Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Praxis und Theorie der Destillation. Sowohl Fragen zu und Berichte von Destillationen als auch theoretische Erklärungen und Überlegungen
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derwo
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Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

Ich habe mal getestet, ob ein Nadelventil unabhängig von der Alkoholstärke einen gleichmäßigen Durchfluss bietet. Also ob entweder die g/min oder ml/min konstant sind.

Es geht im Endeffekt um LM-Destillen. Also Destillen, wo sich der Reflux in einem Pool sammelt und von diesem Pool durch ein Nadelventil ein Teil der Flüssigkeit als Produkt abgezogen wird und der Rest überläuft und in die Kolonne zurückfließt.

Mein Versuchsaufbau
Mein Versuchsaufbau
Von oben in den Schlauch fülle ich mit einem Messbecher Wasser oder Alkohol. Der Schlauch bildet auch den Pool. Bei einer LM hat er ja ein stabiles Volumen. Ich versuche daher, den Pegel immer genau bis zum Strich zu halten, muss also die Schüttgeschwindigkeit anpassen. Die Ventilstellung bleibt gleich für zwei Messungen, eine mit Wasser, eine mit Alkohol. Ich messe die Zeit und sammel das, was unten rauskommt.

Die Messdaten:
  • Ventilstellung 1:
    Wasser: 17.5ml/min 17.25g/min
    Ethanol 90gew%: 13.25ml/min 10.7g/min
  • Ventilstellung 2:
    Wasser: 54ml/min 53.2g/min
    Ethanol 90gew%: 43ml/min 34.4g/min
  • Ventilstellung 3:
    Wasser: 255ml/min 251g/min
    Ethanol 90gew%: 232ml/min 186.1g/min
Das lustige dabei ist, daß es optisch so ausschaut, als ob Ethanol stärker fließt als Wasser. Wahrscheinlich denkt man das, weil es regelmäßiger fließt. Wegen der geringeren Oberflächenspannung vielleicht. Der Ethanolstrahl ist aber halt dünner bzw die Tropfen sind kleiner. Das Gegenteil ist also der Fall: Ethanol fließt langsamer als Wasser, egal ob bezogen auf die Masse oder auf das Volumen. Und dieser Unterschied ist relativ gesehen größer, je enger der Durchlass ist: Bei der engen Ventilstellung 1 hat die Ethanollösung bezogen auf das Volumen 76% und bei der weiten Ventilstellung 3 91% der Geschwindigkeit verglichen mit Wasser.
Hier als Diagramm:
x= 0 - 255ml/min Wasser, y=ml/min Ethanol
x= 0 - 255ml/min Wasser, y=ml/min Ethanol
Das bedeutet, bei sinkendem Alkoholgehalt passieren zwei Dinge in einer LM:
1. Der Refluxkühler kondensiert ja den ganzen Dampf. Dieses Kondensat hat aber nun weniger Volumen und Masse.
2. Das Ventil lässt mehr Produkt durch.
Das bedeutet, daß die % Reflux sinken. Dadurch sinkt der Alkoholgehalt stärker als er es allein durch das Absinken des Alkoholgehalts im Kessel tun würde.
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azeotrop
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Das ist interessant.
Man müsste es natürlich bei den hohen Temperaturen ausprobieren die in einer LM am Nadelventil herrschen. Die Viskosität verändert sich ja stark.
Aber so oder so wird der Effekt der Reduzierung des Refluxanteils gegen Ende der Destillation auftreten.
Ich habe gerade meine LM aufgebaut und werde mal eine Probedestillation machen.
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derwo
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

Der Verlauf der Viskosität ist aber bei Wasser und Ethanol ähnlich:
Bild
Das ist von hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Viskosit% ... sche_Werte

Aber ausschließen kann ich es nicht, daß es bei einer richtigen Destillation anders ist. Bin mal gespannt auf deine Werte.

Niedrigprozentiges Destillat ist ja heißer als hochprozentiges. Und bei beiden Stoffen sinkt durch Hitze die Viskosität. Also kann es sein, daß alleine dadurch heißes alkoholarmes Destillat schneller fließt als weniger heißes alkoholreiches Destillat. Das würde den von mir gemessenen Effekt verstärken.
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Alchemist
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von Alchemist »

Ich würde hier mal die Dichte als den Verursacher in den Raum werfen.

Der hydrostatische Druck einer Flüssigkeit ist: dichte * erdbeschleunigung * höhe der säule. (https://de.wikipedia.org/wiki/Hydrostatischer_Druck)
Dies wäre gültig eigentlich nur für ruhende Medien; die Bernoulli Gleichung wäre vielleicht besser, aber da auch dort der hydrostatische Druck vorkommt, schauen wir uns mal nur den an. Aber nachdem die Säulenhöhe konstant gehalten wurde, kann man das als schon als ruhende Flüssigkeit betrachten.
Angenommen derwo hat die Säule sauber konstant gehalten, die Erdbeschleunigung wird sich wohl nicht ändern, bleibt nur noch die Dichte als Variable. Demnach ist bei Wasser (~ 1 kg/L) der hydrostatische Druck nur noch wesentlich von der Säulenhöhe abhängig (da g konstant).

Bei Ethanol (90 Gew.-% mit ~ 0,82 kg/L) wären wir bei 80% des hydrostatischen Drucks von Wasser, also auch einer etwas geringeren Fließgeschwindigkeit. Das passt hier ganz gut ins Bild, vor allem mit den Werten (schwanken um 80%). Die kleine Säule ist halt eine potentielle Fehlerquelle.

Der Druck im Nadelventil ist einfach ein anderer, aufgrund der unterschiedlichen Dichten der Flüssigkeiten. Dadurch ergeben sich auch andere Strömungsgeschwindigkeiten.

Ein lustiger Versuch wäre Olivenöl (0,91 kg/L), mit Ethanol, dass eine ähnliche Dichte aufweist. Da könnte man dann den Einfluss der Viskosität beobachten, weil Olivenöl etwa Faktor 100 höhere Viskosität hat.
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azeotrop
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Wie würdest du dann einen Versuch mit Honig voraussagen? Die Dichte von Honig ist 1,4.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von Alchemist »

azeotrop hat geschrieben: 7. Dez 2023, 19:54 Wie würdest du dann einen Versuch mit Honig voraussagen? Die Dichte von Honig ist 1,4.
Ich kann da nichts voraussagen, da ich den Einfluss der Viskosität nicht kenne. Den Faktor Viskosität kann man definitiv nicht unterschlagen.
Ein lustiger Versuch wäre Olivenöl (0,91 kg/L), mit Ethanol, dass eine ähnliche Dichte aufweist. Da könnte man dann den Einfluss der Viskosität beobachten, weil Olivenöl etwa Faktor 100 höhere Viskosität hat.
Honig: Viskosität 10.000 (https://www.rct-online.de/magazin/visko ... stizitaet/)

Deswegen würde ich Olivenöl vorschlagen, da es eine Dichte ist, die man mit Ethanol vergleichen kann. Dann weiß man zumindest, wie sich das bei einer Viskosität um den Faktor 100 verschoben verhält (bei der gleichen Dichte). Und dann müsste man zumindest noch ein paar weitere testen, um ein Modell zu erstellen. In wissenschaftlichen Studien ist es wichtig, nicht zu viele Parameter auf einmal zu verändern.

Aber ich glaube wohl kaum, dass jemand Olivenöl oder Honig destillieren möchte. Deshalb genügt es, uns auf das Wasser-Ethanol Gemisch zu konzentrieren.


Aber: ich weiß schon warum du Honig erwähnst. Damit wäre mein Vorschlag mit der Dichte natürlich falsch. Aber nur weil es auf Honig nicht anwendbar ist, heißt das nicht, dass es für Ethanol-Wasser nicht gültig ist.
Wie gesagt, die Viskosität spielt bestimmt eine Rolle. Inwiefern Honig noch als Flüssigkeit gilt, ist aber auch eine andere Frage, den der hydrostatische Druck gilt halt nur für (ruhende) Flüssigkeiten.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

Ich denke, man kann das nur messen.
Der Zusammenhang ist ja auch nicht gleichmäßig. Die Linie, welche ich gepostet habe, weißt eine Krümmung auf.
Aber bei sehr hohen Durchflussraten, scheint es auf ein fixes Verhältnis zwischen den ml-Durchflussraten von Wasser oder Alkohol hinauszulaufen. Also ml/min Wasser / ml/min Alkohol = konstant. Aber für kleine Durchflussraten gilt das nicht. Vielleicht spielen die Faktoren (zB Dichte, Oberflächenspannung Viskosität) eine unterschiedlich große Rolle je nach Ventilstellung.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Wenn man die Dichte mit betrachten möchte muss man nur die kinematische Viskosität verwenden.
Diese ist die dynamische Viskosität, dividiert durch die Dichte.
derwos`s Diagramm zeigt die dynamische Viskosität.
Lassen wir mal vorläufig die kinematische Viskosität beiseite und betrachten die dynamische Viskosität.
Man muss beachten dass in derwos Diagramm die Werte für Reinstoffe in mPa*s gezeigt werden.
Mischungen von Stoffen verhalten sich jedoch anders.
Hier findet man ein PDF mit Daten zu Erthanol Wasser Mischungen
https://www.chemiestudent.de/data/chemi ... koll41.pdf

Hier ist ein Diagramm das in Pa*s skaliert ist. Man muss die Werte auf mPa umrechnen um sie mit derwo's Diagrammwerten vergleichen zu können.
Die x-Achse zeigt die Molanteile. Man erkennt ein Maximum der kombinierten dynamischen Viskosität bei ca. 0,25. Das sind 25mol% entsprechend 53,8vol%.
Unterhalb und oberhalb von 53,8vol% ist die dynamische Viskosität geringer, am zähesten ist das Gemisch bei 53,8vol%
Die Werte gelten für 25°C.
Bildschirmfoto 2023-12-08 um 08.49.41.png
Hier findet man noch weitergehende Infos inkl. Temperaturabhängigkeit.
https://www.iuta.de/igf-docs/abschlussbericht_14514.pdf
Man sieht dass das Maximum bei 25mol% bei 25°C stärker ausgeprägt ist als bei höheren Temperaturen.
Die Werte wurden jedoch bei einem Umbegungsdruck von 100bar gemessen und könnten uns in eine falsche Richtung führen.

Bildschirmfoto 2023-12-08 um 09.09.07.png

Ich habe auf die Schnelle kein entsprechendes Diagramm für die kinematische Viskosität gefunden. Diese würde dann auch den Dichtewert berücksichtigen.

Man kann die Werte aber leichst selbst umrechnen indem man die dynamische Viskosität durch die jeweilige Dichte der Wasser/Ethanolmischung dividiert.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Heute habe ich den versprochenen Versuch mit meiner LM gemacht.
Die elektrische Heizleistung betrug 1600W. Ich habe nur bei einer einzigen Ventilstellung getestet.
Es war bis zum Ende deutlich sichtbarer Reflux vorhanden, der Auffangpool vor dem Nadelventil war also immer vollständig gefüllt.
Im Kessel hatte ich 10L mit 4,0vol%. Im Steigrohr hatte ich c. 6cm Kupfer-SPP und erreichte 2,12thB.

Hier ist der Verlauf:
LM Prod_Rate vs. Prod_Stärke.jpg
hier die Rohdaten:

Code: Alles auswählen

vol% Produkt	Produktrate g/min
15		3,83
26,38		4,24
48,33		4,97
70,41		5,79
76,71		7,56
78,43		10,24

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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

Ich habe ein bisschen geschmökert in der ersten pdf. Bei ihr wurde ja mit einem sogenannten Ostwald-Viskosimeter anhand der Durchflusszeit die kinematische Viskosität bestimmt. Dieses Instrument ist eine Kapillare, durch die ein fixes Volumen Flüssigkeit fließt, während man die Zeit misst. Und schon lässt sich ganz leicht die kinematische Viskosität berechnen:
kinematische Viskosität = Durchflusszeit x Konstante
Die Konstante ist normalerweise auf dem Instrument aufgedruckt.
Anscheinend bestimmt also die kinematische Viskosität alleine über die Durchflusszeit. Und die Durchflusszeit bzw der Kehrwert die Durchflussrate ist ja das, was uns interessiert.
Und die Dichte spielt insofern hinein, da:
dynamische Viskosität = Dichte x kinematische Viskosität

Also müsste man die Durchflussrate von Ethanollösungen vorhersagen können, wenn man eine Tabelle mit der Viskosität (egal welcher, denn die Dichte wissen wir ja) der Ethanollösungen hat und die Durchflussrate mit Wasser weiss. Die Durchflusszeit mit Wasser müsste man messen, dann kann man rechnen:
Durchflusszeit Ethanollösung = Durchflusszeit Wasser x Viskosität Ethanollösung / Viskosität Wasser
und umgekehrt anstelle der Durchflusszeit, die Durchflussrate:
ml/min Ethanollösung = ml/min Wasser x Viskosität Wasser / Viskosität Ethanollösung
Und Viskosität Wasser / Viskosität Ethanollösung ist ja konstant, wenn die Alkoholstärke konstant ist.
Also muss dann auch ml/min Ethanollösung / ml/min Wasser konstant sein.
Und war das so bei meinen Messungen? Eben nicht:
Ventilstellung 1: 13.25 / 17.5 = 0.76
Ventilstellung 2: 54 / 43 = 0.80
Ventilstellung 3: 255 / 232 = 0.91
Das Verhältnis ist nicht konstant sondern höher, je offener das Ventil.

Ein LM-System ist nunmal keine Viskosimeter. Vor allem wahrscheinlich, weil der Durchlass viel zu groß ist, um es als Kapillare gelten zu lassen. Bzw die Einengung am Nadelventil sehr kurz ist.
Und das bedeutet glaube ich, daß es mit Berechnungen hier schwierig ist.

Edit: azeotrop, habe deinen Versuch noch nicht angeschaut.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Ich verstehe das PDF anders.
Im gesamten Dokument wird nur allgemein von Viskosität gesprochen aber als als n oder griechisches eta geschrieben. Das ist die dynamische Viskosität.
Die kinematische Viskosität hat der Formelzeichen ny und wird als v geschrieben.

Es stimmt aber dass ein Ostwald Viskometer die kinematische Viskosität ermittelt

Allerdings braucht man den kinematischen Wert nur mit der Dichte des Fluids multiplizieren und hat dann die dynamische Viskosität.

Im PDF wird auch beschrieben dass die Dichte gemessen werden soll, aber der Schritt mit der Multiplikation wird nicht erwähnt.
Für mich ist es aber eindeutig dass die Viskosität mit dem griechischen eta (n) die dynamische ist.

In meinen zweiten PDF wird im Text der Seite 158 auch eindeutig die dynamische Viskosität genannt.
Da der Kurvenverlauf dem ersten PDF entspricht, sind für mich die Zweifel beseitigt.
Zuletzt geändert von azeotrop am 9. Dez 2023, 20:56, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Info: Ich habe diesen und den vorhergehenden Beitrag mehrfach umgeschrieben und ein paar mal meine Meinung gewechselt. Sorry für die Verwirrung.

Völlig unabhängig von dem Kurvenverlauf der dynamischen Viskosität aus den PDFs glaube ich mittlerweile dass für LM mit Nadelventil die kinematische Viskosität ausschlaggebend ist.
Damit hilft das PDF nur begrenzt.
Für die kinematische Viskosität habe ich keine Kurven gefunden. Man könnte aber die Kurven selbst ausrechnen indem man durch die Temperatur und konzentrationsabhängigen Dichtewerte dividiert.

Wie es bei meiner LM abläuft habe ich je gepostet.
Ob eine durch die Dichte dividierte Kurve auch so aussehen würde weiß ich nicht.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 9. Dez 2023, 18:54Ich verstehe das PDF anders.
Ich bin mit meinen Ausführungen auch sehr früh abgewichen von der pdf. Was ich geschrieben habe, hat wenig mit der pdf zu tun. Eher damit: https://de.wikipedia.org/wiki/Ostwald-Viskosimeter
Vielleicht liest du das mal durch. Dort steht eben klar, daß die kinematische Viskosität und die Fließdauer in einem fixen Verhältnis ist. Zumindest in einem Viskosimeter, also in einer Kapillare. Also doppelte Viskosität -> doppelte Fließdauer.
Und daß das bei einem LM-Aufbau eben nicht so ist, zeigen meine Messungen aus dem ersten Beitrag. Also ist die Viskosität eben nicht ausschlaggebend. Oder zumindest nicht sowohl für ein weit als auch wenig geöffnete Nadelventil.

Und deine Messwerte folgen ja überhaupt nicht dem Verlauf der Viskosität:
https://www.rheosense.com/applications/ ... t-mixtures
ViscoMix3.png
Nur die blauen Linien interessieren uns.
Die dyn. Viskosität ist bei etwa 50vol% am höchsten. Wenn man diese Kurve jetzt durch die Kurve der Dichte dividiert, um die kinematische Biskosität zu bekommen, wird die Kurve insgesamt merkbar nach rechts hin ansteigen. Trotzdem ist das Maximum immer noch irgendwo bei 50-60vol% und rechts davon geht es halt nicht ganz so steil bergab wie bei der dynamischen.
Ich hatte ja leider nur Wasser und 90gew% (=93.3vol%) gemessen. Die kinematische Viskosität von 93.3vol% ist nach dieser Graphik höher als die von Wasser. Also kann mit dieser Graphik erklärt werden, daß ich mit Ethanol niedrigere Durchflussraten hatte als mit Wasser.
Du aber hattest eine höhere Durchflussrate je höher die Alkoholstärke war. Also je zähflüssiger die Flüssigkeit war, desto schneller ist sie geflossen. Das ist doch eine vollkommene Überraschung, oder? Deswegen verstehe ich nicht, daß gerade du mit diesen deinen Messwerten meinst, daß die Viskosität ausschlaggebend ist. Oder ich stehe auf irgendeinem Schlauch.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Die beiden PDF waren früher dran als meine Messung. Ich habe zu meiner Messung noch nichts gesagt, ausser die Messwerte zu präsentieren. Das ist eine Sache die nach den PDFs aufgetaucht ist.

Zu den PDFs sagte ich dass der Verlauf der dynamischen Viskosität nur bei niedrigen Temperaturen diesen ausgeprägten Buckel hat. Bei hohen Temperaturen wird der Verlauf viel flacher, aber dieser flachere Verlauf wurde bei einem Umgebungsdruck von 100bar ermittelt.

Dann ist die Diskussion auf die Frage abgewichen ob in dem ersten PDF über die dynamische oder die kinematische Viskosität gesprochen wird.

Ich kenne keine Kurve für Normaldruck und hohe Temperatur, weder für die dynamische noch für die kinematische Viskosität.
Durch den korrigierenden Einfluss der niedrigeren Dichte bei hohen Temperaturen und bei höheren Alkoholstärken muss diese kinematische Viskosität aber bei hohen Alkoholstärken einen niedrigeren Wert haben als bei Wasser.
Eine niedrigere Viskosität ergibt einen höheren Durchfluss.
Diesen Effekt sehe ich grob auch bei meinen Messwerten.

Verwirrend ist sicher ein Satz von mir:
Völlig unabhängig von dem Kurvenverlauf der dynamischen Viskosität aus den PDFs glaube ich mittlerweile dass für LM mit Nadelventil die kinematische Viskosität ausschlaggebend ist.
Das müsste heißen: ..... glaube ich mittlerweile dass für LM mit Nadelventil die kinematische Viskosität aussagefähiger ist als die dynamische.

Ich sehe derzeit keine Möglichkeit meine Messwerte mit dem Verlauf der kinematischen Viskosität zu vergleichen, da ich kein geeignetes Diagramm kenne.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Ich habe noch ein Dokument gefunden das Diagramme für die dynamische Viskosität bei unterschiedlichen Temperatur und Konzentrationswerten von Wasser Ethanol Mischungen zeigt.
Nicht perfekt, aber interessant.
Effect of temperature and mole fraction on viscosity and thermal conductivity of water and ethanol mixture Auch hier sieht man einen Buckel. Die Kurve verschiebt sich bei höherer Temperatur nach oben, der Buckel wird intensiver. Leider ist die höchste Temperatur hier nur 318K = 44,85°C .

Bildschirmfoto 2023-12-10 um 11.54.46.png
Selbst wenn man den Dichteverlauf einrechnen würde, sieht es noch immer anders aus als der Verlauf meiner Messwerte.
Es muss also noch einen Mitspieler geben, ausser der dynamischen Viskosität, der Dichte, der Alkoholkonzentration und der Temperatur.
Mir fällt leider nichts ein.

Da mein Nadelventil der LM aussen an der frischen Luft montiert ist, wird die Temperatur unterhalb der Temperatur des Reflux vom Kondensator liegen.
Wenn ich einzelne Tropfen entnehme, wird es nicht heißer als 35°C. Das hatte ich mal gemessen. Bei starker Destillatentnahme wird es so heiss dass man es nicht mehr anfassern kann. Leider habe ich während meines Versuchs versäumt die Ventiltemperatur zu messen.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Hier ist noch ein Diagramm mit höheren Temperaturen bis 81°C. Die x-Achse ist in gew.% skaliert.
Die y-Achse ist logaritmisch in centipoise (dyn. Viskosität).
1 Poise = 0,1 Pa s
1 centipoise = 1 mPa s
Viscosity-of-water-ethanol-mixtures-at-different-temperatures-106.png
Das zugehörige PDF handelt eigentlich von etwas ganz anderem, aber das Diagramm auf PDF Seite 59 passt für uns.
https://www.researchgate.net/publication/27516490
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

Ah, das letzte Diagramm, das schaut schön komplett aus. :+1:
Leider fehlen aber dann doch die höheren Temperaturen.

Ich spiele ml mit deinen Messwerten und diesem Diagramm:

78.43vol% = 71.7gew%. Das sind bei Normaldruck 80°C. Angenommen, du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 50°C. Das wäre dann laut Diagramm ein dyn. Visk. von etwa 1.1. Geteilt durch die Dichte 0.864 (leider nur die Werte bei 20°C) macht das 1.27 kin. Visk.

70.41vol% = 62.8gew%. Das sind bei Normaldruck 80.7°C. Angenommen, du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 50.35°C. Das wäre dann laut Diagramm ein dyn. Visk. von etwa 1.2. Geteilt durch die Dichte 0.885 (leider nur die Werte bei 20°C) macht das 1.36 kin. Visk.

48.33vol%
= 40.9gew%. Das sind bei Normaldruck 82.8°C. Angenommen, du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 51.4°C. Das wäre dann laut Diagramm ein dyn. Visk. von etwa 1.25. Geteilt durch die Dichte 0.933 (leider nur die Werte bei 20°C) macht das 1.34 kin. Visk.

15vol% = 12.1gew%. Das sind bei Normaldruck 89.8°C. Angenommen, du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 54.9°C. Das wäre dann laut Diagramm ein dyn. Visk. von etwa 0.7. Geteilt durch die Dichte 0.979 (leider nur die Werte bei 20°C) macht das 0.72 kin. Visk.

Also während die vol% fallen, steigt die kin. Visk. langsam an. Nicht besonders viel. Dann irgendwo bei 60vol% fällt sie wieder langsam und dann mit der Zeit recht schnell.
Also laut kin. Viskosität hätte deine Destillatrate nicht so schnell fallen dürfen von 78.43 auf 70.41vol%. Und irgendwann hätte sie wieder steigen müssen. Bei dir ist sie aber beständig weiter gesunken.

Zwei große Kritikpunkte sehe ich natürlich an meiner Rechnung:
1. Der Mittelwert der Temperatur.
2. Die Dichtewerte bezogen auf 20°C
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

derwo hat geschrieben: 10. Dez 2023, 15:05 Leider fehlen aber dann doch die höheren Temperaturen.
Noch höher siedet die Flüssigkeit bei höheren Alkohlwerten.
Schon die Kurve für 81°C endet bei 60 gew%.
Das Nadelventil ist ja ungekühlt and er Luft und wird nicht so heiss wie der Reflux. Leider habe ich es nicht gemessen. Siehe Beitrag weiter unten.

Ich habe die Werte für 75°C aus dem Diagramm entnommen und mit der 20°C Dichte umgerechnet.
Die x-Achse habe ich auf vol% umgerechnet. Damit komme ich auch nicht näher an meine Messwerte.
Im Diagramm steigt die Viskosität, bei mir steigt der Durchfluss. Da klemmt was.

Ich werde aber noch die Dichtewerte für 75°C ermitteln und ein neues Diagramm machen.
Viskositäten Ethanol Wasser.jpg
Zuletzt geändert von azeotrop am 10. Dez 2023, 16:35, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Ich finde keine Dichtedaten für Temperaturen über 40°C. hast du was rumliegen?
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Das verstehe ich nicht
derwo hat geschrieben: 10. Dez 2023, 15:05 du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 50°C
Bei einer LM fliesst der Reflux mit Refluxtemperatur ins Nadelventil und wird dort etwas abgekühlt. Was hat die Destillattemperatur damit zu tun?
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Ich bekomme heute Teile geliefert um an einem VM Projekt weiterarbeiten zu können. Ich muss deshalb hier unterbrechen. Sobald es geht werde ich hier weiter machen.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von derwo »

azeotrop hat geschrieben: 10. Dez 2023, 16:39 Das verstehe ich nicht
derwo hat geschrieben: 10. Dez 2023, 15:05 du hast 20°C Destillatstemperatur, hast du also im Mittel 50°C
Bei einer LM fliesst der Reflux mit Refluxtemperatur ins Nadelventil und wird dort etwas abgekühlt. Was hat die Destillattemperatur damit zu tun?
Ich denke halt, daß die Flüssigkeit im Nadelventil eine Temperatur irgendwo zwischen der Raumtemperatur und der Siede- bzw Refluxtemperatur hat. Und wir kühlen ja das Destillat im Produktkühler auf Raumtemperatur ab normalerweise. Und die ist halt meistens so 20°C. Hab ich ungeschickt ausgedrückt.

Ich habe deine LM-Konstruktion im Verdacht. Ich glaube der Reflux return ist so dünn und lang, daß er einen Widerstand bildet, wodurch die Flüssigkeit umso mehr durchs Nadelventil gedrückt wird je mehr vom Refluxkühler hinfließt. Und diese Menge hängt ja von der Alkoholstärke ab. Je höher desto mehr Flüssigkeit. Und eben desto mehr Druck und dadurch Produkt.
Wenn das so ist, macht es deine Konstruktion natürlich nicht schlecht, sie folgt nur etwas anderen Regeln als die Standard-Boka.
Ich habe ja auch eine LM, leider eine sehr spezielle Konstruktion. Werde mir was überlegen, was man damit testen könnte.

Und -um auf meinen ersten Beitrag mit diesem Versuch zurückzukommen- ich denke, daß ich hätte wenigstens noch zwei Alkoholstärken in der Mitte irgendwo hätte nehmen müssen. Es kann gut sein, daß ich mit mittleren Alkoholstärken durch die höhere Viskosität dort wesentlich weniger Durchfluss gehabt hätte. Den Versuch werde ich erweitert wiederholen. Daß das wieder bei Raumtemperatur stattfindet, ist natürlich nicht perfekt. Aber ich glaube trotzdem, daß es aussagekräftig ist, da sowohl die Dichten als auch Viskositäten relativ zur Alkoholstärke bei hohen Temperaturen ähnlich ausschauende Kurven haben.
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azeotrop
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

derwo hat geschrieben: 11. Dez 2023, 12:34 Ich habe deine LM-Konstruktion im Verdacht.
Ich habe ja eine spezielle Konstruktion für externen Reflux. Dein Verdacht ist begründet. Ich werde das versuchen zu testen.
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Re: Nadelventil Durchfluss in Abh. von der Alkoholstärke

Beitrag von azeotrop »

Heute habe ich den LM Kopf untersucht indem ich aus einem Nadelventil Leitungswasser von oben zugeführt habe. Das Nadelventil fürs Produkt habe ich fest eingestellt auf ca. 1 Tropfen / Sekunde.
Dann habe ich einmal wenig Wasser von oben zugeführt und einmal sehr viel Wasser.
Die "Destillatgeschwindigkeit" ist konstant geblieben. Ich denke meine Konstruktion mit externer Refluxleitung ist nicht der Verursacher meiner Kurvenform.
Natürlich wäre es besser sowas mit heißem Alkohol zu testen, aber ich denke mein Test mit Wasser ist aussagefähig genug.

Danach habe ich das Produkt-Nadelventil mit einem Heissluftfön erhitzt. Oh Wunder, die Temperatur verändert den Durchfluss deutlich. Bei heißem Ventil kommt nur die Hälfte durch wie bei kaltem Ventil.
Ich habe ein sehr hochwertiges Nadelventil mit PTFE Dichtungsmaterial. Das hätte ich nicht erwartet dass es sich so deutlich mit der Temperatur verändert. Man merkt es jedoch nur bei kleinen Produktraten. Wenn es fast offen ist, merkt man das nicht mehr.

Dieser Effekt könnte meine Messwertkurve erklären. Ich hatte ja anfangs höhere Produktraten als gegen Ende. Anfangs war das Nadelventil kalt, im Laufe der Destillation wurde es immer wärmer.

Irgendwann werde ich meinen Versuch mit echter Destillation wiederholen, aber darauf achten dass das Nadelventil vor Beginn der Messungen bereits heiß ist.
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