Mein Überdruckventil für meine VM

Vorlagen, Kontrollpulte, Extraktoren usw.
Bitte keine Teile, die an jeder Destille sind, also zB keine Kessel. Auch keine Refluxpackungen oder Refluxböden, Kolonnen, Ventile zur Steuerung von Refluxdestillen.
Benutzeravatar
azeotrop
Beiträge: 2245
Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Mein Überdruckventil für meine VM

Beitrag von azeotrop »

Ich mache gerne Doppelbrände und Dreifachbrände mit meiner Potstill.
Beim letzten Brand verwende ich eine 30 cm lange 2 Zoll Kolonne die mit SPP gefüllt ist und setze meinen VM Kopf und einen Refluxkondensator darüber.
Nach dem Aufheizen versorge ich den Refluxkondensator mit vollem Kühlwasser und lasse die Destille stabilisieren bis ich eine konstante niedrige Dampftemperatur messe. Das Dampfventil des VM Kopfes ist zu diesem Zeitpunkt geschlossen, aller Dampf geht zum Refluxkondensator und läuft als Reflux zurück auf die Packung.
In diesem Zustand kommt noch kein Destillat raus, da das Dampfventil zu ist.
Die Oberseite des Refluxkondensators war ursprünglich offen.
Dann öffne ich das Dampfventil einen Spalt um tropfenweise Destillat abzuziehen. Das Refluxverhältnis ist so hoch dass der Vorlauf mit 93% rauskommt.
Wenn ich genug Vorlauf gesammelt habe, schalte ich auf Poztstillbetrieb um.
Leider kann ich mit einer VM auch bei voll offenem Dampfventil den Reflux nicht auf Null bringen.
Deshalb schalte ich das Kühlwasser des Refluxkondensators ab und decke die obere Öffnung mit einem Stopfen ab.
Dadurch erreiche ich einen echten Potstillbetrieb, fast ohne Rektifikation, obwohl die gefüllte Kolonne noch im Dampfweg ist.
Das funktioniert prima, ist aber gefährlich. Wenn ich versehentlich das Dampfventil schließe kann der Dampf nirgendwo hin und es baut sich ein möglicherweise gefährlicher Überdruck auf.
Das muss verhindert werden, der Refluxkondensator darf oben nicht fest verchlossen werden, es muss ein Überdruckventil drauf.

Nun sind wir beim Thema. Ich möchte beschreiben wie ich das Überdruckventil gebaut habe und wie man es berechnen kann.

Bevor es los geht, ein weiterer Sicherheitshinweis. Meine Konstruktion ist noch immer gefährlich. Wenn ich bei geschlossenem Dampfventil und abgeschaltetem Reflux auch noch die Kessel-Heizung abschalte hört die Dampfbildung auf und nach einiger Zeit kondensiert im Inneren der gesamte vorhandene Dampf. Es entsteht schlagartig ein Vakuum und der Umgebungsdruck von 1 Bar presst die Destille zusammen. Meine Konstruktion mit dicken Edelstahl Topfwänden und einem 4 mm Deckel und dickwandigen 2 Zoll Kupferrohren hält den Druck vermutlich aus. Wer dünnwandige Kupferkessel verwendet, wird überrascht sein was der Atmosphärendruck alles anrichten kann.

Nun geht es endlich los.
Ich habe auf den 2 Zoll Tri-Clamp Anschluss oben drauf eine Reduzierung aufgesetzt. Diese hat oben einen Innendurchmesser von 35mm. Dieser Durchmesser bestimmt das Gewicht für das Überdruckventil.
Obendrauf liegt lose eine Tri-Clamp Endkappe mit einer Silikondichtung. Eine PTFE Dichtung wäre zu steif und würde nur mit sehr starkem Anpressdruck abdichten.
Die Endkappe wiegt ca. 81 g. Nur durch ihr Eigengewicht würde sie sich ab einem Destillenüberdruck von ca. 8 mbar heben und den Druck ablassen.
Ich möchte das Ganze aber einstellbar haben und auch etwas höhere Drücke zulassen.
Deshalb habe ich eine Art einstellbare Balkenwage darübergesetzt. Ziemlich primitiv und lieblos hingerotzt sieht das so aus.
IMG_2481.jpeg
An die Gewindestange kann man ein Gewicht hängen. Ohne Zusatzgewicht belastet es den Deckel mit weiteren 175 g. Das entspricht einen Ansprechdruck von 26 mbar.

Wenn ich, wie im Foto gezeigt, noch ein Gewicht von knapp 243 g an der gezeigten Stelle anhänge, erhöht sich der Ansprechdruck auf 50 mbar.

Ich habe das mit meinem Wasser Differenzmanometer nachgemessen. Bei 45 mbar hat das Ventil geöffnet.
Hier sieht man mein Schlauch-Manometer.
IMG_2485.jpeg

Wie man das ganze auch für andere Durchmesser und Gewichte rechnet, schreibe ich später in einem separaten Beitrag.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
Benutzeravatar
azeotrop
Beiträge: 2245
Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Re: Mein Überdruckventil für meine VM

Beitrag von azeotrop »

Man muss so ein Ventil natürlich nicht einstellbar machen. Man kann das notwendige Gewicht auch einfach fest auf den Deckel oder hängend innen, unter dem Deckel montieren.

Nun folgen noch Infos über die Berechnung.
Erstmal die einfache Variante:
Bei einem Öffnungsdurchmesser von 10mm und einem gewünschten Differenzdruck von 50 mbar braucht man ein Gesamtgewicht von 40 g.

Andere Drücke gehen ganz einfach: Halber Druck = halbes Gewicht. Doppelter Druck ist doppeltes Gewicht.
Für 25 mBar braucht man nur 20 g.
Für 100 mBar braucht man 80 g.

Andere Durchmesser sind ein wenig komplizierter, es geht nämlich quadratisch.
Doppelter Durchmesser = vierfaches Gewicht
Fünffacher Durchmesser = 5 x 5 = 25 faches Gewicht
Für 20 mm Öffnung brauche ich (2 x 2 =4) das vierfache Gewicht, also 160 g
Für 50 mm Öffnung brauche ich (5x5=25) 1000g

Je größer die Öffnung desto stärker wächst das notwendige Gewicht.
Bei kleinen Öffnungen wird es aber schwieriger einen sauber abdichtenden Deckel aufzulegen. Zu dünn soll es auch nicht werden, es soll im Notfall ja auch eine große Menge Dampf austreten können damit es die Destille nicht mit Überdruck beschädigt.
Ich würde so zwischen 20 und 35 mm als sinnvoll ansehen.

Hier kommen noch die Formeln für diejenigen die es sich antun wollen:

P ist der gewünschte Differenzdruck in mBar bzw. hPa
A ist die Fläche der Öffnung in m2
D ist der Durchmesser der Öffnung in m
F ist die Kraft die der Differenzdruck auf die Fläche ausübt in N
m ist die Masse des Deckelgewichts in kg
g ist die Gravitationskonstante von 9,81 m/s2
Pi ist die Kreiszahl von ca. 3,142
Mit SQRT(xx) ist die Quadratwurzel von xx gemeint.

m = P*D2*Pi/4/g
A = m*g/P
D = SQRT(m*g*4/P/Pi)
P = m*g*4/D2*Pi
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
Benutzeravatar
derwo
Beiträge: 3435
Registriert: 20. Okt 2018, 21:35

Re: Mein Überdruckventil für meine VM

Beitrag von derwo »

Die Konstruktion muss aber so sein, daß der Deckel nicht schräg sich öffnet, oder? Dann würde doch weitaus weniger Druck reichen?

Grundsätzlich würde ich mir das nicht antun, sondern einfach darauf vertrauen, daß ich das Ventil im Potstillmodus nicht schließe. Wohl aber weiß ich, wo bei meiner Destille die schwächste Adichtung ist, also wo es rauspfeifen wird bei Überdruck. Überdruck kann ja auch aus anderen Gründen passieren.
Bzw nehme ich für solche Brände einfach die CM. Du hast doch auch eine CM, oder?
Wenn ich bei geschlossenem Dampfventil und abgeschaltetem Reflux auch noch die Kessel-Heizung abschalte hört die Dampfbildung auf und nach einiger Zeit kondensiert im Inneren der gesamte vorhandene Dampf. Es entsteht schlagartig ein Vakuum und der Umgebungsdruck von 1 Bar presst die Destille zusammen.
Ob das so schlagartig passiert? Der Unterdruck senkt ja die Siedepunkte. Das wirkt dem "schlagartig" entgegen. Ich denke eher, "nur" das Zusammenfalten des Kessels passiert dann schlagartig. Macht am Ende des Tages aber keinen Unterschied.

Wenn ich mir das nochmal überlege:
1. Vorlauf mit schwach geöffnetem Ventil, oben offen.
2. Nun möchte ich auf Mittellauf im Potstillmodus wechseln. Wenn ich das Ventil nun ausversehen schließe anstelle es zu öffnen, hört der Destillatsfluss sofort auf. Das sollte man bemerken. Außer ich hechte gleich weiter zum Deckel, um den zuzumachen. Gibt es einen sonstigen Grund, das Ventil zwischen Vorlauf und Mittellauf zu schließen? Eigentlich nicht. Nur die Reihenfolge kann man anders wählen: erst oben zumachen und dann Reflux ausschalten. Dann hat man zumindest eine Engstelle.

Weiß nicht. Wollte nur ein bisschen mitdenken.
Benutzeravatar
azeotrop
Beiträge: 2245
Registriert: 26. Okt 2018, 21:17

Re: Mein Überdruckventil für meine VM

Beitrag von azeotrop »

Ich beschreibe hier wie ich es mache. Muss ja keiner nachmachen.

Ich verwende nur noch meinen VM Kopf, CM und LM nehme ich nicht mehr obwohl ich welche habe.
derwo hat geschrieben: 21. Aug 2023, 13:52 Die Konstruktion muss aber so sein, daß der Deckel nicht schräg sich öffnet, oder? Dann würde doch weitaus weniger Druck reichen?
Der Druck übt die Kraft immer rechtwinklig zur Fläche aus. Der Gegendruck durch das Gewicht muss auch rechtwinklig wirken. Ich sorge also dafür dass der Deckel ungefähr in der Mitte belastet ist. Wenn man das Gewicht nur auf einer Seite am Rand auf den Deckel drücken lässt, ist auf der anderen Seite halt weniger Gewicht und es pfeift dort früher raus. Ich vermute das hast du gemeint.

Mein Arbeitsablauf ist wie folgt:
Mit Reflux, Ventil geschlossen zum stabilisieren
Mit Reflux, Ventil leicht geöffnet zu Vorlauf abziehen
Mit Reflux, Ventil wieder schliessen
Mit Reflux, oben Deckel drauf
Kühlwasser des Refluxkondensators abstellen und dran denken das Ventil wieder zu öffnen.

Das darf jeder gerne anders machen, falls er eine solche Destille verwendet wie ich.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
MosPopcorn
Beiträge: 12
Registriert: 6. Mai 2024, 20:02
Wohnort: Nähe Solothurn

Re: Mein Überdruckventil für meine VM

Beitrag von MosPopcorn »

Wow das nenn ich mal Raketen Werkstatt , sieht kompliziert aus aber funktioniert bestimmt gut , ich wäre froh mal sowas antreiben zu können , da komm ich auch noch an , vielleicht etwas weniger kompliziert
Mo‘s Popcorn :study: zwischen Grenchen & Solothurn an der Aare