein, daß die Platteneffizienz besser ist, wenn die Auslässe ausreichend bedeckt sind. Dann aber hast du wahrscheinlich so viel Watt, daß die % Reflux gegen 0 gehen, du also nicht in den Genuß der höheren Platteneffizienz kommst.

Ich denke, es ist einfach unpraktisch, die Destille so langsam laufen zu lassen, damit die Böden einen Effekt zeigen. Genausogut kannst du einfach den Refluxkühler anmachen, dann läuft alles schneller und effizienter.
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derwo
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von derwo »

Hier zwei Stellen aus "Schnapsbrennen" von Josef Pischl (S.90/91):
Pischl1.jpg
Pischl2.jpg
Das ist ein Buch von Anfang 90er für Kleinbrenner, also zB Bauern, die einen Hof mit Obst haben, und mit einer Potstill im Mehrfachbrennverfahren oder Destille mit ein paar Böden im Einfachbrennverfahren Brände produzieren und eher in der Umgebung oder auch nur direkt auf dem Hof verkaufen.
Man kann in der Beschreibung unter den Kolonnen sehen, daß der Dephlegmator nur bei Geisten und "Kräuterauszügen" komplett ausgeschaltet werden soll. Also auch diese Leute verwenden Böden nicht ohne aktiven Reflux.
geHeimBrenner
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von geHeimBrenner »

Danke für die Buch-Auszüge!
Dass es in der Praxis so gehandhabt wird ist mir klar. Bei kommerziellen Brennern geht es ja auch nicht um Experimente, sondern um möglichst großes Ergebnis bei möglichst geringem Energie- und Zeitaufwand.
Das ist das Schöne an einem Hobby: es muss nicht immer optimiert werden, man kann auch mal andere Wege versuchen - und dabei eventuell auf die Schnauze fallen, aber das ist ja dann auch OK und bringt Erkenntnisse.

Mich interessierte allein schon aus Forscherdrang, ob es auch ohne aktive Kühlung möglich wäre. Dass die Wirksamkeit der Böden ohne aktiven Reflux eventuell stark nachlässt, nehme ich dabei in Kauf.
Ich gehe davon aus, dass es in der Fachliteratur diesbezüglich keine Infos geben wird, einfach weil die Fragestellung eben im wirtschaftlichen Betrieb gar nicht erst anfällt. Warum sollte man das so machen, wenn es doch mit dem Reflux-Kühler (in welcher Form auch immer) weit angenehmer und einfacher geht?
Es hat mich eben einfach nur interessiert, ob der "Kühlungs-Effekt" des Flüssigkeitsfilms auf den Platten ausreichen könnte, um hier messbare Ergebnisse zu bekommen. Ähnlich einer Wasserpfeife, wo der heiße Rauch ja auch beim Durchdampfen des Wassers gekühlt wird. Im Prinzip hätten wir bei Böden ohne Refluxkühler ja auch eine Konstruktion ähnlich einem vertikalen Doubler/Thumper.
Dafür darf allerdings der Dampf dann nicht zu schnell durch den Flüssigkeitsfilm gelangen, sonst ist - wie ja schon erkannt und erwähnt wurde - der Effekt komplett hinfällig.
Für mich immer noch interessant genug, um da vielleicht nochmal ein paar Stunden hineinzustecken und einige Optionen auszuprobieren :-)
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derwo
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Re: Optimale Heizleistung für Glockenboden?

Beitrag von derwo »

geHeimBrenner hat geschrieben: 20. Mai 2022, 05:02Dass es in der Praxis so gehandhabt wird ist mir klar.
Mir ehrlich gesagt nicht ganz. Ich habe das in dem Buch nachgeschlagen, weil ich dachte, mich zu erinnern, daß dort für irgendwelche Fälle das Ausschalten empfohlen wird. Und ich dachte, nicht nur für Geiste.
Das Buch geht aber allgemein etwas in die Richtung, wenig zu Rektifizieren:
"Bei einem Alkoholgehalt von 50 bis 45 vol% soll man bei guter Maischequalität den Mittellauf beenden"
Das ist spät.
Dann steht aber ein paar Zeilen weiter unten:
"Spitzenbrände
In den letzten Jahren...Ansprüche...Qualität...gestiegen...schon ab 55 vol% eine Qualitätsüberprüfung des Mittellaufs..."