Erfahrungen mit Gin

Spirituosen hergestellt durch Destillation von Alkohol und unvergorenen Früchten oder Gewürzen
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Alchemist
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Erfahrungen mit Gin

Beitrag von Alchemist »

Ich habe mich mal an drei Gin Varianten versucht, da ich den Geschmack von Gin einfach genieße.
Die erste Problematik war, ein nicht anspruchsvolles Rezept zu finden. Viele Gin Varianten verlangen einem das halbe Gewürzschrank ab. Da ich aber in der Hinsicht einfach zu geizig bin, mir mehr als 10 Gewürze ins Regal zu stellen, bei denen der kg-Preis ohne Probleme 100€ übersteigen kann, musste was einfach zum Testen her. Wacholder als Grundzutat ist natürlich kein Problem, den hatte ich ohnehin zuhause.

Zu Beginn hatte ich mich Odin's Easy Gin von HD versucht. Einzig die Abwandlung, dass ich anstelle von der Schale einer Orange, die einer Zitrone verwendet habe. Als ich den gebrannten Gin dann das erste Mal gerochen habe, war ich mir nicht sicher ob das wirklich ein so toller Gin wird. Nach dem ersten Verkosten wusste ich, dass er nicht gut ist. Die Zitronenschale hatte hier etwas muffiges an sich.
Spoiler
Ich hatte mal vor Beginn meiner wirklichen Brennerei einen Weinbrand hergestellt, wobei ich in der Kolonne einen Korb mit Zitronenschalen beigefügt habe. Der daraus entstandene Schnaps hatte etwas gewaltiges an sich. Ein Schluck wirkte wie eine Faust ins Gesicht. Ich bin seitdem einfach extrem vorsichtig mit Zitronen und Brennen.
<-- Dies gepaart mit dem muffigen Beigeschmack im Gin, würde ich wohl generell keine Zitronenschalen mehr empfehlen zu Geisten.

Weiter zu meinem zweiten und dritten Versuch: Hier habe ich originalgetreu nun auch Orangenschalen verwendet im Odin's Easy Gin. Der erste Geruchs- und Geschmackstest waren auch ein voller Erfolg.

Der Dritte Versuch erfolgte parallel mit dem zweiten: Ich habe dazu eine Variante des "English Geneva" versucht. Warum genau dieses Rezept? Weil es als einzige Zutat nur Wacholder enthält. Und es ist auch ein Anreiz gewesen, einmal diese unverfälschte Variante zu erproben. Und auch hier muss ich sagen, absolut klasse. Der Geschmack des Wacholders kommt so hervorragend zur Geltung, dass ich diese Variation auf jeden Fall wiederholen werden.

Ich neige jedoch manchmal dazu, dass ich meine Arbeit etwas falsch beurteile, da ich einfach zu überzeug von mir selbst bin. Deswegen musste eine zweite Meinung her. Und auch die zweite Meinung bestätigte mir das, was ich selbst empfinde. Ich bin daher mit den letzten beiden Versuchen ziemlich zufrieden. Abschließend stelle ich noch meine Rezepte bzw. meine Einwaage zur Verfügung sowie den Ablauf.

Odin's Easy Gin
  • 0.5 L Vodka 40 %
  • 6 g Wacholderbeeren
  • 1.5 g Koriandersamen
  • 2.15 g Orangenschale, tiefgefroren
English Geneva
  • 0.5 L Vodka 40 %
  • 17.5 g Wacholderbeeren

Ablauf
Die Beeren/Samen mit dem Mörser leicht zerstoßen (nicht vollständig aufmahlen) und für 2 Wochen bei etwa 20 °C im Vodka mazerieren. Luftdicht verschließen und ab und an mal schütteln.
Nach der Mazerationszeit absieben und das Mazerat brennen. Die ersten 5-10 ml als "Vorlauf" abtrennen. Etwa 200 ml aufsammeln, man sollte mit etwa 70-80 vol% Produkt erhalten. Brennen mit der Potstill.
Bei Orangen oder Zitronen ist generell darauf zu achten, den weißen Anteil der Schale nicht zu verwenden, da dieser bitter wirkt.

Anmerkungen
Nach Berichten kommt man zu ähnlichen Ergebnissen, wenn man die 2 Wochen Mazerationszeit weg lässt und den gesamten Inhalt im Kessel brennt. Ich habe das nicht versucht, da ich keine Eile habe. Das Abtrennen des "Vorlaufs" wäre generell nicht nötig, wird hier aber dennoch empfohlen, da die ersten paar ml einen zu hohen Anteil an ätherischen Ölen des Wacholders enthalten, und dadurch das Produkt beim Verdünnen trüb wird und weil auch der Gin dann nicht so schmeckt, wie er soll. Meine Ausbeute betrug dann etwa 300 ml 40 %iger Gin.
Die Rezepte lassen sich auch hoch skalieren, wobei bis 10 L nur die ersten 5-10 ml "Vorlauf" zum Abtrennen nötig sind. Über 10 L sollte man auf diesen Schnitt auf 20 ml erhöhen.

Ich werde weitere Rezepte testen, die ich gefunden habe, und auch nach und nach meinen Gewürzschrank mit Kleinmengen füllen, um auch die Möglichkeiten der Rezepte zu erweitern. Ich bin bei weitem kein Gin-Spezialist, und möchte es mir nicht anmuten, feine Nuancen zu erkennen oder zu unterscheiden, aber eine subjektive Meinung ob mir was schmeckt oder nicht, werde ich mir erlauben. Vielleicht verleitet das jemanden dazu, ein Rezept nachzumachen.

Hier der Link zu HD, falls jemand nachlesen möchte:
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geHeimBrenner
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von geHeimBrenner »

Das Odin-Rezept sieht spannend aus, werde ich demnächst vielleicht auch mal ausprobieren!

Schaffst du es tatsächlich mit einer Potstill, aus 500ml 40% 200ml mit 70-80% herauszubrennen wie in "Ablauf" beschrieben? Das kommt mir auf den ersten Blick sehr sportlich vor! Hast du das gemessen oder waren die Werte irgendeine Vorgabe aus dem Originalrezept?

Wenn du die Mazeration weglässt, sollte das Wacholder-Aroma etwas weicher/dezenter sein. Was die Vorlauf-Abtrennung im Bezug auf die ätherischen Öle betrifft bin ich skeptisch, da diese komplett alkohollöslich sind und sich somit im gesamten Mazerat verteilt befinden. Ob da 5-10ml einen großen Unterschied machen?
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Alchemist
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von Alchemist »

Würde mich freuen, wenn du davon berichtest, solltest du es ebenfalls testen!

Original sollten 43% Vodka verwendet werden, da hatte ich schon mal einen Nachteil. Ich hab das Produkt dann auch nur grob gemessen, da war ich dann bei etwa 190 ml mit 72%. Ich war und bin da selbst auch skeptisch. Ich könnte morgen mein verdünntes Produkt nachmessen, ob dass tatsächlich 40% hat. Ich hab mithilfe des Rechners und meiner groben Messung die Menge an Wasser berechnet und zugegeben.

Da bin ich überfragt. Ich hab es so gemacht, weil es so vorgeschlagen wurde. Zu Beginn der Destillation hat man die höchsten vol% im Produkt, oder? Könnten sich da nicht prozentuell mehr Aromastoffe befinden als im hinteren Teil bei sinkenden vol%?
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derwo
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von derwo »

geHeimBrenner hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:38Schaffst du es tatsächlich mit einer Potstill, aus 500ml 40% 200ml mit 70-80% herauszubrennen wie in "Ablauf" beschrieben? Das kommt mir auf den ersten Blick sehr sportlich vor!
Ich halte es für absolut realistisch. Was stört dich dabei? Die hohen vol% oder die hohe Ausbeute?
geHeimBrenner hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:38Was die Vorlauf-Abtrennung im Bezug auf die ätherischen Öle betrifft bin ich skeptisch, da diese komplett alkohollöslich sind und sich somit im gesamten Mazerat verteilt befinden. Ob da 5-10ml einen großen Unterschied machen?
Die Logik, warum das Vorlaufabtrennen nicht klappt, wenn der Stoff alkohollöslich ist, verstehe ich nicht. Acetaldehyd und Ethylacetat -die beiden wichtigsten Vorlaufstoffe- sind beide alkohollöslich.
Jedenfalls kann eine kleine Vorlaufabtrennung beim Geisten einen großen Unterschied machen. Und zumindest bei Gin gibt es viele Erfahrungsberichte darüber. Ich selber weiß es aber nur vom Hörensagen, da ich noch keinen Gin gemacht habe. Aber zB Zitronenschalengeist habe ich gemacht, wo das erste Destillat verdünnt tatsächlich sehr stark trübt. Toller Geist, habe leider nichts mehr, werde ich sicher mal wieder machen.
Alchemist hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:56Zu Beginn der Destillation hat man die höchsten vol% im Produkt, oder? Könnten sich da nicht prozentuell mehr Aromastoffe befinden als im hinteren Teil bei sinkenden vol%?
Zumindest die Aromastoffe, die den Geruch hauptsächlich ausmachen, sind sehr flüchtig, und kommen daher eher am Anfang der Destillation. Das liegt aber nicht an der hohen Alkoholstärke anfangs. Würdest du anstelle in Alkohol in Wasser mazerieren und dann also ohne Alkohol destillieren, würden diese Stoffe auch am Anfang kommen.
Wenn dann am Ende der Destillation weniger Aroma kommt, liegt das daran, daß nur noch wenig Aroma im Kessel ist, eben weil die flüchtigen Sachen schon vorher hinüberdestilliert sind.
geHeimBrenner
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von geHeimBrenner »

derwo hat geschrieben: 17. Jul 2024, 23:37
geHeimBrenner hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:38Schaffst du es tatsächlich mit einer Potstill, aus 500ml 40% 200ml mit 70-80% herauszubrennen wie in "Ablauf" beschrieben? Das kommt mir auf den ersten Blick sehr sportlich vor!
Ich halte es für absolut realistisch. Was stört dich dabei? Die hohen vol% oder die hohe Ausbeute?
Ja, ich bin wegen der Ausbeute etwas skeptisch, wobei ich selbst noch nie mit 40% im Kessel gegeistet habe. Ich hätte aus bisherigen Erfahrungen beim Geisten eher mit einer Konzentration von 60-70% im Produkt gerechnet, wenn fast die Hälfte des Ansatzes abgebrannt wird. Das wird aber vermutlich auch stark mit dem benutzten Gerät zusammenhängen.
Wenn ich 0,5l Vodka lese, gehe ich von so einer 25cm hohen Mini-Destille aus, bei welcher schon allein durch wallendes Kochen Einiges an Wassertröpfchen hochgeschleudert und bis ins Produkt verschleppt werden.
derwo hat geschrieben: 17. Jul 2024, 23:37
geHeimBrenner hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:38Was die Vorlauf-Abtrennung im Bezug auf die ätherischen Öle betrifft bin ich skeptisch, da diese komplett alkohollöslich sind und sich somit im gesamten Mazerat verteilt befinden. Ob da 5-10ml einen großen Unterschied machen?
Die Logik, warum das Vorlaufabtrennen nicht klappt, wenn der Stoff alkohollöslich ist, verstehe ich nicht. Acetaldehyd und Ethylacetat -die beiden wichtigsten Vorlaufstoffe- sind beide alkohollöslich.
Das stimmt natürlich. Und ätherische Öle sind ebenfalls leicht flüchtig, wobei ich nicht weiß, ob sie flüchtiger als Ethanol, Acetaldehyd oder Ethylacetat sind. Da habe ich auf die Schnelle keine verlässlichen Werte gefunden.

Beim Geisten mit Botanicals im Dampfraum (ohne Mazeration) ist es auch so wie von dir beschrieben, dass ein großer Teil der ätherischen Öle schon zu Beginn der Destillation vom Dampf aufgenommen wird. Aber ob sie nach einer Mazeration, also im schon gelösten Zustand auch früher verdampfen als der Alkohol? Ich glaube da ist mal ein Versuch und ein eigener Thread fällig.
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Alchemist
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von Alchemist »

geHeimBrenner hat geschrieben: 18. Jul 2024, 05:33
Ja, ich bin wegen der Ausbeute etwas skeptisch, wobei ich selbst noch nie mit 40% im Kessel gegeistet habe. Ich hätte aus bisherigen Erfahrungen beim Geisten eher mit einer Konzentration von 60-70% im Produkt gerechnet, wenn fast die Hälfte des Ansatzes abgebrannt wird. Das wird aber vermutlich auch stark mit dem benutzten Gerät zusammenhängen.
Wenn ich 0,5l Vodka lese, gehe ich von so einer 25cm hohen Mini-Destille aus, bei welcher schon allein durch wallendes Kochen Einiges an Wassertröpfchen hochgeschleudert und bis ins Produkt verschleppt werden.
Tatsächlich habe ich keine so kleine Destille. Die kleinste Variation ist bei mir derzeit noch bei 5 L Kessel. Klar, mir war schon etwas komisch, als ich 0.5 L in den Kessel geschüttet habe. Das kann schnell passieren, dass er leer läuft. Also hier ist schon Vorsicht geboten.
Ich hab mal ein paar Variationen mit unserem PotStill-Simulator durchgespielt. Der Einfluss der Destillengröße ist nur sehr gering im Potstill-Modus. Zwischen einem 25 L und einem 2.5 L Kessel haben wir beim 25 L Kessel eine leicht erhöhte Rektifikation, also bei 200 ml kommen dann etwa 77 vol% Produkt, und beim kleinen etwa 75 vol%. Also dann dürfte das, was ich grob überschlagen gemessen habe mit 72 vol% wohl auch eher die untere Grenze sein. Vermutlich ist der vol% in meinem Beispiel auch etwas höher.
Hier zum selber nach spielen: Rechner/PotstillThumper.html

geHeimBrenner hat geschrieben: 17. Jul 2024, 20:38 Beim Geisten mit Botanicals im Dampfraum (ohne Mazeration) ist es auch so wie von dir beschrieben, dass ein großer Teil der ätherischen Öle schon zu Beginn der Destillation vom Dampf aufgenommen wird. Aber ob sie nach einer Mazeration, also im schon gelösten Zustand auch früher verdampfen als der Alkohol? Ich glaube da ist mal ein Versuch und ein eigener Thread fällig.
Meinst du, dass sich die Flüchtigkeit der Stoffe verändert, wenn sie in Ethanol gelöst werden? Ich kann da nur auf derwo hinweisen:
Zumindest die Aromastoffe, die den Geruch hauptsächlich ausmachen, sind sehr flüchtig, und kommen daher eher am Anfang der Destillation. Das liegt aber nicht an der hohen Alkoholstärke anfangs. Würdest du anstelle in Alkohol in Wasser mazerieren und dann also ohne Alkohol destillieren, würden diese Stoffe auch am Anfang kommen.
Wenn dann am Ende der Destillation weniger Aroma kommt, liegt das daran, daß nur noch wenig Aroma im Kessel ist, eben weil die flüchtigen Sachen schon vorher hinüberdestilliert sind.
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derwo
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Re: Erfahrungen mit Gin

Beitrag von derwo »

geHeimBrenner hat geschrieben: 18. Jul 2024, 05:33Wenn ich 0,5l Vodka lese, gehe ich von so einer 25cm hohen Mini-Destille aus, bei welcher schon allein durch wallendes Kochen Einiges an Wassertröpfchen hochgeschleudert und bis ins Produkt verschleppt werden.
Aber ob das an der Alkoholstärke messbar ist? Schmeckbar ist sowas sicher (abhängig von der eingesetzten Heizleistung).
geHeimBrenner hat geschrieben: 18. Jul 2024, 05:33Beim Geisten mit Botanicals im Dampfraum (ohne Mazeration) ist es auch so wie von dir beschrieben, dass ein großer Teil der ätherischen Öle schon zu Beginn der Destillation vom Dampf aufgenommen wird. Aber ob sie nach einer Mazeration, also im schon gelösten Zustand auch früher verdampfen als der Alkohol? Ich glaube da ist mal ein Versuch und ein eigener Thread fällig.
Gerade im gelösten Zustand entspricht das doch eher den Messungen, die gemacht wurden. Nicht von uns gemacht, sondern von Wissenschaftlern, welche Alkohollösungen mit geringen Konzentrationen dieser Stoffe versetzt haben und dann im Destillat gemessen haben. Und auf solchen Messdaten fußen unsere diversen Begleitstofferechner. Und wenn man sich dort die entsprechenden Stoffe anschaut (a-Pinen, D-Limonen, Citral, Linalool, Linalooloxid), welche zumindest einen Teil der Wacholder- und Citrus-Aromastoffe ausmachen, dann muss man aber halt leider sagen, daß es uneinheitlich ist. Manche haben bei 40vol% im Kessel eine höhere Flüchtigkeit als Ethanol, andere eine niedrigere. Die Rechner können also nicht sicher nachbilden, warum der Vorlauf von Gin oder Citrusschalengeist so ist, wie er beschrieben wird.