Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
Alex_69
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Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von Alex_69 »

Liebe Hobbybrenner,

ich hatte im letzten Jahr verschiedene Obste (Birne, Pflaume, Apfel) mit Turbohefe und Zucker angesetzt, s. hier viewtopic.php?t=723
Dabei hatte ich mich an das Buch von Malle/Schmickl gehalten. Angeblich soll nach 6 Monaten Ruhephase der Maische ein Vorlauffreier Schnaps destilliert werden können.
Bei der Pflaume habe ich auf 1,5 Liter Maische (ca 15 vol% alk) habe ich
6 Reagenzgläser mit je 10 ml extrahiert und dann weiter gemacht bis ich ca 60vol% hatte und dann abgebrochen.
Von den 6 Reagenzgläsern konnte ich schon per Geschmack die ersten 30 ml (3RG) aussortieren. Mit dem Vorlauftrennungstest hatte ich auch die Bestätigung, da das 3. RG schwach Grün war, das 4. RG gelb (also Stufe I nach Pieper: Einwandfrei).

Gestern habe ich den Apfel genau so gemacht, nur dass alle 6 Reagenzgläser III anzeigen, also grüne Lösung, also verwerfen! Ich habe dann das Hauptdestillat genommen, ca 120 ml und habe eine kleine Menge auf 40% verdünnt und wieder den Vorlauftest nach Pieper gemacht. Es kam etwas bei II raus, was gerade so gut ist, aber die Farbe war deutlich Grün. Da hatte ich bei der Pflaume nicht (da war das 5 RG schon gelb!) und bin jetzt echt verunsichert!

Ich bin auch dahingehend verärgert, da im besagten Buch von vorlauffreien Destillaten die Rede ist, was absolut nicht Stimmt!

Ich hoffe, Ihr habt Tipps, wie ich weiter mit meinem Apfel tun soll, da ich noch weiter 7mal diesen Prozess noch machen will, aber mir nicht sicher bin, wie ich weiter vorgehen soll.

Gruss

Alexander
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derwo
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von derwo »

Daß der Vorlauf bei Lagerung der Maische sinkt, glaube ich schon. Auch daß das Aufzuckern insgesamt einen eher geringen Vorlaufanteil mit sich bringt. Aber daß kein Vorlauf vorhanden ist, stimmt nicht. Das riecht man ja auch. Zumindest im ersten Gläschen. Und ob eine gelagerte Turbomaische ohne Vorlaufabtrennung auskommt, ist letztendlich eine Geschmacksfrage.

Wie du ja weißt, ist der Pieper-Test aber nicht dazu da, den Vorlauf auf Vorlauf zu testen, sondern den Mittellauf. Also am Mittellauf zu testen, ob man genügend Vorlauf abgetrennt hat.

Daß der Mittellauf des Apfelbrands II ist, ist aber doch recht überraschend. Auch weil du ja bei den Pflaumen den Vorlauf im Vorlauf errochen hattest. Und hier beim Apfel-Mittellauf hast du es nicht bemerkt?
War die Apfelmaische sehr vorlaufhaltig? Hat sie gut gegärt? Hat sie ebenfalls so 15vol%? Wie gemessen? Apfelmaische ist dickflüssiger als Pflaumenmaische, gärt also schlechter, und verträgt das Aufzuckern vielleicht dann auch schlechter.
60ml Vorlauf und 120ml Mittellauf aus 1.5l Maische sind halt echt üble Werte. Das klingt nach viel zu viel Vorlauf und viel zu wenig Alkohol. Bei so wenig Alkohol muss man doppelt brennen.
Alex_69
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von Alex_69 »

Hallo!
Danke für die Tipps. Ich habe diese Destillation mal in den Schrank gestellt und destilliere sie mal nach. Ich habe einen neuen Ansatz gemacht, also wieder 1,5 l Apfel-Maische, habe aber 1. den Botanical Korb reingemacht, da so die senkrechte Kolonne ca 15 cm länger ist, weil so vlt. die Trennung etwas besser wird(?).
2. ich habe mehr Proben (12 Stück) vom Vorlauf genommen. Ich habe es rausgeschmeckt, und auch mit dem Vorlaufteste kam ich auf I-II:
Ergebnis ca. 130g Mittellauf und 70 g Vorlauf. Retrospektiv habe ich also ab 83,3°C den Mittellauf genommen, ist das nicht "spät?
Der Luftdruck war übrigens 960,7 hPa.

Vom Nachlauf, da traue ich mich nicht so richtig, habe ich nur noch 9,5 g genommen... tue mich schwer rauszuschmecken wann es nicht mehr gut schmeckt. Habt Ihr Tipps?

Den Nachlauf habe ich angefangen aufzunehmen bei ca 60 vol% und 89°C....bis es 51vol% hatte ich 90,2°C gemessen habe. Da konnte ich deutlich einen unangenehmen Geruch wahrnehmen. Habe gelesen, dass man bis 91°C den Mittellauf nehmen kann. Verstehe nicht, warum ich schon viel "früher" es trennen muss. Mache ich was falsch?
Herzlichen Gruß,

Alexander
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derwo
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von derwo »

70g Vorlauf ist bei der Menge etwa das Zehnfache, was ich abtrennen würde. Ich glaube, daß einige deiner Vorlaufgläschen dem gesamten Aroma eher gut tun würden.

Bei 91°C einen Turboeinfachbrand-Mittellauf abtrennen bei Normaldruck fand ich immer geschmacklich grenzwertig. Besser wäre früher gewesen. Aber dann hat man fast kenen Mittellauf.
Bei 960hPa entsprechen die 91°C eher so 89.5°C. Also falls mit der Regel, bei 91°C abzutrennen, Normaldruck gemeint ist, müsstest du bei 89.5°C abtrennen. Dann hast du eine noch schlechtere Ausbeute.
Wir sind da wieder bei dem Punkt, wo ich der Meinung bin, was man durch Aufzuckern an Alkohol gewinnt, verliert man dann beim Einfachbrand im Nachlauf. Diese Methode des Aufzuckerns und dann Einfachbrennens hat halt ihre Schwächen.
Alex_69
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von Alex_69 »

Danke für die Antwort. Ja, so langsam verliere ich auch die Freude am Turbo-Thema.

Zum Verständnis: ich hab via Schmecken/Riechen bei der Pflaume gut eiern Patexgeruch im Vorlauf gerochen und bitteren Geschmack. Beim Apfel war es deutlich schwieriger... mit dem Vorlauftest habe ich mich dann rangetatstet... Die Ausbeute ist dann eben miserabel. Doch woher weiß ich nun, ob ich zu viele Aromen wegwerfe?

Was ich aktuell nicht einordnen kann ist der aktuelle Geschmack/Geruch der Mitteläufe der Pflaume und Apfel: beide riechen alles andere als Angenehm. Liegt es daran, dass ich warten muss? Also 1 Monat bevor ich verdünnen auf 40vol% und dann weiter lagern?
Auch da weicht meine Erfahrung ab: sofort trinkbar ist dies nicht ...

Wäre ein Ansatz all den Apfel einmal durch zu brennen, den Vorlauf schon grob abtrennen, aber Nachlauf mitnehmen (bis 91°C zB).
Dann in einer zweiten Destillation alle Raubrände nochmals zu destillieren? Welche Konzentration sollte das Destillat für den Feinbrand haben (der Raubrand hat dann ca. 50-58 Vol%, je nach Menge Nachlauf)?

Gruss

Alexander
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derwo
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von derwo »

Die Entscheidung über Vorlaufgläschen mache ich immer so:

1. Ich nehme zwei gleiche Schnapsgläser.
2. Und fülle das eine mit einer doppelten Portion verdünnten vorläufigen Mittellaufs.
3. In das andere kommt der fragliche Vorlauf. Aber nur kurz. Ich schütte ihn gleich wieder ins Gläschen zurück. Dann ist das Schnapsglas aber mit Vorlauf benetzt.
4. Nun kommt die Hälfte vom ersten Schnapsglas in das zweite.
5. Nun kann ich beide Schnäpse vergleichen, einen mit etwas mehr und einen mit etwas weniger Vorlauf.

Das klappt auch bei der Nachlaufentscheidung. Beim Vorlauf konzentriert man sich aber eher auf den Geruch, beim Nachlauf eher auf den Geschmack.


Brände zu lagern, bringt viel. Aber trinkbar sollten sie von Anfang an sein. So wie du es beschreibst, werden die nie wirklich gut sein.


Wie lang du den Raubrand machst, hängt vor allem davon ab, wie viel Alkohol in der Maische ist. Und das weißt du glaube ich nicht genau, weil du keine Dichtemessungen vor und nach der Gärung gemacht hast, oder?
Jedenfalls hat es deutlich mehr Sinn, nach der Menge zu gehen als nach der Temperatur. Also zB 500ml Raubrand aus 1.5l Maische klingt vernünftig. Bei richtig wenig % im Kessel vielleicht nur 350ml, bei richtig viel vielleicht 650ml. Die Temperatur wird dann in jedem Fall nahe der von Wasserdampf sein.
Alex_69
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von Alex_69 »

Hallo,

vielen Dank für die tolle Anleitung zum Testen. Das übe ich die nächsten Destillationen. Ob diese Brände was taugen, denke ich auch nicht mehr. Aber zum Üben sollte es gut sein.

Ich denke auch dass meine Ansätze mit der Turbohefe schief gelaufen sind; nur frage ich mich was schief gelaufen ist. Meine Brände, egal ob aus Pflaume, oder aus Apfel haben was muffiges im Geruch. Kann man zu viel Turbo-Hefe dazu geben? Oder wenn man zu viele Enzyme dazu macht?
Ich hatte ja meistens zweitweise sehr starke Gasbildung... sind also alle Aromen rausgeblasen worden und ich destilliere nur noch den langweiligen "Hintergrund" ab? Gibt es sowas wie einen "sicheren" Ansatz, wo man nie was falsch macht... ?

Ich werde im Sommer mal ohne Zuckern und mit "normaler Hefe arbeiten.
Ich habe eine Mostwaage nach Öchsle. Wie verfährt man, wenn der Obst doch nicht so viel Zucker enthält? Darf man dann zuckern um trotzdem die Norm-Zucker-Menge des Obstes zu bekommen, oder ist das auch schon falsch?

Herzlichst,

Alexander
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azeotrop
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von azeotrop »

Alexander

Meine Meinung zum Aufzuckern: Mache ich nicht mehr. Wenn Obst wenig Zucker hat, mehr Maische ansetzen. Und mehrfach brennen. Nach dem Rauhbrand ohne jede Abtrennung ist der Alkoholunterschied gegenüber aufgezuckert schon geringer. Nach dem zweiten Brand ohne Abtrennung gibt es fast keinen Unterschied mehr. Beim dritten Brand trenne ich sorgfältig Vorlauf und Nachlauf ab. Der Vorlauf ist dann sehr kurz, der Mittellauf ist sehr lange und der Nachlauf kommt nicht so schleichend, sondern merklich.
Wenn man eine kleine Destille hat, muss man halt mehrere Portionen Maische Rauhbrennen, bis man genug zusammen hat.
Der Profi plant das so dass beim Feinbrand die Destille fast voll ist, oder zweimal fast voll wird .. usw.

Beim dritten Brand ist es unerheblich ob die Maische 4% oder 15% hatte. Aber die Qualität ist um Längen besser.
Es grüßt Azeotrop
"Doubt not, therefore, sir, but that distilling is an art, and an art worth your learning."
(Nixon & McCaw)
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derwo
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Re: Vorlauftrennungstest bei hochprozentigen Maischen

Beitrag von derwo »

Alex_69 hat geschrieben: 4. Apr 2022, 19:23 Ich werde im Sommer mal ohne Zuckern und mit "normaler Hefe arbeiten.
Ich habe eine Mostwaage nach Öchsle. Wie verfährt man, wenn der Obst doch nicht so viel Zucker enthält? Darf man dann zuckern um trotzdem die Norm-Zucker-Menge des Obstes zu bekommen, oder ist das auch schon falsch?
Je mehr Aroma die Früchte haben, desto mehr Zucker verträgt es ohne große Geschmacksverluste. Haben die Früchte aber weniger Zucker als üblich, haben sie wahrscheinlich auch weniger Aroma als üblich.

Ja, je mehr Zucker, desto mehr CO2 desto mehr Aroma geht verloren. Ein bisschen lässt sich das durch kalte Gärung verhindern. Dafür nimmt man dann Kaltgärhefe.

Deine alten Brände kanst du auch zusammenschütten und nochmal brennen. Dann hast du einen Obstler, nicht unbedingt einen aromastarken, aber vielleicht einen sauberen.